Die Audible Original Hörspielserie "Der Rattenfänger" verwebt die weltbekannte Sage aus Hameln mit einem modernen Mystery-Thriller: Als in der Kleinstadt Freidorf mehrere Kinder verschwinden, wird die Entführungsspezialistin und Kriminalkommissarin Paula Beyer eingeschaltet.
Für sie ist dieser Fall nicht leicht, ihr eigener Sohn starb ein Jahr zuvor. Nun muss sie in der kleinen Stadt einen Fall aufklären, bei dem vermutlich auch die dunkle Vergangenheit der Eltern eine Rolle spielt. Nina Hoss spricht die Rolle der Ermittlerin, die mit dem jungen Polizisten Jakob (Kostja Ullmann) hinter einem Kinderfänger her ist. Gleichzeitig muss sie sich vor einem Psychologen (Heino Ferch) hüten, der sie auf ihre Dienstauglichkeit hin überprüft. Ein Belastung für Paula Beyer, die man ihr anhört.
"Mit meinen Rollen mache ich Erfahrungen, die ich in meinem Leben nicht machen würde."
Hört man dich in der ersten Szene des Rattenfängers, ist man überrascht: Deine Stimme klingt abgebrüht, emotionslos, leer. Ganz anders als die leidenschaftliche und lebendige Nina Hoss aus Filmen wie „Die weiße Massai“ und „Schwesterlein“. War es schwierig für dich, dich so runterzufahren?
Interessante Frage. Sie legt den Finger darauf, woran ich am meisten arbeiten musste: Dass ich in meine Stimme hineinbekomme, dass Paula Beyer nicht ganz bei sich ist. Ihr wird auch immer wieder von außen gespiegelt, dass man ihrem Urteil nicht ganz vertraut, weil sie durch eine schwere Zeit geht. Ich habe mir vorgestellt, dass Paula sehr genau weiß: Alles, was sie sagt, und wie sie es sagt, wird auf die Waagschale gelegt. Deshalb spricht sie oft auf eine harte Art und Weise, damit sie nicht zu emotional wirkt. Natürlich zieht sich das nicht durch die ganze Geschichte, sonst würde der Hörer nicht mit auf die Reise gehen. Aber es sollte doch immer wieder spürbar sein.
Im Film hast du deine Mimik und Körpersprache, um eine Figur darzustellen. Wie bereitest du dich auf eine Rolle vor, bei der man dich nur hört?
Das war bei Paula nicht so schwer. Ich habe mich in diese Frau hineinversetzt, die ihren Sohn vor zwei Jahren verloren hat, und sich in ihren Job stürzt, um nicht nachdenken zu müssen und zu viel mit sich selbst zu sein. Das kennt man doch auch privat - Situationen, in denen man weiß: "Jetzt darf ich mich nicht zu sehr mit mir selbst beschäftigen. Das endet nicht gut."
Empathie ist das wichtigste Handwerkstool eines Schauspielers?
Es ist das, was dieser Beruf oft braucht. Du musst dich in verschiedenste Menschenleben und Situationen hineinversetzen können. Das finde ich so aufregend daran. Ich mache Erfahrungen, die ich in meinem eigenen Leben gar nicht machen würde.
Für Paula ist es nicht leicht, sich ausgerechnet mit diesem Fall zu beschäftigen: Sie jagt jemanden, der Teenager entführt und verletzt, aber lebendig wieder freilässt.
Es gibt etwas, was sie triggert, und das ist dieser Fall. Wenn sie arbeitet, ist sie ganz da. Paula ist eine sehr gute Kommissarin und hat einen speziellen Sinn. Deshalb lässt ihr Chef sie auch weiterarbeiten. Er kann sich darauf verlassen, dass sie auf ganz andere Ideen kommt als manch anderer Ermittler.
Paula flüchtet sich in die Arbeit, um sich der Trauer nicht stellen zu müssen. Ist dir das vertraut?
Ich laufe nicht weg vor Gefühlen, die schmerzhaft sein können. Dann wäre ich auch im falschen Beruf. Es gibt natürlich auch Erfahrungen, bei denen ich merke: Jetzt muss ich mich ablenken und mich auf die Arbeit konzentrieren, damit ich aus diesem gedanklichen Hamsterrad komme. Ich glaube, ich habe eine gute Mischung von beidem.
Hast du vorher mit einer Kommissarin oder einem Kommissar gesprochen, um mehr über Denkstrukturen und emotionale Bewältigungsstrategien zu erfahren?
Nein. Für mich war das durch das Manuskript sehr klar. Wie Paula an den Fall herangeht, wie die Kollegen arbeiten, wie sie eine Art Lehrerin für ihren jüngeren Kollegen Jakob wird. Er weiß noch gar nicht richtig, wie man so einen komplexen Fall anpackt.
Die Frau des Polizeiobermeisters Jakob Bannermann ist schwanger, und er hat Angst davor, Vater zu werden. Jeder steht in "Der Rattenfänger" an einem anderen Punkt: Er bekommt ein Kind, Paula hat ihres verloren, Eltern bangen darum, ob sie ihre Kinder wiedersehen.
So ist es. Ich musste gar nicht so tief in die Polizeiarbeit einsteigen, sondern mehr in die unterschwellige Psychologie, die durch das Geschehen läuft.
"Es gibt mehrere Szenen, die mich sehr bewegt haben."
Du hast einmal gesagt, dass du mit der Figur erlebst, was ihr passiert. Wie war es mit Paula, nahmst du sie gedanklich mit nach Hause?
Das Besondere an dieser Rolle sind die verschiedenen Ebenen. Ich bin mit meiner Figur sowohl mitten im Fall als auch die Erzählerin. Und als Beobachterin bin ich praktisch das Auge des Zuhörers. Diese verschiedenen Perspektiven haben es mir ermöglicht, die Dinge mit Distanz zu sehen.
Gibt es eine Szene in „Der Rattenfänger“, die dich sehr bewegt hat?
Mehrere. Da sind die Szenen, in denen Paula an ihren Sohn denkt, Panikattacken bekommt und sich nicht im Griff hat. Schlussendlich schafft sie das schon. Aber man merkt einfach, dass für sie bestimmte Dinge noch nicht geklärt sind. Sie muss sich ihnen noch stellen.
Beschreibe bitte das Hörbuch in ein paar Sätzen. Was erwartet den Hörer?
Wirklich spannend ist der Fall. Meine Figur wird in einen Ort hineingeworfen, den sie nicht kennt, mit Bewohnern, die sie nicht kennt. Es gibt vermeintlich sympathische Figuren und welche, die einem suspekt sind. Darunter versteckt sich etwas, das in der Vergangenheit liegt und worüber die Bewohner nicht sprechen. Da ist schon eine Grundatmosphäre, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Und dann hat man es mit einer Kommissarin zu tun, die eine Theorie entwickelt, in die man bis zu einem gewissen Grad mit einsteigt: "Ja, das Ganze muss mit der Sage um den Rattenfänger von Hameln zu tun haben, und ja, es geht sicher um Rache." Bis man wieder an allem zweifelt, und sich fragt, ob der eigene Eindruck wirklich stimmt.
Neben Kostja Ullmann sind die Schauspieler Heino Ferch, Jördis Triebel und Manon Straché zu hören. Übt man vorher miteinander oder trifft man sich im Studio und los geht’s?
Das wäre schön gewesen, wenn wir uns davor gesehen hätten. Aber die Produktion war mitten in der Pandemie, und wir mussten einzeln in die Sprechkabine. Ich musste mir tatsächlich alles vorstellen, weil ich als Erste dran war. Natürlich ist es toll, wenn man ein Projekt gemeinsam erarbeitet. Für meine Figur fand ich es so aber auch nicht schlecht, weil sie wie eine Exilantin durch eine fremde Welt geht und mit sich selbst beschäftigt ist. Da musste ich gar nicht viel herstellen.
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