Bin ich wach? Oder träume ich gerade? Wer die zweite Frage schon einmal mit „ja!“ beantwortet hat, kennt das Phänomen des präluziden Traums. Wem es nun noch gelungen ist, ab diesem Zeitpunkt weiter zu träumen und den Traum sogar in eine gewünschte Richtung zu lenken, gehört zu den schätzungsweise 25 Prozent aller Menschen, die schon einmal luzide geträumt haben. Obwohl solche Klarträume selten auftreten, sind sie also weit verbreitet – insbesondere in Kulturen, in denen die Menschen regelmäßig meditieren.
Was ist luzides Träumen?
Im luziden Traum erkennt der Schläfer, dass er träumt. Darüber hinaus kann er das Traumgeschehen bewusst beeinflussen. In Experimenten signalisierten Probanden mit vorab verabredeten Augenbewegungen, dass sie klarträumen – und das, obwohl sie sich nachweislich im REM-Schlaf befanden. So konnte die Existenz luzider Träume bewiesen werden. Klarträume werden seit den 1980er Jahren im Schlaflabor wissenschaftlich erforscht. Als Pioniere der Klartraumforschung gelten die Philosophin Celia Green sowie die Psychologen Charles Tart und Paul Tholey.
Klarträume sind solche Träume, in denen man völlige Klarheit darüber besitzt, dass man träumt und nach eigenem Entschluss handeln kann.
Paul Tholey
Der aktuell renommierteste Forscher auf dem Gebiet ist der US-amerikanische Psychologe Stephen LaBerge. Seine Klartraum-Anleitung Exploring the World of Lucid Dreaming ist die wohl tiefgründigste aktuelle Einführung ins Thema und ein faszinierender Einstieg.
Die naheliegende Frage lautet nun natürlich: Kann man luzides Träumen lernen? Das wollte eine Gruppe australischer Forscher auch wissen und startete 2017 ein Experiment. In ihrer Studie wiesen die Wissenschaftler nach, dass schon ein zweiwöchiges, recht simples Training genügt, um die Rate an Klarträumen zu verdoppeln. Auch bei solchen Teilnehmern, die nie zuvor einen luziden Traum hatten.
Fun Fact: Menschen, die Achtsamkeits-Meditation praktizieren, träumen deutlich häufiger klar.
Wie kann ich luzides Träumen lernen?
Eine effektive Methode, um einen Klartraum heraufzubeschwören, ist demnach die Kombination aus zwei bekannten Techniken: der "mnemonischen Induktion" und der WBTB-Hilfstechnik. Das klingt komplizierter, als es ist. Ersteres bedeutet – vereinfacht gesagt – dass man sich vor dem Einschlafen einige Male vorsagt: „Ich werde mich im Traum daran erinnern, dass ich träume.“ Diesen Kniff erprobte Stephen LaBerge in den 1980ern. Seine Technik ist unter der Abkürzung "MILD" ("Mnemonic Induced Lucid Dream") bekannt. Wer sie erlernen möchte, findet im "Klartraum-Wiki" eine kurze Anleitung.
„WBTB“ steht für „Wake Back to Bed“, also etwa „Aufwachen und dann zurück ins Bett“. Konkret funktioniert das so: Ihr stellt euch einen Wecker, der euch nach vier bis fünf Stunden Schlaf sanft (!) weckt. Danach bleibt ihr eine Viertelstunde bis Stunde wach, in der ihr euch idealerweise mit dem Thema Träumen beschäftigt. Ihr könnt etwa in ein Traumtagebuch schreiben oder etwas zum Thema lesen oder hören. Die kenntnisreiche Einführung Träume. Eine Reise in unsere innere Wirklichkeit des Physikers, Philosophen und Wissenschaftsautors Dr. Stefan Klein etwa würde sich anbieten. Oder, wenn ihr es gerne etwas unterhaltsamer habt, der Audible-Traumpodcast Während du schliefst.
Wenn ihr euch jetzt wieder hinlegt und einschlaft, sind die Chancen gut, dass ihr direkt in eine lange REM-Schlafphase einsteigt. In dieser können Klarträume auftreten. Geübte Oneironauten (von gr. oneiros „Traum“ und nautēs „Seefahrer“) haben meist ein wenig mit verschiedenen Techniken experimentiert, bis sie die passende für sich gefunden haben. Gezielte Suggestion etwa hilft Menschen, die für Hypnose empfänglich sind, dabei, sich tief zu entspannen und so auf das Erlebnis Klartraum einzulassen.
Die Silber-Trilogie: In Kerstin Giers Fantasy-Saga reist ein Mädchen durch die Welt der Träume.
Weitere Techniken, um Klarträume hervorzurufen, stellt die Autorin Lorina Blumenberg in ihrem Praxisbuch Luzides Träumen vor. Hierzu gehört auch die WILD-Technik. WILD steht für „Wake Induced Lucid Dream“, was etwa „aus dem Wachzustand in den Klartraum“ bedeutet. Dabei versucht der Schläfer, den Zustand zwischen Wachsein und Einschlafen auszudehnen. In dieser Phase treten hypnagoge Halluzinationen auf: Bilder, Geräusche oder Empfindungen, die noch nicht ganz zum Traumreich gehören, aber eben auch nicht mehr real sind. Die Methode – ihr ahnt es – ist eher etwas für Fortgeschrittene.
Luzides Träumen als Therapie und zur Selbstoptimierung
Die Klartraum-Forschung hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Psychotherapeuten behandeln Patienten mit Alpträumen, indem sie ihnen Klartraum-Techniken beibringen. Denn im luziden Traum können Menschen, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, sich ihren Ängsten stellen und diese in eine positive Richtung lenken – so die Hoffnung.
Der deutsche Klartraumforscher Paul Tholey trainierte sogar Sportarten wie Skateboarden oder Kunstradfahren im Traum. Seine Methode brachte er Spitzensportlern bei. Und dem Klartraumexperten Robert Waggoner gelang es im Klartraum, sein eigenes inneres Selbst sowie psychologische Prozesse besser zu verstehen.
Die meisten Oneironauten träumen allerdings nicht zur Selbstoptimierung luzide, sondern einfach zum Vergnügen. So zeigt eine Umfrage in einem Diskussionsforum, dass die meisten Klarträumer im luziden Traum fliegen (30 Prozent) oder Sex haben (24 Prozent). Wachen sie auf, fühlen sie sich in der Regel ausgeruht, glücklich, manchmal sogar euphorisch. Klarträumern gelingt es also, die angenehmen Gefühle aus dem Traum mit in den Wachzustand zu nehmen.
Weitere vielversprechende Wege zum eigenen Glück entdecken – mit diesen Ratgebern.
Ist luzides Träumen schädlich oder gefährlich?
Für alle, die sich fragen, ob luzides Träumen auch negative Seiten haben kann, gibt es beruhigende Nachrichten. Es ist zwar möglich, dass sich ein Klartraum in einen Alptraum verwandelt. Auch kann es unangenehm sein, wenn sich der Schläfer darüber bewusst wird, dass er sich nicht bewegen kann – der Grund hierfür liegt in der normalen Schlafparalyse.
Darüber hinaus haben (künftige) Oneironauten aber nicht viel zu befürchten: Gesunde Menschen verlernen nicht, zwischen Realität und Traum zu unterscheiden. Es sind auch keine Fälle bekannt, in denen luzides Träumen einen bleibenden Schaden – etwa ein Trauma oder eine psychische Störung – hinterlassen hätte. Darauf weist auch die Autorin Nele Wagner in ihrem Hörbuch Astralreisen und luzides Träumen hin. Nur Menschen, die ohnehin Schwierigkeiten haben, zwischen Realität und Phantasie zu unterscheiden, lassen besser die Finger vom Klartraum.
Luzide Träume mit Hörbüchern erleben
Probieren geht über Studieren: Im Probemonat kostet euch der Ratgeber eurer Wahl nichts außer etwas Zeit. Wir wünschen angenehme Träume!