Das Erste, was Menschen zum Stichwort „Psychologie“ einfällt, ist oft alles andere als positiv. Klar, zunächst einmal ist Psychologie ganz neutral definiert als eine empirische Wissenschaft, die sich mit dem menschlichen Erleben und Verhalten beschäftigt. Viele bringen Psychologie jedoch sofort in Verbindung mit psychischen Krankheiten und Traumata. Tatsächlich lag der Schwerpunkt der psychologischen Forschung lange vor allem auf seelischen Leiden und deren Behandlung. Die Positive Psychologie, eine relativ junge Strömung, hat aber einen ganz anderen Fokus: Sie untersucht, was genau seelisches Wohlbefinden ist und wie Menschen ihre Potenziale nutzen und dabei glücklich werden können.
Die Macht der Affirmationen
Dr. James R. Doty ist Professor für Neurochirurgie an der Universität von Stanford[JO1] . In Mind Magic: Wie du dein bestes Leben manifestierst erklärt er, wie Affirmationen, also positive Aussagen über sich selbst, das eigene Leben verbessern können. Dr. Doty glaubt, dass man so nachhaltige Veränderungen erreichen kann – und das in sechs einfachen Schritten. Hier treffen Ratgeber und mit persönlichen Anekdoten gespickte Erzählung aufeinander. Anschaulich, inspirierend und unterhaltsam.
Die andere Seite der Psychologie
Positiv bedeutet natürlich keinesfalls, dass andere Teilbereiche der Psychologie negativ im Sinne von schlecht wären. Ganz im Gegenteil, kein Vertreter der Positiven Psychologie würde wohl jemals bestreiten, wie wichtig und wertvoll etwa die Erforschung von Depressionen und anderen Krankheiten ist. Glücklicherweise sind diese längst nicht mehr so tabuisiert wie früher. Die Behandlungsmethoden entwickeln sich ständig weiter und können vielen Menschen helfen. Gut so! Nur: Was ist mit denen, die psychisch gesund sind? Hat die Psychologie ihnen nichts zu sagen?
Eben hier setzt die Positive Psychologie an, im Sinne einer Ergänzung und Bereicherung. Geprägt wurde der Begriff von Abraham Maslow, der bereits 1954 die rein defizitorientierte Sichtweise auf die menschliche Psyche als unzureichend kritisierte. Der eigentliche Siegeszug der Positiven Psychologie begann jedoch erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt dank ihres bekanntesten Vertreters Martin Seligman. Als der US-amerikanische Psychologe 1998 zum Präsidenten der American Psychological Association gewählt wurde, machte er das Konzept der Positiven Psychologie zum Thema seiner Amtszeit. Denn neben der Behandlung mentaler Krankheiten hat die Psychologie laut Seligman noch andere Aufgaben: das Leben der Menschen produktiver und erfüllter zu machen und herausragende Talente zu identifizieren und zu fördern.
PERMA: Die Säulen der Positiven Psychologie
Welches Ziel die Positive Psychologie verfolgt, bringt Martin Seligman schon im Titel eines seiner Bücher auf den Punkt: „Flourish“ – aufblühen sollen die Menschen. Es geht um Wohlbefinden und Glück, aber auch darum, Stärken auszubauen und die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Wie das gelingen kann und in welchen Bereichen die Positive Psychologie ansetzt, fasst Seligman im Akronym PERMA zusammen:
P wie Positive Emotions (positive Emotionen): Zu seelischem Wohlbefinden gehört mehr, als nicht zu leiden, also keine negativen Emotionen zu empfinden. Entscheidend sind positive Emotionen wie Dankbarkeit oder Hoffnung, die wir gezielt fördern können.
E wie Engagement: Alles fällt leichter, wenn wir es gern tun. Idealerweise geraten wir dabei sogar in einen Flow – ein Begriff, den Mihály Csíkszentmihályi geprägt hat für einen Zustand, in dem wir ganz in einer Tätigkeit aufgehen, sodass die Zeit wie im Fluge vergeht.
R wie Relationships (Beziehungen): Gute Beziehungen zu unseren Mitmenschen tragen zu unserem Wohlbefinden bei. Es lohnt sich, Beziehungen zu Menschen zu pflegen, die uns guttun, und Personen soweit möglich zu meiden, die uns Energie rauben.
M wie Meaning (Sinnhaftigkeit): Wir sind zufriedener, wenn wir einen Sinn in dem sehen, was wir tun. Die Positive Psychologie bestärkt uns also darin, nach einem Sinn in unserer Tätigkeit zu suchen – oder nach einer neuen Tätigkeit mit Sinn.
A wie Accomplishment (Erfolg): Hier geht es darum, wie wichtig es für uns ist, etwas zu leisten und unsere großen und kleinen Ziele zu erreichen. Das macht uns stolz, stärkt unser Selbstvertrauen und gibt uns ein Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Zwischen Glückssuche und Selbstoptimierungszwang
Das PERMA-Modell ist eines von vielen Modellen, die die Positive Psychologie in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Es ist dabei nicht von der Hand zu weisen, dass die grundlegenden Fragen der Positiven Psychologie alles andere als neu sind. Nach dem Geheimnis eines gelingenden Lebens fragten schon die Philosophen der Antike, nach dem Glück suchten die Menschen wahrscheinlich schon immer. Glücksratgeber können daher aus dem Vollen schöpfen: Das Spektrum reicht von fernöstlicher Weisheit über positives Denken bis hin zu modernen Wohlfühltrends. Der Beitrag der Positiven Psychologie zur allgegenwärtigen Glückssuche ist jedoch ihre wissenschaftliche Herangehensweise: Ihre Erkenntnisse sind das Ergebnis systematischer Forschung und durch Studien belegt.
Aber brauchen wir überhaupt Strategien, um (noch) glücklicher, produktiver und erfolgreicher zu werden? Kritiker werfen der Positiven Psychologie vor, eine permanente Selbstoptimierung zu propagieren, die Menschen nur noch mehr unter Druck setzt. So rechnet etwas die Politologin und Journalistin Juliane Marie Schreiber in ihrem so klugen wie wütenden Anti-Ratgeber Ich möchte lieber nicht mit dem "Terror des Positiven" ab.
Die meisten Anhänger der Positiven Psychologie würden wohl entgegnen, dass es gar nicht das Ziel (und auch nicht möglich) ist, ständig glücklich zu sein. Positive Psychologie und Selbstakzeptanz schließen sich nicht aus. Es geht darum, das Gute im Leben bewusster wahrzunehmen und Stärken aufzubauen. So hilft die Positive Psychologie auch dabei, mit dem weniger Guten klarzukommen und Schwächen gelassener hinzunehmen.
Die gute Nachricht der Positiven Psychologie
Hier schließt sich der Kreis zur klassischen Aufgabe der Psychologie, Leiden zu lindern. Die Positive Psychologie kann viel dazu beitragen, schwere Zeiten durchzustehen und Krisen zu bewältigen. Eine wichtige Rolle spielt hier die sogenannte Resilienz: die Fähigkeit, Belastungen unbeschadet zu überstehen. Schon bei Kindern lässt sich Resilienz fördern. Auch Erwachsene profitieren in Krisen von einem positiven Mindset und können Ängste bewältigen, indem sie ihren Blick – genau wie die Positive Psychologie es tut – auf ihre Ressourcen und positive Emotionen richten. Mut macht in diesem Zusammenhang der von Barbara Fredrickson beschriebene „Undoing-Effekt“: Positive Emotionen sind demnach nachweislich in der Lage, negative Gefühle abzumildern oder aufzuheben.
Gerade in Zeiten, in denen sich Krise an Krise reiht, ist es darum wichtig, die eigenen seelischen Ressourcen immer wieder aufzufüllen. Denn wir verfügen zwar über einen psychischen Schutzschild, der unsere mentale Gesundheit bewahrt, doch wenn dieses „psychische Immunsystem“ durch Katastrophen-Nachrichten und Schwarzmalerei unter Dauerbeschuss steht, wird es schwach und löchrig.
Auch Neurowissenschaftler und Psychiater Volker Busch plädiert aus diesem Grund dafür, Ängsten und Sorgen ganz bewusst positive Empfindungen entgegenzusetzen. Der Spiegel-Bestseller-Autor forscht seit Jahren zum Thema Resilienz und schildert in seinem neuen Buch Kopf hoch, welche Strategien der Selbstfürsorge deine psychischen Batterien aufladen können.
Doch egal, ob wir Positive Psychologie nutzen möchten, um schwierige Umstände zu meistern, ob wir einfach zufriedener sein oder unser Potenzial entfalten möchten: Wir haben eine gute Chance, wirklich etwas zu bewirken. Das beweisen die Forschungsergebnisse von Sonja Lyubomirsky, an denen man bei der Beschäftigung mit Positiver Psychologie kaum vorbeikommt.
Lyubomirsky fand heraus, dass etwa 50 Prozent unseres Glücksempfindens von unserer angeborenen Grundeinstellung bestimmt werden. Lediglich 10 Prozent hängen von den äußeren Umständen ab – überraschend wenig, wenn man bedenkt, wie viel Aufmerksamkeit und Energie wir diesen Umständen in der Regel widmen. Bleiben noch ganze 40 Prozent unseres Glücksempfindens, auf die wir direkt Einfluss nehmen können. Hier kommt die Positive Psychologie ins Spiel: Sie lädt dazu ein, diese 40 Prozent als eine Schatzkiste zu begreifen, deren Möglichkeiten wir ausschöpfen können. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis der Positiven Psychologie lautet daher: Wir haben unser Glück selbst in der Hand!
Positive Psychologie: Weitere Hörbücher zum Thema entdecken
Auch in diesen Ratgebern geht es darum, wie wir dank der Erkenntnisse der Positiven Psychologie glücklicher und zufriedener leben können:
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