Der Women’s Prize for Fiction zeichnet seit fast 30 Jahren die besten englischsprachigen Romane von Frauen aus, um auf Ungerechtigkeit in der Verlags- und Literaturpreisbranche hinzuweisen. Wer es in diesem Jahr auf die Shortlist geschafft hat, wie der Preis funktioniert, und welche Gewinnerinnen aus der Vergangenheit du unbedingt gelesen haben solltest, erfährst du hier.
Die Gewinnerin des Women's Prize for Fiction 2024: "Brotherless Night" von V. V. Ganeshananthan
Monica Ali, die Vorsitzende der diesjährigen Jury, nennt Brotherless Night während ihrer Rede "einen glühenden, zutiefst bewegenden Roman". Wie auch der Gewinner des Non-Fiction-Preises, "Doppelganger" von Naomi Klein, beschäftigt sich Brotherless Night mit politischem Extremismus aus nächster Nähe.
In ihrer Rede hob Ganeshananthan ihre Kollaboratoren hervor, die sie bei der Beschreibung des Bürgerkriegs in Sri Lanka unterstützten. Sie wolle mit Brotherless Night eine Geschichte in Solidarität mit den zivilen Opfern von Gewalt und Krieg schreiben. Sie hoffe, dass durch solche Geschichten bald neue möglich würden, über "Freiheit und Gerechtigkeit für alle".
Die sechzehnjährige Sashi träumt davon, Ärztin zu werden. Doch als ein Bürgerkrieg in Sri Lanka ausbricht, verändert sich ihr ganzes Leben. Sie muss miterleben, wie ihre vier Brüder und deren bester Freund von radikalen politischen Ideologien mitgerissen werden und sich immer tiefer in den Krieg verstricken. Inmitten der Trümmer und Gewalt muss Sashi alles tun, um sie nicht zu verlieren.
“Visceral, historical, emotional. It is 300 pages of must-read prose.”
-Anna Whitehouse
Die diesjährige Shortlist des Women’s Prize for Fiction
Von den 16 Büchern, die es auf die Longlist des Preises geschafft haben, werden nur sechs für die Shortlist ausgewählt. Wie jedes Jahr war das Rennen um den Preis auch 2024 wieder knapp, denn die Shortlist ist voll mit brillanten Geschichten.
Nell will in die Fußstapfen ihres Großvaters stapfen, der ein berühmter irischer Dichter war. Darum zieht sie nach Dublin. Zurück bleibt ihre Mutter Carmel, die ebenfalls mit den Gedichten ihres Vaters zu kämpfen hat. Deren Magie hatte Carmels Mutter einst verführt – bis er sie samt ihrer zwei Kinder verlassen hat. Auch Nell wird in dem Bann der Worte ihres Großvaters gezogen. Wird sie es schaffen, wie der Zaunkönig in seinem Gedicht emporzufliegen?
“A psychologically astute examination of family dynamics and the nature of memory. Enright’s prose is gorgeous and evocative and scalpel sharp.”
-Monica Ali
Am Ende des 19. Jahrhunderts kommt Dolly Maunder auf einem Bauernhof in Australien zur Welt. Dolly ist zu clever, zu stur, und zu ehrgeizig für ein Leben „nur“ als Ehefrau. Auch als Erwachsene, mit zwei Kindern und einem Mann, versucht sie immer wieder, die Grenzen für „angemessenes“ Verhalten zu verschieben. Als der Krieg in Europa ausbricht und droht, die Regeln der Gesellschaft für immer zu verändern, muss Dolly sich fragen: Wie viel kann sie riskieren?
"It’s about a woman carving her place in the world, and it’s very funny.”
-Indira Varma
Um sich von einer miserablen Affäre zu erholen, kehrt die britisch-palästinensische Schauspielerin Sonia nach Jahren in London nach Haifa zurück. Dort lebt ihre Schwester Haneen, die täglich nach Tel Aviv pendelt, um dort an der Universität zu unterrichten. In der Hoffnung, ihre verwirrende Beziehung zu ihrem Heimatland zu verstehen, tritt Sonia einer Produktion von Hamlet im Westjordanland bei. Während sie Gertrudes Verse auf Arabisch lernt, droht der Widerstandskampf um sie herum, weiter zu eskalieren. Und die Geister ihrer Vergangenheit lassen Sonia nicht los…
"It’s a gorgeously written, very nuanced, deeply layered book, and I absolutely loved it.”
-Monica Ali
In einem unerschütterlichen Monolog beschreibt Soldier, gerade Mutter geworden, wie die Geburt ihres Sohnes Sailor ihr gesamtes Leben fundamental verändert hat. Müde, ängstlich und frustriert erzählt Soldier von der nicht endenden Aufgabe, sich täglich um ein Kind zu kümmern. Vor allem, wenn ein Partner, dem man einst gleichberechtigt war, plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen ist. Kann ein alter Freund Soldier wieder zu ihrem alten Ich führen?
"A full-bodied, remorseless, visceral deep dive into the maternal mind.”
-Anna Whitehouse
Alva lebt mit ihrer Mutter Sloan seit ihrer Geburt in Shanghai und träumt davon, in die USA zu ziehen. Doch Sloan kann sich nicht einmal das Schulgeld für die internationale Schule leisten – bis sie ihren Vermieter Lu Fang heiratet. Die beiden wirken wie das unwahrscheinlichste Paar, doch ihre Vergangenheit ist so viel komplizierter, als sie scheint. Also macht Alva sich auf die Suche nach Antworten über die Migrationsgeschichte ihrer amerikanischen Mutter und den chinesischen Vater, den sie nie kannte.
“Set in Shanghai in the 2000s, it's a novel about reinvention. It’s original, it's funny, and it's sometimes heartbreaking as well.“
-Monica Ali
Autorin | Titel |
Anne Enright | The Wren, The Wren |
V. V. Ganeshananthan | Brotherless Night |
Kate Grenville | Restless Dolly Maunder |
Isabella Hammad | Enter Ghost |
Claire Kilroy | Soldier Sailor |
Aube Rey Lescure | River East, River West |
Was ist der Women’s Prize for Fiction?
Seit 1996 zeichnet die Jury des Women’s Prize for Fiction jährlich den besten englischsprachigen Roman einer Frau aus, der im Vorjahr in Großbritannien veröffentlicht wurde. Der Preis, früher auch als „Orange Prize for Fiction“ bekannt, gilt neben dem Booker Prize als einer der renommiertesten Literaturpreise in Großbritannien. 30.000£ Preisgeld sowie eine Statuette namens „Bessie“ werden von einer fünfköpfigen Jury vergeben, die unter anderem aus Autorinnen, Illustratorinnen, und Sprecherinnen besteht. In diesem Jahr steht sie unter der Leitung von Bestsellerautorin Monica Ali.
Warum gibt es den Women’s Prize for Fiction?
Literatur von Frauen wird bei der Vergabe von Literaturpreisen weniger berücksichtigt, seltener nominiert und weniger häufig ausgezeichnet. Das liegt unter anderem daran, dass Literatur von Frauen oft Trivialität vorgeworfen wird: Je mehr Prestige ein Verlag hat, desto weniger Autorinnen sind Teil seines Programms. Außerdem gibt es viel mehr männliche als weibliche Literaturkritiker, die wiederum viel öfter männliche Autoren rezensieren.
Der Women’s Prize for Fiction wurde als Antwort auf diese Gender Gap ins Leben gerufen, nachdem die Shortlist des Booker Prize 1991 nur Bücher von männlichen Autoren enthielt. Seit diesem Jahr wird auch der Women’s Prize for Non-Fiction verliehen. Die Stiftung des Preises legt ebenfalls Wert darauf, Nachwuchsautorinnen zu fördern. Bei Women’s Prize Discoveries können junge Autorinnen aus Großbritannien den Anfang ihres Romans einreichen, um einen Schreibworkshop, ein Preisgeld und die Chance auf einen Vertrag mit einem Literaturagenten zu gewinnen. Das Discoveries-Angebot umfasst auch viele kostenlose Workshops und Ratgeber-Artikel von zahlreichen berühmten Autorinnen.
Wer noch mehr über die Shortlist von diesem und vergangenen Jahren hören will, oder einfach noch mehr Empfehlungen für herausragende Bücher von Frauen möchte, kann auch den Podcast des Women’s Prize einschalten. Jede Woche gibt es dort Interviews mit inspirierenden Gästen rund um Literatur von Frauen.
Warum wir von Literatur von Frauen reden – und nicht von Frauenliteratur.
Gewinnerinnen der Vorjahre
Die diesjährige Gewinnerin darf sich in eine Reihe fantastischer Autorinnen einordnen, die den Preis in den vergangenen Jahren gewonnen haben – eine Auswahl findest du hier.
Demon Copperhead wird in einem Trailer tief in den Appalachen geboren. Sein Vater ist tot, seine Mutter ein Teenager und gerade frisch aus der Entzugsklinik entlassen worden. Demon lernt schnell, dass sich niemand um „Hillbillys“ wie ihn kümmert. Doch er lässt sich nicht unterkriegen. Mit seiner einzigartigen Stimme erzählt Demon von Abhängigkeit, missbräuchlichen Pflegefamilien und seiner Liebe zu genau den Leuten, die andere links liegen lassen.
Barbara Kingsolver gewann den Women’s Prize for Fiction mit „The Lacuna“bereits 2010 und wurde im letzten Jahr die erste zweifache Gewinnerin des Preises. Demon Copperhead wurde zudem mit dem Pulitzer-Preis 2023 geehrt und ist – so die Washington Post – vielleicht das beste Buch des Jahres 2022.
Benny Oh ist zwölf Jahre alt, als sein Vater bei einem Unfall stirbt. Ein Jahr später fängt er an, Stimmen zu hören. Es sind die Stimmen all der leblosen Objekte in seinem Zuhause: Schuhe, kaputte Weihnachtskugeln, ein Blatt welker Salat. Die Stimmen werden lauter, als Bennys Mutter Annabelle immer mehr Dinge hortet, bis es kaum mehr freien Raum in ihrem Haus gibt. Sowohl Benny als auch Annabelle drohen, in ihrer Trauer zu ersticken. Bis sie auf ein Buch stoßen, das ihre Rettung sein könnte.
Ruth Ozeki ist nicht nur Autorin, sondern auch Filmmacherin und buddhistische Zen-Priesterin. Ihr dritter Roman „Geschichte für einen Augenblick“ schaffte es 2013 auf die Booker Prize-Shortlist, während Die leise Last der Dinge 2022 den Women’s Prize for Fiction erhielt.
Piranesi wohnt in dem Haus. Vielleicht tut er das schon immer. Er streift durch die tausend Räume mit ihren abertausenden Statuen, erkundet das obere Stockwerk, durch das Wolken ziehen, und meidet das untere, in dem sich ein wogender Ozean auftürmt. Es ist einsam im Haus, denn von den fünfzehn Menschen auf der Welt sind die meisten schon tot. Bis auf den „Anderen“ natürlich, den Piranesi zweimal die Woche trifft und für den er das „Große und Geheime Wissen“ finden soll. Auf einmal erscheinen Nachrichten im Haus, die Piranesi nicht geschrieben hat. Jemand Neues ist im Haus, aber wer könnte das sein?
Bereits ihr Debütroman „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ wurde mehrfach ausgezeichnet, und auch für die fantastische Welt von Piranesi erhielt Susanna Clarke weltweit Anerkennung.
Das Lied des Achill spielt in Griechenland, mitten im Heldenzeitalter. Von seinem Vater verstoßen und von Helena als Ehemann abgelehnt, wächst Patroklos unter Peleus‘ Wacht mit Waisenkindern und Vertriebenen auf. Umso überraschter ist er, als sich der Halbgott Achill, bekannt für seine Schönheit und Kampffertigkeiten, ausgerechnet ihn als Gefährten aussucht. Die beiden kommen sich näher, doch bald schon wird ihre junge Liebe auf die Probe gestellt: Helena wurde nach Troja entführt, und Achill muss ihr und seiner Bestimmung folgen. Patroklos begleitet ihn, nicht ahnend, was diese Reise für ihn bedeuten wird…
Madeline Miller ist eine der berühmtesten Vertreterinnen des Genres der Mythologie-Neuerzählungen. Auch in ihrem zweiten Roman „Ich bin Circe“widmet sie sich der Neuinterpretation altgriechischer Sagen.
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