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Rungholt – Atlantis im Wattenmeer

Rungholt – Atlantis im Wattenmeer

„Jordsand“ Hörspiel

Am 31. Oktober, pünktlich zu Halloween, erscheint das Mystery-Hörspiel „Jordsand“ von Carola M. Lowitz und Susanna Mewe bei Audible, das auf einer fiktiven Nordsee-Hallig spielt. Ein zentrales Motiv der Handlung ist die unterschwellige Angst der Inselbewohnerinnen und Inselbewohner vor den Urgewalten des Meeres, vor Hochwasser und Sturmfluten, die ein Stück weit Teil ihres Alltags sind – ebenso wie die Angst. Die Hallig Jordsand existierte tatsächlich, eine kleine dänische Insel östlich von List auf Sylt, die im Jahr 2001 jedoch endgültig von der Nordsee überspült wurde.

Bewohnt war sie wegen verheerender Sturmfluten schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert nicht mehr, heute ist nurmehr eine Sandbank übrig. Die Handlung des Audible Original-Hörspiels „Jordsand“ setzten die Autorinnen Lowitz und Mewe also auf diese kleine Hallig – und gaben ihr eine Backstory in Form einer dämonischen Legende, die an die Rungholt-Sage erinnert – die in Kapitel 5 übrigens explizit ihre Erwähnung findet.

Jordsand

Rungholt Bücher

Rungholt war in vormittelalterlicher Zeit Teil des nordfriesischen Festlandes und lag zwischen den heutigen Inseln Nordstrand und Pellworm, die ebenfalls Reste dieses ehemaligen Festlandsteils sind, welcher in mehreren Sturmfluten auseinandergerissen wurde. Historische Urkunden belegen, dass der mittelalterliche Handelshafen Rungholt im Januar 1362 in einer großen Sturmflut zerstört wurde, die auch als „Zweite Marcellusflut“ oder „Grote Mandrenke“ bekannt ist. Stoff für Legenden: Der Rungholt-Sage nach war die zerstörerische Sturmflut die Strafe Gottes für übermäßigen Reichtum und Lasterhaftigkeit.

So sollen reiche Bauern in Rungholt bei einem Besäufnis einen Pfarrer genötigt haben, einem Schwein, das sie betrunken gemacht hatten, die Sterbesakramente zu gewähren. In der Folgenacht habe er von der kommenden Flutkatastrophe geträumt. Er konnte die Insel noch rechtzeitig verlassen – im Gegensatz zu den lästerlichen Bauern, die mit Mann und Maus ertranken. Auch sollen heute noch bei ruhigem Wetter die Kirchenglocken Rungholts unter der Wasseroberfläche zu hören sein und die Stadt tauche alle sieben Jahre in der Johannisnacht aus dem Meer auf. Das ähnelt dem Vineta-Mythos: die Legenden um beide versunkenen Städte inspirierten zahlreiche Dichtungen und bildeten Vorlagen für Romane.

Vineta: Sage oder Wirklichkeit?
Rungholt
Der Butler jagt das Rungholt-Ungeheuer

Ein Zufall führte den Ethnologen Hans Peter Duerr zur Rungholtforschung. Akribische Quellenstudien brachten ihn zu der Überzeugung: die historische Lage von Rungholt ist nicht dort, wo Forscher sie seit Funden des Nordstrander Bauern und Hobbyhistorikers Andreas Busch ab den 1920er Jahren vermuten. Dieser lokalisierte Rungholt westlich der Hallig Südfall, während für Duerr alles darauf wies, dass es eher im Norden des Eilands zu finden war.

Alter Nordstrand

An die Detektivarbeit in alten Urkunden und Karten schloss sich ein abenteuerlicher Forschungskrimi mit absurden Elementen an: 1994 charterte Duerr ein hundert Jahre altes Segelschiff und begab sich im Watt mit Studentinnen und Studenten auf die Suche nach Überresten des mittelalterlichen Handelshafens – und wurde fündig.

Nicht nur das: die Gruppe fand noch in der ersten Wattexpedition Spuren einer bronzezeitlichen Hochkultur, der der Minoer, die nach bisheriger Kenntnis nie über den Mittelmeerraum hinausgelangt waren. Wie waren die Funde ins Nordseewatt gelangt? Das war eine Entdeckung, die die Geschichtsschreibung über die minoische Zeit auf den Kopf stellte! Duerr wurde jedoch Forschungsbetrug unterstellt (die minoischen Artefakte seien heimlich erworben und platziert worden), außerdem überzog ihn das Archäologische Landesamt von Schleswig-Holstein mit Unterlassungserklärungen und Gerichtsverfahren.

Interview mit Ethnologen Hans Peter Duerr

Hans Peter Duerr konnte diese zu seinen Gunsten entscheiden und unternahm weitere 14 Forschungsexpeditionen ins Watt – selbstfinanziert, denn aufgrund der Angriffe seitens der Behörden strich ihm die Bremer Universität, an der er beschäftigt war, ab einem bestimmten Zeitpunkt die Forschungsgelder. Bis heute sind die Fronten verhärtet: Experten aus dem Feld der Archäologie sind der Überzeugung, dass Duerrs Fundstelle mit Rungholt nichts zu tun habe und bezeichnen seine Erkenntnisse kopfschüttelnd als „Eulenspiegelei“, während der widerspenstige Forscher Duerr seinerseits von einer „Provinzposse“ auf Seiten der Behörden und Archäologen spricht, die aus Prinzipienreiterei weder bereit seien, mit ihm zusammen zu arbeiten, seine Funde zu prüfen oder gar ihre jahrzehntealten historischen Erkenntnisse in Frage zu stellen. Hans Peter Duerr fasste seine Ergebnisse in zwei Büchern zusammen: „Rungholt: Die Suche nach einer versunkenen Stadt“ und „Die Fahrt der Argonauten“.

Herr Duerr, wie kamen Sie auf Rungholt – bzw. wie kam Rungholt zu Ihnen?

Ich kannte das Gedicht von Detlev von Liliencron, „Trutz, blanke Hans“ aus dem Jahr 1882/83, in dem er die Rungholtsage verarbeitet. Es stand 1953 in meinem Lesebuch in der Schule und hat mich damals sehr beeindruckt. Ich habe natürlich nicht im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages nach Rungholt suchen würde. Ich erhielt 1992 einen Ruf als Professor an die Universität Bremen, aber Norddeutschland war mir so gut wie unbekannt. Da haben meine Frau und ich gesagt, bevor wir nach Bremen ziehen, gucken wir uns mal die Gegend an. Wir kamen auf die Insel Pellworm als Reiseziel. Ich rief beim Fremdenverkehrsamt an und die Dame sagte, dass leider alle Zimmer vergeben seien, aber wir könnten es ja mal auf der Insel Nordstrand probieren. Bei dem Ehepaar Dethlefsen war zufällig etwas frei geworden, weil Feriengäste ihre Zusage zurückgezogen hatten. Da sind wir also mit den Kindern hingefahren. Herr Dethlefsen war der frühere Pächter der Hallig Südfall und als wir ins Haus kamen, sah ich eine alte Karte an der Wand hängen, eine Karte von Rungholt. In dem Moment habe ich mich an das Gedicht in meinem Lesebuch erinnert.

Später, ich hatte mir eine paar Bücher und Landkarten besorgt, Quellen studiert, habe ich mit Herrn Dethlefsen, der damals schon ein alter Mann war, nochmal gesprochen und ihm von meiner Vermutung berichtet, dass Rungholt in einem bestimmten Bereich gelegen habe. Einem Bereich, der bisherigen Annahmen über die Lage Rungholts widersprach. Dethlefsen sagte mir, dass er an dieser Stelle in den 1950er Jahren viele Funde gemacht hätte. Totenschädel, Gefäße und alles Mögliche. Da war für mich klar, dass dort wirklich Rungholt zu vermuten ist. So kam diese ganze Sache ins Rollen.

Rungholt wird auch als „Atlantis des Wattenmeers“ bezeichnet. Haben Sie in Ihrer Arbeit je eine Antwort darauf gefunden, warum untergegangene Zivilisationen eine solche Faszination auf die Menschen ausüben?

Das ist natürlich schon ein Ereignis, wenn eine Stadt oder ein Landstrich aus dem Nichts heraus in die Tiefe gerissen wird. Das fasziniert. Ich kann mich erinnern, in der Schule haben wir die Vineta-Sage gelesen. Ein Hirtenjunge läuft am Strand entlang und sieht einen Pfennig. Er ist aber zu faul, ihn aufzuheben. Und plötzlich taucht das versunkene Vineta vor ihm auf, was es, wie es heißt, alle 100 Jahre vor einem Sonntagskind tue. Dieses Vineta kann erlöst werden, wenn er im Markt dieser Stadt irgendetwas kauft, und wenn es nur ein winziges Stück Stoff ist. Er hat aber den Pfennig nicht mitgenommen. Und so versinkt Vineta für die nächsten 100 Jahre wieder im Meer. Diese Art von Legendenbildung gibt es eigentlich überall auf der Welt, etwa in Frankreich, in der Bucht von Douarnenez in der Bretagne, da gibt es die Legende um die Stadt Ys, die untergegangen sein soll. Ein historischer Kern ist meistens vorhanden, aber der wird dann mythisch überhöht.

In der Rungholt-Sage geht es um Gier, den Hinweis auf Mäßigung, ist das ein christliches Motiv?

Jein, das taucht in all diesen Sagen auf, auch bei Vineta oder Ys. Unmäßigkeit, großer Reichtum führen zum Untergang. Das ist nicht primär christlich. Natürlich ist das im Mittelalter in ein christlich-religiöses Gewand gekleidet worden, aber die Vorstellung, dass Ungleichheit und Übermaß, Vanitas usw. zum Untergang führen, die haben mehr oder weniger alle traditionellen Gesellschaften, da sie auf Egalität ausgerichtet sind. Und dass der Untergang als Strafe Gottes aufgefasst wird. Aber das ist ja etwas Allgemeinmenschliches, wenn ein Unglück eintritt, dass dann danach gesucht wird, was man falsch gemacht hat, wo man gesündigt hat, was man Schlechtes getan hat. Also Unglück wird als Bestrafung erfahren. Bei Atlantis ist die Angelegenheit übrigens etwas anders gelagert: das war kein volkstümlicher Mythos, sondern das war eine Erfindung von Platon. Deshalb ist es auch müßig, nach Atlantis zu suchen, das hat es nie gegeben.

Das macht’s ja umso reizvoller für alle, die Verschwörungstheorien anhängen! Wo liegt eigentlich Rungholt Ihren Forschungen zufolge?

Ein paar hundert Meter nördlich von der Nordkante der Hallig Südfall im Watt zwischen den Inseln Nordstrand und Pellworm. Dort verläuft die Norderhever, ein ganz großer, breiter Wattenstrom, der sich nach Osten frisst, d. h. er baut das Watt ab, so dass in rund zwanzig Jahren sämtliche Fundreste von Rungholt verschwunden sein werden.

Sie haben 1994 ein Seminar an der Uni Bremen angeboten mit einer Exkursion ins Wattenmeer, um Rungholt zu finden.

Wir haben einen Zweimaster gechartert, sind mit Studentinnen und Studenten dort hingefahren und an der vermuteten Lage von Rungholt im Wattenmeer trockengefallen. Wir haben gleich viele Scherben und Gefäße und auch Ziegelsteine gefunden, an einer Stelle, die wir später als den Ort identifiziert haben, an dem die Kirche gestanden haben muss. Das war eine Art glasierter grüner Ziegelsteine, wie sie nur für Kirchenböden damals verwendet wurden. Diese Expeditionen haben wir dann Jahr für Jahr gemacht, bis 2008 – die Studenten waren natürlich begeistert.
Was die Sache allerdings von Anfang an belastet hat, waren Auseinandersetzungen mit dem Archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein. Die waren der Auffassung, „da ist nichts zu finden“ und waren stinksauer, dass wir da doch was gefunden haben. Und vor allen Dingen, weil ich auch Wissenschaftler bin. Wenn ich ein Zahnarzt gewesen wäre, der da Funde gemacht hätte, hätte mir das Landesamt geschrieben, „Aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung fand das Archäologische Landesamt die Überreste von Rungholt“. Das war in meinem Fall nicht möglich.

Ihr Sakrileg ist also, dass Sie Ethnologe sind und nicht Archäologe, also das falsche Fach studiert haben. Also Ethnologen dürfen in Deutschland nicht buddeln?

Archäologen eigentlich auch nicht! Man darf nur etwas finden, wenn etwas im Watt freigespült wurde. Man kann nicht einfach irgendwo anfangen zu graben. Das wäre ja auch ein ganz großer Zufall, wenn dann etwas zu finden wäre. Wenn aber etwas freigespült ist, das ist typisch für das nordfriesische im Gegensatz zum ostfriesischen Watt, dann muss man das sofort bergen, sonst ist es weg, dann wird es weggespült. Ich habe vor Gericht argumentiert, dass ich weiß, dass man nicht graben darf, aber wenn was rausguckt und man das nicht sofort rausholt, ist es unwiederbringlich verloren. Ich kann auch nicht aus dem nordfriesischen Watt den Landesarchäologen anrufen, der an der Ostseeküste sitzt. Wahrscheinlich würde er gar nicht kommen, aber bis der käme, wär schon alles weg. In so einem Fall sehe ich es richtiggehend als Pflicht an, solche Gegenstände, die da freigespült wurden, sofort zu bergen. Das Gericht ist dieser Argumentation auch gefolgt. Das hat den Landesarchäologen noch saurer gemacht. Das ging so weit, dass im Landtag von Schleswig-Holstein ein neues Gesetz eingeführt wurde, das in der Presse die „Lex Duerr“ hieß. Dieses Gesetz besagt, dass nicht nur das Graben, sondern allein schon die Suche nach Kulturspuren ein Straftatbestand sei.

Was war denn Ihre Motivation, trotzdem an der Forschung vor Ort dranzubleiben?

Ich hab gemerkt, dass das Landesamt überhaupt nichts unternimmt. Und was mich persönlich besonders motiviert hat, das war gar nicht so sehr Rungholt, sondern wir haben schon beim ersten Wattgang Beweise dafür gefunden, dass im 14. Jahrhundert v. Chr. die Minoer, eine frühe Hochkultur auf Kreta, in der Nordsee unterwegs gewesen sein müssen! Wir haben minoische Keramik gefunden und ein Siegel aus einem Halbedelstein. Es zeigt auf der einen Seite einen minoischen Stier, auf der anderen Seite die Umrisszeichnung eines Schiffes und darunter in der Linear-A-Schrift, das war die Schrift der Minoer, drei Zeichen. Dieser Fund ist insofern bedeutend, weil solche Siegel persönliches Eigentum von Privatleuten waren und nicht gehandelt wurden. Wenn man im Mittelmeerraum ein minoisches Siegel findet, dann weiß man, dass der Besitzer dort gewesen sein muss. Dieses ist das erste Siegel, das jemals außerhalb des Mittelmeerraumes gefunden wurde.

Das ist natürlich ein Hammer, weil niemand bisher der Meinung war, dass die Minoer derart weite Fahrten unternommen haben. Man hat bislang angenommen, dass sie maximal bis Südspanien gekommen sind und im Osten nach Ägypten.

Wie wären sie denn Richtung Nordsee gelangt?

Sie wären jedenfalls nicht durch die Meerenge von Gibraltar gesegelt. Es war damals nahezu unmöglich, vom Mittelmeer aus mit einem Schiff hindurchzugelangen. Der Wind wie auch die Strömung des Meeres führen aus dem Atlantik ins Mittelmeer. Das haben später auch die Kreuzfahrer festgestellt. Die konnten zwar vom Atlantik aus ins Mittelmeer und nach Palästina gelangen, haben dann aber ihre Schiffe zerlegt oder verbrannt, weil sie nicht auf dem Wasserweg zurückkonnten. Also zum Beispiel Richard Löwenherz reiste auf dem Landweg zurück nach England, weshalb er in Deutschland gefangen genommen werden konnte.

Wahrscheinlich sind die Minoischen Schiffe die südfranzösische Küste entlanggesegelt bis zur Mündung des Flusses Aude, der nach Westen führt und dann nach Süden abbiegt. An dieser Abbiegung ist ein kurzer Landweg zur Garonne und die Garonne führt in den Atlantik. Das ist die kürzeste Verbindung zwischen Atlantik und Mittelmeer. Die minoischen Schiffe waren nicht genagelt, sondern gebunden. Es ist also vorstellbar, dass sie sie zerlegt und mit Ochsenkarren auf dem Landweg transportiert haben, bis zur Garonne und dann weiter die französische Küste entlang über England nach Nordfriesland gesegelt sind.

Was wäre ihre Motivation gewesen, diesen Aufwand auf sich zu nehmen?

Ihnen gingen die Zinnvorräte aus. Das war zu der Zeit das wertvollste Schwermetall, denn es ließ sich daraus Bronze herstellen. Damals war alles aus Bronze, Waffen etc. Das Zinn war ursprünglich aus dem Osten gekommen, aber durch ständige Kriege zwischen den Hethitern und Ägyptern war dieser Handelsweg unterbrochen. Plötzlich hatten sie kein Zinn mehr. Das ist in etwa so, als hätten wir heutzutage plötzlich kein Erdöl mehr. Der einzige andere Ort, an dem es damals Zinn gab, war Südengland. Daneben war auf Handelswegen Bernstein nach Kreta gelangt. Der Bernstein faszinierte die Minoer, da es sonst kaum einen Schmuckstein gab, der durchsichtig war und in den auch noch Fossilien eingeschlossen waren. Der Bernstein kam von der Nordseeküste.

Die Gegend um Rungholt muss übrigens zu minoischer Zeit auch schon besiedelt gewesen sein, es war natürlich noch kein Handelszentrum. Wir haben nämlich auch einen bronzezeitlichen Müllhaufen gefunden, mit Austernschalen, und auch Werkzeuge aus der Bronzezeit, also ungefähr der Zeit, aus der das minoische Siegel stammt.

Gerade die minoischen Funde wurden vom Archäologischen Landesamt stark angezweifelt. Hat sich eigentlich bis heute mal jemand die Mühe gemacht, Ihre Funde und Thesen aus archäologischer Sicht zu überprüfen?

Nein. Das Landesamt befand sich da auch in einer schwierigen Situation: nach der ganzen Vorgeschichte konnten sie mir schlechterdings nicht im Nachhinein noch Recht geben. Deshalb haben sie einfach nichts gemacht. Diese minoische Fundstelle war am Rand der Norderhever freigespült worden. Die ist definitiv verloren, da findet man nichts mehr.

Und wo sind diese Funde jetzt?

An einem sicheren Ort! Zuvor waren sie von internationalen Fachleuten untersucht worden. Das Landesamt wollte sie natürlich haben, aber dann habe ich gesagt, wenn das Ihre Überzeugung ist, dass die Funde nicht aus dem Wattenmeer an der bezeichneten Stelle stammen, dann brauchen Sie die Funde auch nicht zu beanspruchen. Daraufhin habe ich nichts mehr gehört. Ich bin wirklich von Museum zu Museum in Schleswig-Holstein getingelt und habe angeboten, die Funde zu übergeben. Ich war überall, auch auf der Halbinsel Eiderstedt. Kein einziger Museumsdirektor war aber bereit, sie anzunehmen. Die hatten Angst, mit in die Auseinandersetzung hineingezogen zu werden. Das war so ein heißes Eisen – damit wollte sich keiner die Finger verbrennen.

Man könnte also sagen, Ihnen folgt in Bezug auf die Fundstücke Ihr ganz persönlicher Rungholtfluch!

Ja. 2008 waren wir das letzte Mal draußen, da war alles übersandet, es war nichts mehr zu finden. Ich habe damals mit Geologen gesprochen. Nicht alle Wissenschaftler haben ja gegen mich gearbeitet, eigentlich nur die Archäologen. Die Geologen haben mir bestätigt, dass in diesem Watt die Tendenz besteht, dass alles dick zusandet. Dass man vermutlich schon jetzt dort keine Archäologie mehr betreiben kann. Es scheint so, als sei Rungholt nun vollständig untergegangen.

 Hans Peter Duerr

Hans Peter Duerr ist Ethnologe und Kulturhistoriker und lebt in seiner ursprünglichen Heimatstadt Mannheim. 1992 bis 2005 hielt er eine Professur für Ethnologie und Kulturgeschichte an der Universität Bremen. Überregional bekannt wurde er mit seinem fünfbändigen Werk „Der Mythos vom Zivilisationsprozess“, in dem er sich wissenschaftlich u. a. mit dem Werk des Soziologen Norbert Elias auseinandersetzt. Aktuell erscheint im Juni 2020 von ihm im Insel-Verlag das Buch „Diesseits von Eden. Über den Ursprung von Religion“.

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