Mit etwas Verspätung hat der Jugendkrimi es dem „erwachsenen“ Krimi nachgetan und sich in mehrere Subgenres aufgefächert: von der klassischen Detektivserie über historische und sozialkritische Jugendkrimis bis hin zu Agenten-Büchern und Psychothrillern. Ganz zu schweigen von den Hybrid-Krimis, die Science-Fiction-, Fantasy- oder Romance-Elemente integrieren.
„Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Krimiarten entwickelt, die im 21. Jahrhundert als eigene Subgenres eingestuft werden können und eine Vielzahl von unterschiedlichen Leserinteressen abdecken.”
Ruth van Nahl, Jugendkrimis im 21. Jahrhundert
Dabei ist der Jugendkrimi längst kein Krimi zweiter Klasse mehr. Das zeigt sich schon daran, dass erfolgreiche Krimiautoren wie Andreas Gruber, Ursula Poznanski oder Karl Olsberg gleichermaßen für Jugendliche und Erwachsene schreiben. Sogar John Grisham, Altmeister des Justizthrillers, hat sich mit Mitte 50 erstmalig an eine Jugend-Krimireihe gewagt.
Erwachsene wiederum greifen heute zu Jugend- und All-age-Krimis, ohne fürchten zu müssen, dass sie sich unter Niveau amüsieren. Warum auch nicht: Intelligent konstruiert, stringent erzählt und sprachlich gekonnt, mangelt es aktuellen Jugendkrimis höchstens an allzu drastischen Gewaltszenen. Und auf die verzichten auch erwachsene Leser und Hörer manchmal ganz gerne.
Neben dem für einen Krimi notwendigen Personal – Täter, Opfer und Ermittler – haben Krimis für Heranwachsende nur noch eines gemeinsam: Die Heldinnen und Helden sind zwischen 11 und 18 Jahre alt – und manchmal sind auch die Opfer nicht älter. Wobei in guten Jugendkrimis die Rollen durchaus verschwimmen können. Denn mit schlichtem Schwarz-Weiß-Denken haben Jugendbuch-Autoren genauso gründlich aufgeräumt, wie mit Genderklischees.
Tücken der Technik: Sci-Fi-Krimis und Near-Future-Thriller für Jugendliche
Was wäre, wenn ein Computerspiel Teenager zum Morden anstiftete? Wie würden wir leben, wenn nichts mehr privat wäre? Wie entkommt man dem Bösen in einer virtuellen Welt? Autoren von Jugend-Thrillern und -Krimis thematisieren in ihren Büchern häufig die Gefahren von künstlicher Intelligenz, sozialen Medien und Überwachungstechnik. Als Königin des Near-Future-Thrillers gilt die österreichische Bestseller-Autorin Ursula Poznanski. Ihre dystopischen Jugendthriller „Erebos“, „Thalamus“, „Elanus“ und „Layers“ setzen sich rasant, wendungsreich und phantasievoll mit der düsteren Seite der schönen neuen Technikwelt auseinander.
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Ihr neuster Roman spielt zu einem Zeitpunkt, an dem die Ökosysteme zusammengebrochen sind und die Wüsten sich unaufhaltsam voran fressen. Die Menschen verbringen ihr Leben in virtuellen Welten. Jana ist eine von ihnen – als Designerin gestaltete sie die Game-Umgebung sogar mit. Als im friedlichen Kerrybrook Menschen ermordet werden und auch nicht wieder im Spiel auftauchen, forscht Jana nach. Entsetzt muss sie erkennen, dass die Spieler tot sind – ganz real. Ihr Arbeitgeber macht Jana verantwortlich und schickt sie in den Urlaub. Aber Jana will sich nicht entspannen. Sie will herausfinden, was geschehen ist.
Thematisch ähnlich gelagert wie die Krimis von Ursula Poznanski sind auch Karl Olsbergs Technik-Thriller. Der 1960 geborene Autor gilt als Meister der Computerspiel-Romane. Seine Minecraft-Trilogie fasziniert Leser und Hörer mit komplexen ethischen und philosophischen Fragen. In seinem Science-Fiction-Jugendthriller „Boy in a white room“ fragt Olsberg nach Identität und Bewusstsein in Zeiten künstlicher Intelligenz.
(Historische) Detektivromane für Jugendliche
Wer sich weniger für Technik und Gedankenspiele und mehr für klassische Detektivarbeit begeistert, kann sich mit einem Jugendkrimi in der Tradition von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle im Miträtseln üben. Dabei fällt auf: Die coolsten Nachwuchs-Detektive sind heute weiblich.
„Lernen ist ein Spiel“ – das ist das Motto der privaten Ellingham Academy. Hier dürfen außergewöhnlich begabte Schüler ganz nach Belieben ihren Interessen nachgehen. Auch die 17-jährige Hobby-Ermittlerin Stevie Bell wird in diesen erlauchten Kreis aufgenommen. Bald erfährt sie auch, warum: Sie soll die bisher ungeklärte Ellingham-Affäre lösen. Denn vor 80 Jahren verschwand die Frau des Schulgründers mitsamt ihrer dreijährigen Tochter Alice. Doch neben dem Cold Case muss sich Stevie auch um einen aktuellen Mord kümmern – und plötzlich erkennt sie einen Zusammenhang.
Die Jugendkrimi-Trilogie von Maureen Johnson spielt abwechselnd im Jahr 1938 und in der Gegenwart. Als klassischer Detektivroman vor einer herrlich-schrägen Internatskulisse versprüht sie aber viel nostalgischen Charme. Wer spannende Jugendbücher ab 13 sucht und gegen einen Hauch Romantik nichts einzuwenden hat, dem stehen die Tore der Ellingham Academy weit offen.
Für Nachwuchsermittler: Die besten Detektiv-Hörspiele und Kinderkrimis bei Audible
Die Autorin Nancy Springer lässt ihre liebenswerte Heldin im viktorianischen London ermitteln: Enola Holmes teilt die Faszination ihrer Mutter für Geheimcodes und Rätsel. Das trifft sich gut, denn am 14. Geburtstag ihrer Tochter verschwindet Eudoria Holmes – kommuniziert aber weiter über verschlüsselte Botschaften mit ihrem Nesthäkchen. Nun ist es an Enola, sie aufzuspüren. Hilfreich dabei: ihr kriminalistischer Spürsinn, der dem ihres Bruders Sherlock in nichts nachsteht. Weniger hilfreich: Die gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was sich für eine Jugendliche im England Queen Victorias schickt. Überhaupt nicht hilfreich: Bruder Mycroft, der seine kleine Schwester schnellstmöglich in ein Mädchen-Internat verfrachten will. Enola flieht nach London und eröffnet eine Detektei. Denn zu dem Rätsel um ihre Mutter gesellen sich bald weitere Fälle.
Viktorianisches Zeitalter: Die besten viktorianischen Krimis
„Enola Holmes“ wurde 2020 als All-age-Krimi-Komödie verfilmt. So temperamentvoll und erfrischend, wie Millie Bobby Brown spielt, spricht Luisa Wietzorek die Hörbuchreihe. Erwachsene Hörer kennen ihre überzeugende Performance bereits aus den Hörspiel-Serien „Monster 1983“, „Ghostbox“ und „Auris“.
Doch auch Sherlock Holmes war nicht immer der steife und etwas arrogante Gentleman, als den erwachsene Hörer ihn kennen. Die Serie „Young Sherlock Holmes“ schildert die Abenteuer eines Sherlock im Teenageralter in den späten 1860er und frühen 1870er Jahren – erdacht von Andrew Lane, gesprochen von Schauspieler Jona Mues.
Totgesagte leben ewig: Noch mehr Sherlock-Holmes-Adaptionen
An Hörer jeden Alters richtet sich die Krimiserie „Flavia de Luce“ – dabei ist die gleichnamige Protagonistin gerade einmal elf Jahre alt. Die altkluge und ziemlich raffinierte Flavia hat neben der Detektivarbeit eine zweite Leidenschaft: die Giftmischerei. Letztere setzt sie schon mal ein, um sich gegen die Schikanen ihrer älteren Schwestern zu wehren. Als sie am frühen Morgen im Gurkenbeet über einen sterbenden Mann stolpert, kann sie beide Talente für die gute Sache nutzen. Denn der Hauptverdächtige ist ihr eigener Vater.
Alan Bradley wählt das England der 50er Jahre als Kulisse für seine spannenden Jugendbücher. Gelesen werden sie von Andrea Sawatzki, die sämtliche der schrulligen Charaktere mit Witz und enormer Wandlungsfähigkeit interpretiert.
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Psychologische Jugendthriller und Jugendkrimis ab 16
In psychologischen Krimis und Thrillern steht das Innenleben der Protagonisten im Mittelpunkt. Damit sind sie meistens erst für Jugendliche ab etwa 16 Jahren geeignet. Diese Altersgruppe adressieren die folgenden Jugendthriller, die auch erwachsene Leser und Hörer fesseln.
Simon ist die wandelnde Klatschzentrale der Bayview Highschool. Über die von ihm entwickelte Tratsch-App „About That“ verbreitete er Skandale und Gerüchte, die sich regelmäßig als wahr herausstellen. Das soll ihn sein junges Leben kosten. Vier Schüler haben ein Motiv: Bronwyn, die Intelligenzbestie. Addy, die Schul-Schönheit. Nate, der Drogendealer und Cooper, das Sport-Ass. Denn sie alle haben ein Geheimnis, das Simon im Begriff war, zu lüften.
Ihre nur auf den ersten Blick stereotypen Protagonisten hat die Autorin sich aus dem legendären Highschool-Film „The Breakfast Club“ von 1985 ausgeliehen. Davon ausgehend, strickt sie einen Thrillerplot, der clever mit Klischees spielt. Ihr Debüt stand mehr als 130 Wochen auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominiert. Mittlerweile gibt es einen Nachfolger: „One of Us Is Next“.
Faszination McManus: Warum "One of us is lying" und andere Jugendthriller süchtig machen.
Wer bin ich und wo gehöre ich hin? Diese Frage wird in vielen Jugendkrimis ab 16 verhandelt. Für Daunis hat das Thema eine besondere Brisanz: Die Protagonistin von Angeline Boulleys sensationell erfolgreichem Debüt ist Firekeeper’s Daughter, die Tochter des Feuerhüters eines Objiwe-Stammes. Ihre Mutter aber ist weiß – und Daunis fühlt sich nirgends willkommen. Als sie Zeugin eines grauenhaften Mordes wird, heuert das FBI die 18-Jährige an: Sie soll heimlich ermitteln. Daunis willigt ein. Doch was sie herausfindet, stürzt sie in einen tiefen Gewissenskonflikt. Bewahrt sie die Geheimnisse der Community? Oder bringt sie die Wahrheit ans Licht?
Angeline Boulley schrieb zehn Jahre an ihrem Jugendthriller, der in Amerika mit Lob und Preisen förmlich überschüttet wurde: „fesselnd“, „rasant“, „mitreißend“ lautete das einhellige Urteil der Kritiker. Die Autorin, selbst Tochter eines Objiwe, öffnet ihren Lesern und Hörern die Tür zu einer faszinierenden Kultur. Dabei nennt sie die Probleme der indigenen Communitys klar beim Namen: Rassismus, Drogenmissbrauch, sexuelle Übergriffe, Korruption, Perspektivlosigkeit. Ein aufrüttelnder Thriller (nicht nur) für Jugendliche, der im Gedächtnis bleibt.
Packende Thrillerspannung für Teenager verspricht auch Monika Feths Reihe „Jette und Merle“. Schon im ersten Band ersticht ein Serienmörder ein junges Mädchen. Ihre sonst so rationale Freundin Jette schwört vor laufender Kamera, den Mörder zu stellen. Damit bringt sie sich in tödliche Gefahr.
Die vielfach ausgezeichnete Autorin Monika Feth ist bekannt dafür, dass sie vor heiklen Themen nicht zurückschreckt – auch nicht in ihren Kinder- und Jugendromanen. Ihre Thriller behandeln komplexe Probleme wie Inzest, multiple Persönlichkeitsstörung, Stalking oder Manipulation und stellen dabei die Frage nach dem Tatmotiv ins Zentrum.
Krimi-Hybride: Spannung kennt keine Genre-Grenzen
Ein bisschen Mystery, ein Prise Romantik, ein wenig Abenteuerfeeling und – warum nicht? – noch eine Handvoll Fantasy: Auch der Jugendthriller sprengt mittlerweile lustvoll die Genre-Grenzen.
An Jules Vernes „Nautilus“ erinnert das Setting der „Code Genesis“-Reihe von Bestsellerautor Andreas Gruber. Seine Heldin, die 14-jährige Terry West, ist auf einem Forschungs-U-Boot aufgewachsen. Nach einem kurzen Stopp in ihrer alten Heimat Miami muss Terry plötzlich fliehen: Sie wird polizeilich gesucht wegen eines Verbrechens, dass sie nicht begangen hat. Auf ihrer temporeichen Flucht rund um den Globus findet Terry nach und nach heraus, dass ein Pharmakonzern namens „Biosyde“ sie in seine Finger bekommen will – aber warum?
Ein düsteres Gemäuer, ein Geheimbund, mysteriöse Morde und ein knisterndes Liebesdreieck – mit dieser Mischung begeistert die „Night School“-Serie vornehmlich jugendliche Hörerinnen ab etwa 13 Jahren.
Das Verschwinden ihres Bruders hat Allie völlig aus der Bahn geworfen – sie rebelliert gegen alles und jeden. Ihre Eltern wissen sich nicht anders zu helfen und stecken den aufmüpfigen Teenager ins Internat Cimmeria. Dort nimmt eine Handvoll superreicher Kids sie in ihre begehrte Clique auf. Es kommt sogar noch besser: Der beliebte Sylvain und der wortkarge Carter bemühen sich beide um Allie. Doch dann geschieht ein Mord und Allie muss erkennen, dass hinter der scheinbar makellosen Fassade des Edel-Internats schreckliche Dinge geschehen.
Die britische Autorin C. J. Daugherty weiß einfach, wie sie ihre Fans in die Fäden ihrer raffinierten Plots verstrickt. Sie arbeitete lange als Gerichtsreporterin für die New York Times und schreibt unter dem Namen Christi Daugherty auch für Erwachsene. Ihre fünfteilige Jugendbuchreihe wird von Star-Sprecherin Luise Helm gelesen, die Hollywoodgrößen wie Scarlett Johansson, Megan Fox oder Sienna Miller ihre Stimme leiht.
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Auch diese Jugendkrimis und -thriller fesseln junge Hörer – und oft genug auch deren Eltern.
