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„Die Option Aufgeben gab’s für uns nicht“

„Die Option Aufgeben gab’s für uns nicht“

Die Chaer-Brüder sehen aus wie zwei Typen, die sich irgendwann gesagt haben: Wer Muckis hat, hat die Macht. Dass hinter den muskelbepackten Fassaden warmherzige, lebenskluge und empathische Männer stecken, merkt man im Gespräch schnell. Sie hatten es nicht leicht: Die Söhne libanesischer Eltern hielten von klein auf zusammen, um als Migrantenkinder im rauen Berliner Straßenleben zu bestehen. Im Wrestling fanden sie ein Ventil, um Frust abzubauen, Vorurteile und Ausgrenzung auszuhalten.

Heute sind Ahmed und Hussen (alias „Crazy Sexy Mike“) Chaer erfolgreiche Wrestler, Promoter, Produzenten und Stuntmen. Als Geschäftsführer der selbstgegründeten „German Wrestling Foundation“ veranstalten sie Turniere; in ihrer Neuköllner Wrestling-Schule bilden sie den Nachwuchs aus. Sie kämpfen für Minderheiten und gegen Sexismus, für ihre Träume und gegen Menschen mit Arschloch-Attitüde. Werte wie Fairness, Geradlinigkeit und Loyalität sind ihnen heilig.

Im Interview erzählen sie, warum sie als Jugendliche vom Wrestling träumten und ausgerechnet Rapper Eko Fresh ihre Biografie liest.

Ahmed und Hussen Chaer über ihre Biografie „Hochgekämpft“

Erzählt doch bitte kurz, worum es in eurer Biografie geht.

Ahmed: Es geht um zwei Brüder in Berlin-Kreuzberg, die in den Achtzigerjahren durch ihren Migrationshintergrund nicht so richtig Fuß fassen und keine Perspektive haben. Sie entdecken das Wrestling und glauben tatsächlich, dass sie damit eine Karriere starten können – und das schaffen sie am Ende auch.


Hussen: Wir haben als Kinder und Jugendliche ja eher das Straßenleben gelebt. Durch das Wrestling haben wir den Traum entwickelt, von der Straße wegzukommen. Wir hatten einen Slogan, der unser Antrieb war: „Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.“

Hochgekämpft

Ein Traum ist es nicht geblieben. Sonst hieße eure Geschichte nicht „Hochgekämpft“.

Ahmed: Natürlich gab es viele Hindernisse und immer wieder die Konfrontation – mit unserem Migrationshintergrund, mit Rassismus. Aber die Option Aufgeben gab’s für uns nicht. Wir haben uns einfach immer weiter nach oben gekämpft, bis wir im Wrestling genug erreicht hatten.


Hussen: Wir haben sogar mehr als unseren Traum erreicht, weil wir nicht nur Profi-Wrestler wurden, sondern noch in andere Bereiche wie die Filmszene reinkamen. Und wir haben eine riesengroße Wrestling-Familie gegründet mit anderen Wrestlern und mit Schülern, die wir ausgebildet haben.

Wer hat euch zum Wrestling inspiriert?

Hussen: Tja … (schaut seinen Bruder fragend an) Bud Spencer …

Ahmed (nickt): Ja. Und Terence Hill.

Hussen: Ich hab‘ mir ein Kissen unters Shirt gestopft und war Bud Spencer, er war Terence Hill (deutet auf seinen Bruder).

Ahmed: Irgendwann dachten wir uns, wenn wir das wirklich so ausleben wollen wie die beiden, geht das nur im Wrestling.

In eurer Schule trainiert ihr den Nachwuchs. Für wen eignet sich das Wrestling?

Hussen: Es ist sicher nicht jedermanns Sache. Du musst ehrgeizig sein und sehr viel Zeit dafür opfern. Egal, wie gut du bist, du musst immer noch härter an dir arbeiten. Du musst an deinem Körper arbeiten, du musst das Wrestling studieren, eine gewisse schauspielerische Leistung erbringen. Du bist viel auf Tour, deswegen werden deine Beziehungen darunter leiden. Und du brauchst eine gewisse Leidensfähigkeit, denn du wirst dir oft wehtun.

Ihr setzt euch gegen Rassismus und Sexismus ein. Wie kam es dazu?

Ahmed: Durch unsere eigenen Erfahrungen. Wir kannten Rassismus aus dem Privaten, aber wir haben ihn auch im Wrestling früh erlebt. Wir haben uns gefragt: Warum müssen wir eigentlich beurteilt werden, bevor wir etwas machen, also nur wegen unseres Migrationshintergrunds? Warum werden wir nicht erst dann beurteilt, wenn wir im Ring stehen und etwas leisten?


Hussen: Als die erste Frau zu uns ins Training kam, erzählte sie, dass sie das Gleiche in Form von Sexismus durchgemacht hatte. Man hat nicht auf ihre Leistung geachtet und darauf, was sie kann. Das hat uns so genervt. Wir haben uns gesagt, dass wir das nicht mehr mitmachen. Deswegen haben wir sofort eingegriffen, wenn eine Frau sexuell angemacht wurde. Wir haben denjenigen sogar gezwungen, sich bei der Frau zu entschuldigen. Inzwischen gibt es im deutschen Wrestling weder Sexismus noch Rassismus. Egal, ob du Mann oder Frau bist, schwarz oder weiß, schwul oder lesbisch. Jeder wird akzeptiert. Wir fühlen uns sehr wohl damit, dass wir das erreicht haben.


Ahmed: Der Kampf ist natürlich noch nicht vorbei. Da gibt es noch einiges aufzuarbeiten.

Hat sich in Deutschland insgesamt die Einstellung zu Menschen mit Migrationshintergrund verändert?

Ahmed: Ja und Nein. Man hört uns zu. An Filmsets geht man ganz normal mit uns um. Am Flughafen dagegen nicht …


Hussen: … wenn wir zusammen dort sind, filzt man meistens lieber ihn. Ist Ahmed nicht dabei, filzen sie mich so gut wie immer.

Ahmed: Viele überlegen sich heute vorher, ob sie etwas sagen oder dumme Sprüche machen. Aber in vielen Köpfen sind die Vorurteile noch da.

Ahmed und Hussen Chaer: Warum Eko Fresh ihre Biografie liest

Weshalb habt ihr den Rapper Eko Fresh als Sprecher für eure Biografie ausgewählt?


Hussen
: Für uns war es sofort klar, dass wir ihn haben wollen, weil er den gleichen Background hat. Er musste sich hochkämpfen, er hat auch einen Migrationshintergrund, er ist ein großer Wrestling-Fan. Er stand sogar selbst schon im Ring. Deswegen weiß er genau, wie die Wrestlingwelt funktioniert. Für uns ist er die perfekte Besetzung.

Was wünscht ihr euch, was Hörer aus eurer Geschichte mitnehmen?

Ahmed: Das Buch heißt ja „Hochgekämpft“. Die Message dahinter ist, dass du dein Ziel erreichen kannst, wenn du wirklich an etwas glaubst – egal, wie bescheuert der Traum am Anfang erscheint. 

Der Familienzusammenhalt spielt eine sehr große Rolle bei euch.

Ahmed: Wenn die Leute mich fragen, was ich mache, sage ich: Ich bin Wrestler, Stuntman, Produzent. Aber in erster Linie bin ich Familienmensch. All diese Errungenschaften hätten keine Bedeutung, wenn ich nicht abends zu meiner Familie nach Hause kommen könnte.

Hussen: Unser Vater hat immer gesagt: Du kannst eine Ex-Frau haben, einen Ex-Manager, einen Ex-Kumpel. Aber nie einen Ex-Bruder. Er hat uns so erzogen, dass nichts wichtiger ist als die Familie. Wir würden einander nie hintergehen oder verraten. Und wenn wir mal sauer aufeinander sind, haben wir’s am nächsten Tag wieder vergessen.

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