Die eigene Mutter der Mensch, an dem sich viele ein Leben lang abarbeiten. Schließlich prägt uns kaum jemand so früh, so tief und so nachhaltig. Im Guten wie im Schlechten.
Kein Wunder, dass viele die Last der gesellschaftlichen Erwartungen, die es zur Geburt des ersten Kindes gratis dazu gibt, als bleischwer empfinden. Ratgeber über Elternschaft wollen helfen – doch oft vergrößern sie die Unsicherheit, die junge Mütter empfinden, eher noch. Haben doch selten zwei Experten dieselbe Meinung darüber, was eine „gute Mutter“ ausmacht. Was also tun?
Vielleicht einen Schritt zurücktreten und sich das Thema Mutterschaft wie von einem Berggipfel aus anschauen: Hier sind die Ratgeber, da die Debattenbeiträge und dort die Romane für und über Mütter. Jedes Buch zeigt einen kleinen Ausschnitt der Wahrheit. Zusammen bringen sie uns das Wesen des komplexen und vielschichtigen Phänomens namens Mutterschaft ein bisschen näher.
Noch ein Hinweis: Natürlich gibt es weitere wichtige Aspekte von Elternschaft, die in den hier vorgestellten Texten keine oder keine größere Rolle spielen – etwa die Sichtweisen von queeren, non-binären oder trans Menschen, von Vätern, Stief- oder Großeltern. Die hier besprochenen Bücher für Mütter gehen von der Perspektive von Cis-Frauen aus.
Mutter sein heute: Aktuelle Essays und Sachbücher zu Mutterschaft
Für Mütter – besonders die frisch gebackenen – können die gesellschaftlichen Erwartungen erdrückend sein. Darüber wird viel diskutiert. Eine Flut von Mütter-Ratgebern und teils hitzige Debattenbeiträge sind nur ein Anzeichen hierfür. Diese Essays und Ratgeber empfiehlt unsere Redaktion.
Stress, depressive Verstimmungen, Angst: Laut einer repräsentativen Studie nimmt bei rund 47 Prozent aller Mütter das mentale Wohlbefinden nach der Geburt des ersten Kindes etwas oder deutlich ab. (Während es sich bei 33 Prozent verbessert und bei 20 Prozent gleichbleibt.) Die Journalistin Mareice Kaiser hat sich Gedanken darüber gemacht, woran das liegt – und warum viele Frauen mit ihrer Mutterrolle so hadern.
Ihre These: Nicht persönliches Versagen, sondern ein strukturelles Problem steckt hinter der Überforderung vieler Mütter. Das belegt die Autorin faktenreich und spannt dabei einen großen Bogen von überzogenen gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter über politische Ungerechtigkeit bis hin zu globalen Krisen. Das Unwohlsein der modernen Mutter war für den Deutschen Reporter:innenpreis nominiert und stand auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Was eine „gute Mutter“ ausmacht, dazu hat jeder Mensch so seine eigenen Ideen. Mütter sehen sich mit dieser Vielzahl von Vorstellungen und Erwartungen anderer konfrontiert. Susanne Mieraus Sachbuch Mutter. Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Weges kann dabei helfen, tradierte Vorstellungen von Mutterschaft zu reflektieren und zu hinterfragen – um dann selbstbewusst den sozialen Druck abzustreifen und den eigenen Weg als Mutter zu gehen.
Wie können Mütter es künftig besser machen und die nächste Generation empowern? Dazu hat Pädagogin und Feministin Susanne Mierau einige konkrete Vorschläge speziell für Mütter von Mädchen. Ob es darum geht, Mädchen ein gutes Körpergefühl zu vermitteln oder sie über Pornos, Cybermobbing oder Verhütung aufzuklären: Nur eine Mutter, die die eigenen stereotypen Denk- und Verhaltensmuster erkennt und aktiv verändert, kann verhindern, dass sie sie ungewollt an die eigene Tochter weitergibt – so die Autorin. New Moms for Rebel Girls ist ein augenöffnender, faktenreicher Ratgeber.
Toxische Mutter-Kind-Beziehung
Wer die eigene Mutter meidet oder hasst, stößt bei anderen oft auf Befremden und Unverständnis. Die kindliche Loyalität zu den Eltern ist so stark, dass Menschen, die eine einigermaßen glückliche Kindheit erlebt haben, sie sich diesen radikalen Schritt schlicht nicht erklären können.
Dabei übersehen sie, wie schädlich und qualvoll manche Mutter-Kind-Beziehungen sind. Nur wenige Menschen finden darum den Mut, offen über Gewalt oder andere negative Erfahrungen zu sprechen, die sie in ihrer Kindheit von der eigenen Mutter erfahren haben. Ihre Berichte können anderen Betroffenen Mut machen, sich aus der toxischen Verbindung zur eigenen Mutter zu lösen.
Jennette McCurdy war ein Kinderstar: In ihrer Rolle als Sam aus der Serie „iCarly“ wurde sie 2007 bekannt. Nach außen hin lebte sie den amerikanischen Traum. Doch Schauspielerin zu werden, war nie McCurdys Wunsch – tatsächlich zwang ihre Mutter sie, ihren eigenen, unverwirklichten Traum zu leben.
Jennette, die es ihrer Mutter unbedingt recht machen wollte, entwickelte eine Alkoholsucht, litt an Bulimie und Magersucht. Als sie 21 war, starb ihre Mutter an Krebs. Was sich zunächst wie ein schrecklicher Schicksalsschlag anfühlte, war der Beginn einer schrittweisen Selbstermächtigung und Loslösung von ihrer dominanten Mutter.
I’m glad my Mom died hat Jennette McCurdy ihr Buch genannt – und es dürfte wohl einige geben, die beim Lesen dieses Titels innerlich kurz zusammenzucken. Doch provokant ist der Titel nicht gemeint: „Ich wusste, dass jeder, der Missbrauch durch Eltern erlebt hatte, den Titel verstehen würde“, sagte die heutige Filmemacherin und Singer-Songwriterin Ex- in einem Interview. Ihr herzzerreißender, schonungslos ehrlicher Bericht hat in Amerika eine große Debatte ausgelöst. Die deutsche Übersetzung erscheint am 24. Mai.
Morgens Zirkus, abends Theater: Lustiges für Mütter
Wer Kinder hat, weiß, dass das Leben als Mutter absolut nichts mit dem zu tun hat, was auf Mami-Blogs und Instagram als Familienalltag präsentiert wird. Stattdessen gleicht das Leben mit Kindern eher einer Art nervenzerrendem Improtheater, bei dem sich dramatische Heulszenen, enervierende Wiederholungen, dadaistischer Slapstick und rare Momente zarten Glücks im Minutentakt abwechseln. Was hilft: Mütter-Bücher, die den Familienwahnsinn mit Humor betrachten.
Oder Alkohol. Das jedenfalls ist Ellens Lösung, Gill Sims Heldin aus Mami braucht 'nen Drink. Das Tagebuch einer erschöpften Mutter ist flockige Unterhaltung für Mittelschichtsmütter aus einem eher konservativen Milieu – wer sich dazu zählt, wird sich in jeder Minute dieses humorvollen Mütter-Hörbuchs wiederfinden. Von der Sunday Times zum „Buch des Jahres“ gewählt.
Bewegende Romane über starke Mütter (und Töchter)
Während Ratgeber über Mutterschaft naturgemäß erklären wollen, wie man eine „gute“ Mutter wird, bekommt im Roman die „schlechte“ Mutter die größere Aufmerksamkeit. Sie ist der interessantere, weil seltenere Fall. Die vermeintlichen Schwächen der hier vorgestellten Romanmütter entpuppen sich allerdings im Verlauf der Handlung als wahre Stärke.
Elas Mutter ist zu dick – jedenfalls findet Elas Vater das. Seiner Meinung nach ist ihr Gewicht der Grund dafür, dass er nicht die erwünschte Karriere macht. Elas Mutter leidet unter der Lieblosigkeit, der Untreue und den immer heftigeren Beschimpfungen ihres Mannes. Davon, wie sie sich nicht unterkriegen lässt und sich stumm, aber beharrlich gegen die Zwänge wehrt, die die Gesellschaft ihr auferlegt, erzählt Daniela Dröscher in Lügen über meine Mutter.
Die Autorin unterbricht ihre autobiografische Erzählung über eine unglückliche Familie im Hunsrück der 80er-Jahre immer wieder mit essayistischen Passagen. Darin reflektiert sie aus heutiger Sicht die gesellschaftlichen Zwänge, die in dem dörflichen Kosmos herrschen, in dem die die Geschichte spielt. Der Roman stand 2022 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis und ist – unter anderem – eine Liebeserklärung an eine starke Frau und Mutter.
Minna – Kopf hoch, Schultern zurück: Diesen Rat hat Ida ihrer 19-jährigen Tochter mit auf den Weg gegeben. Mehr als um Körperhaltung geht es dabei um eine Haltung dem Leben gegenüber. Der Tipp erweist sich als nützlich. Denn die junge Schneiderin Minna stößt im Düsseldorf der 20er-, 30er- und 40er-Jahre immer wieder an die engen sozialen Grenzen ihrer Zeit und ihres Milieus. Und dann heißt es eben: Kopf hoch und weitermachen.
Auch der zweite Teil von Felicitas Fuchs‘ „Mütter-Trilogie“ ist mit einem typischen „Mütter-Spruch“ untertitelt: „Hanne – Die Leute gucken schon“. Die Autorin hat Autobiografisches sowie die Erinnerungen ihrer eigenen Mutter und Großmutter in ihre bewegende Trilogie über drei starke Frauen eingewoben. Durch deren Brille porträtiert sei ein ganzes Jahrhundert. Im Juli soll „Romy – Mädchen, die pfeifen“ erscheinen.
Die 13-jährige Jenna wächst bei ihrer Großmutter auf. Denn ihre Mutter, die Elefantenforscherin Alice Metcalf, ist zehn Jahre zuvor spurlos verschwunden. Was geschah in jener Nacht, in der im Elefantenreservat von New Hampshire eine Pflegerin unter ungeklärten Umständen zu Tode kam und Alice schwer verletzt wurde? Jenna glaubt, dass ihre Mutter sie nie freiwillig zurückgelassen hätte und setzt alles daran, sie zu finden. Dabei bekommt sie Hilfe von einem alkoholkranken Ex-Polizisten und einer Wahrsagerin, die ihren eigenen Fähigkeiten nicht traut.
Die amerikanische Bestseller-Autorin Jodi Picoult erzählt eine emotionale Geschichte über Mutterliebe, Verlust und Hoffnung, die mit überraschenden Wendungen und einem zu Tränen rührenden Finale aufwartet. Die Spuren meiner Mutter ist ein fesselnder Unterhaltungsroman und wird besonders Elefanten-Fans und Freunde des Übernatürlichen begeistern.
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