Verschlossen, schüchtern, zögerlich: Medien stellen introvertierte Menschen nicht immer im besten Licht da. Deshalb haben es Introvertierte oft schwerer, Wertschätzung, Anerkennung und Verständnis bei ihren Mitmenschen zu finden. Du bist selbst eher introvertiert? Hier entdeckst du Buchempfehlungen und hilfreiche Tipps, die dir das Leben erleichtern können. Fundierten psychologischen Rat können unsere Tipps natürlich nicht ersetzen. Bevor es losgeht, schauen wir zuerst noch einmal auf die Basics. "Introversion" – was ist das genau?
Introversion und Extraversion: Was verbirgt sich hinter den Begriffen?
Die Begriffe der Introvertiert- und Extravertiertheit (beziehungsweise Intro- und Extraversion, wobei auch der Begriff Extroversion geläufig ist) wurden im Jahr 1921 erstmals von dem Psychologen C.G. Jung beschrieben. Sie gelten als zentrale Bausteine der Persönlichkeit und gehören zu den „Big Five“, also den fünf grundlegenden Dimensionen, mit deren Hilfe sich der Charakter eines Menschen beschreiben lässt. Diese Dimensionen sind:
Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit)
Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus)
Extraversion (Geselligkeit; Extravertiertheit)
Verträglichkeit (Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie)
Neurotizismus (emotionale Labilität und Verletzlichkeit)
Die Big Five wurden durch eine Vielzahl von Studien belegt und gelten heute international als das universelle Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung. (Quelle: Hochschule Luzern). Wichtig ist dabei: Alle Persönlichkeitsmerkmale sind als Spektrum zu verstehen, in dem sich jeder Mensch irgendwo verortet. Es gibt also nicht nur „schwarz“ oder „weiß“, sondern eine ganze Skala an Grautönen.
„Nur in stillen Wassern spiegeln sich die Sterne“
(Chinesisches Sprichwort)
Introvertiert-Tipp 1: Erkenne deine Veranlagung
„Intro“ oder „Extro“? So einfach ist es nicht. Die Begriffe bezeichnen zwei Extreme, zwischen denen sich ein ganzes Spektrum aufspannt. Es gibt nur wenige Menschen, die sich an den Rändern dieses Spektrums verorten lassen – die meisten befinden sich irgendwo in der Mitte. Man könnte auch sagen, sie sind „Zentros“ oder „ambivertiert“. Manche Menschen sind zum Beispiel im Berufsleben eher extrovertiert, im vertrauten Umfeld aber ruhig und verschlossen. Bei anderen ist es genau andersherum. Es ist hilfreich, zu wissen, wie stark deine Veranlagung ist und in welchen Situationen du eher zu einem introvertierten Verhalten neigst.
Autorin und Vortragsrednerin Sylvia Löhken hat einen einfachen Online-Test entwickelt, mit dem du herausfinden kannst, wie hoch der Grad deiner Introversion ist. Die Antwort bekommst du sofort, ohne Angabe deiner Daten oder deiner E-Mail-Adresse. Löhken beschäftigt sich seit Jahren damit, wie eher introvertierte Menschen ihre speziellen Stärken so einsetzen können, dass sie sich in Umfeldern behaupten können, die Extroversion belohnen. Über dieses Thema hat sie mehrere Bücher für Introvertierte geschrieben.
In Leise Menschen - gutes Leben geht es vor allem darum, wie Introvertierte Raum für Rückzug und Zeit zur Regeneration finden. Ihr Ratgeber „Leise Menschen – starke Wirkung“ geht konkret darauf ein, wie Introvertierte im Berufs- und Privatleben Präsenz zeigen und sich Gehör verschaffen können. „Leise Menschen – starke Worte“ vermittelt dagegen Strategien für eine gelingende Kommunikation und nimmt die Angst vor Small Talk, Vorträgen und Meetings.
Introvertiert-Tipp 2: Akzeptiere deine Introversion
Viele Introvertierte meinen, sie müssten sich verstellen, um selbstbewusster zu wirken und beliebter zu sein. Doch wer gegen seine innere Natur kämpft, wird auf Dauer nur erschöpft sein. Es gibt keinen Grund, etwas gegen deine Introversion zu unternehmen: So, wie du bist, bist du genau richtig.
Akzeptierst du dich – mit all deinen Stärken und Schwächen – hast du den Grundstein für ein glückliches und erfolgreiches Leben bereits gelegt. Das heißt aber nicht, dass du ein Leben lang im Schatten extrovertierter Menschen stehen musst. Im Gegenteil: Du kannst deine Talente so nutzen, dass sie für anstatt gegen dich arbeiten. Wie das konkret gelingt, zeigt Unternehmer, Blogger und Autor Patrick Hundt in seinem Buch Kopfsache anhand vieler konkreter Situationen und Beispiele auf.
Wunderbar still: 10 Stärken introvertierter Menschen
Introvertierte zeichnen sich oft durch die folgenden positiven Eigenschaften aus. Nicht alle diese Aussagen müssen auf dich zutreffen – aber wahrscheinlich findest du dich als introvertierter Mensch in mehr als der Hälfte dieser Aussagen wieder.
Du bist verständnisvoll, aufmerksam und kannst gut zuhören.
Du bildest dich gerne und aus eigenem Antrieb fort.
Du bist zuverlässig, verantwortungsbewusst und hältst Wort.
Du denkst gründlich nach, bevor du handelst, und kommst so zu guten Lösungen.
Du erledigst deine Arbeit fokussiert und eigenständig.
Du bist vertrauenswürdig und kannst dir anvertraute Geheimnisse für dich behalten.
Du bist selbstreflektiert und legst Wert auf die Entwicklung deiner Persönlichkeit.
Du gehst offen und ehrlich mit anderen um.
Du bist vielseitig interessiert, hast ein großes Allgemeinwissen und langweilst dich selten.
Du strahlst auch in stressigen Situationen Ruhe aus und trägst so zu einem entspannten Miteinander bei.
Introvertiert-Tipp 3: Schöpfe Kraft aus deiner Introversion
Partys, Kongresse, Vorträge: Introvertierte Menschen neigen dazu, solche Anlässe zu meiden, denn große Menschenansammlungen sind ihnen meist ebenso unangenehm, wie Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen.
Der Grund? Introvertierte fühlen sich schneller von Reizen überflutet als extravertierte Personen. Das lässt sich sogar messen: Selbst in einer ruhigen, reizarmen Umgebung sind ihre neuronalen Netze aktiver als die von extravertierten Menschen. Darum leiden sie schneller an Reizüberflutung und benötigen dann Rückzugsräume. Der erste, der dies in einer Studie systematisch untersuchte, war der US-amerikanische Psychologe Jerome Kagan. Seine Erkenntnisse wurden seither mehrfach bestätigt.
Die Autorin Anne Heintze ist selbst ein introvertierter Mensch – doch sie hat gelernt, bei Vorträgen selbstbewusst und kraftvoll aufzutreten, ohne sich verbiegen oder verstellen zu müssen. Das kannst du auch lernen: Ihr Buch Auf die leise Weise unterstützt dich mit vielen Anregungen und praktischen Übungen dabei.
Kurz und knapp erklärt die Autorin, wie du zum Beispiel deine Körpersprache bewusster nutzen oder deine situative Gehemmtheit ablegen kannst. Mit vielen praktischen Übungen lernst du so, die Kraft und Stärke zu spüren, die dir deine Introversion verleiht – und diese für dich einzusetzen. Zusätzlich können dir diese Tipps helfen, Kraft aus deiner Introversion zu schöpfen.
Tipps für Introvertierte
Spüre in dich hinein: Wann möchtest du in Gesellschaft sein – und wann lieber allein? Kommuniziere deine Bedürfnisse ehrlich und klar. Dann wissen andere, woran sie sind und du selbst bleibst mit dir im Reinen.
Lerne, sozialen Druck an dir abperlen zu lassen: Nicht jeder ist in der Lage, dein Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe zu verstehen. Findet dich jemand wegen deiner introvertierten Art „komisch“ oder „egoistisch“, darfst du das ignorieren und als Unverständnis oder Unwissenheit verbuchen.
Erkläre dich Menschen, die dir am Herzen liegen: Stößt du bei dir nahestehenden Personen auf Unverständnis für deine introvertierte Art, dann versuche, sie ins Boot zu holen. Erkläre, wie du dich nach einem Tag unter Menschen fühlst. Wer dich liebt, wird dich so akzeptieren, wie du bist.
Pflege Freundschaften, familiäre Bindungen oder Bekanntschaften: Jeder Mensch braucht soziale Kontakte – nur eben in sehr unterschiedlichem Maße. Finde eine soziale Routine, die dich nicht überfordert.
Verlege berufliches Netzwerken ins Internet: Vielen Introvertierten fällt das gezielte Kontakteknüpfen per Mail oder auf LinkedIn leichter, als im realen Leben.
Introvertiert-Tipp 4 speziell für Eltern: Lerne, dein introvertiertes Kind zu verstehen
Dein Kind kann stundenlang allein im Zimmer spielen? In der Schule oder im Kindergarten sondert es sich ab? Es ist bei großem Trubel schnell überfordert? Dann hast du wahrscheinlich ein introvertiertes Kind. Das ist erstmal ein Grund zur Freude, denn introvertierte Kinder sind einfach wunderbar.
Allerdings kann es passieren, dass die stille, in sich gekehrte Art deines Kindes dir Sorgen bereitet. Vielleicht fragst du dich, ob dein Kind mit seinen besonderen Eigenschaften in unserer lauten Welt bestehen kann. Vielleicht willst du dein Kind ermutigen, mehr aus sich herauszugehen und sagst Dinge wie: „Spiel doch mal mit den anderen!“ oder „Sei doch nicht so schüchtern!“
Solche Ratschläge sind sicher gut gemeint, können aber am Selbstbewusstsein deines Kindes nagen. Denn wenn Eltern oder Verwandte scheinbar unzufrieden mit ihnen sind, spüren Kinder das ganz genau.
Die Spiegel-Bestseller-Autorin Eva Lohmann war selbst ein introvertiertes Kind und ist heute die introvertierte Mutter eines extrovertierten Kindes. Anhand ihrer eigenen Geschichte zeigt sie in So schön still auf, dass introvertierte Kinder zuallererst die Ermutigung brauchen, so sein zu dürfen, wie sie sind. Außerdem ist es hilfreich, ihnen Strategien zu vermitteln, mit denen sie sich als stille Menschen in der Welt besser zurechtfinden. Lohmann gibt in ihrem Buch folgende Tipps, mit denen du deinem Kind helfen kannst, sich als stiller Mensch besser in der Welt zurechtzufinden.
Tipps für Eltern introvertierter Kinder
Versuche nicht, dein Kind zu ändern oder umzuerziehen, sondern liebe und akzeptiere es so, wie es ist.
Ermögliche deinem Kind regelmäßige Treffen mit seinen wenigen, aber engen Freunden. Denn es fällt ihm möglicherweise etwas schwerer, seinen Freundschaften selbst zu pflegen und neue aufzubauen.
Plane ausreichend Zeit für Entspannung ein. Sorge für Ruhepause, in denen du deinem Kind zum Beispiel vorliest. Auch Malen, Kuscheln oder Musik hören tut introvertierten Kindern gut.
Gestehe deinem Kind zu, dass es sich bei Partys oder Familientreffen manchmal zurückzieht. Lade zu Kindergeburtstagen lieber weniger Gäste ein.
Wenn du auf dein Bauchgefühl vertraust und dein Kind aufmerksam beobachtest, wird es dir bestimmt gelingen, deinem introvertierten Kind zu geben, was es braucht.
Bücher für Introvertierte, Extrovertierte und alle dazwischen
Nimm deine persönliche Entwicklung selbst in die Hand und lass dich von den hier vorgestellten Büchern für Introvertierte inspirieren und motivieren. Falls du Audible noch nicht ausprobiert hast: Im Probemonat streamst du unbegrenzt tausende von Hörbüchern, Hörspielen und Original Podcasts. Zusätzlich erhältst du einen kostenlosen Titel, den du für immer behalten kannst.