„Ich würde mich gerne für die Umwelt engagieren, aber ich habe einfach keine Zeit.” Ja, die liebe Zeit ist auch bei mir mehr als rar gesät. 40 Stundenjob, dazu gehen täglich ein bis zwei Stunden Lebenszeit nur für den Arbeitsweg verloren, und abends möchte man nur noch die Füße hochlegen und zum Abschalten eine Serie oder ein Hörbuch streamen. Man braucht auch Zeit für sich oder? Viel zu anstrengend, dieser Klimaschutz.
Hier liegt meiner Meinung nach der große Fehlschluss. Denn nicht der Klimaschutz ist anstrengend, sondern unsere schnelllebige, konsumorientierte Gesellschaft. Immer, wenn ich es schaffe mich dieser für ein paar Augenblicke zu entziehen, merke ich wie erholsam die Entschleunigung ist und wie wenig ich wirklich brauche. Den Verzicht nicht als Verzicht verstehen, sondern die Natur als Geschenk, das wir erhalten wollen, ist meiner Meinung nach die richtige Herangehensweise. Nachhaltig zu leben ist ein Prozess.
Nicht alles funktioniert von Heute auf Morgen. Doch, wenn man erstmal beginnt, greift nach und nach ein Rädchen ins andere und der Prozess kommt ins Laufen. Und selbst im schnelllebigen Alltag braucht es nur ein paar Utensilien und ein geschärftes Bewusstsein, um mit kleinen Mitteln eine positive Wirkung für unseren Planeten zu erzielen. Welche Räder sich bei mir selbst an einem arbeitsreichen Tag für die Umwelt drehen, habe ich in zehn Alltagstipps für euch aufgeschrieben.
1. Keine oder möglichst farblose Verpackungen verwenden
Mein Morgen startet mit einer Dusche. Und während im Duschregal früher eine Vielzahl von Pflegeprodukten in schickem Dunkelbraun oder Schwarz standen, mussten diese zwischenzeitlich festen Seifen ohne Verpackung und Shampoo und Duschgel in durchsichtig bis milchig weißen Verpackungen weichen. Bunte und dunkle Verpackungen ziehen in den Drogerieregalen zwar mehr Aufmerksamkeit auf sich und regen zum Kauf an, ergeben in der Recyclingschmelze allerdings leider eine unschöne braune Masse, die nur wenige Firmen für neue Produktverpackungen verwenden möchten. Sehr dunkle und schwarze Kunststoffe fallen aktuell leider noch komplett durchs Recyclingraster. Daher beim Einkauf lieber zu unverpackten oder zumindest möglichst transparenten Verpackungen greifen.
2. Kraneberger trinken
In der Küche fülle ich jeden Morgen meine Trinkflasche mit Leitungswasser und packe diese mit einigen anderen Utensilien für den Tag in meinen Rucksack. Leitungswasser trinken - das klingt nach einem zu simplen Tipp? Mag sein. Doch obwohl die meisten von uns wissen, dass das deutsche Leitungswasser zumeist sogar gesünder ist als Flaschenwasser aus dem Handel, trinken wir letzteres immer noch zu häufig. Allein in Deutschland werden stündlich circa 1,9 Millionen Einweg-Plastikflaschen verbraucht. Das sorgt zum einen für unvorstellbare Verpackungsmüllberge. Zudem verbraucht die Herstellung einer Flasche Wasser mindestens drei Mal so viel von dieser Ressource. Wissen das Leitungswasser die umweltschonendste Alternative ist, reicht leider nicht aus. Wir müssen es auch wirklich bevorzugen.
3. Neugierig bleiben
Von meiner Haustür zum Büro brauche ich pro Strecke ungefähr 35 bis 45 Minuten mit Bus und Bahn oder dem Fahrrad. Wenn alles glatt läuft. Statt mich über die langen Pendlerwege zu ärgern, genieße ich diese Zeiten mittlerweile als Zeit für mich, um mich mit Podcasts und Hörbüchern über die Umwelt zu informieren. Gerade erst habe ich in wenigen Tagen Yuval Noah Hararis Eine kurze Geschichte der Menschheit verschlungen. Aktuell lerne ich dank Bienenleben von Sarah Wiener die Komplexität von Bienenvölkern kennen. Plus: Bei gutem Wetter absolviere ich auf dem Fahrrad sogar noch ein kleines umweltfreundliches Workout.
4. Auf die Hand bitte
Am Wochenende zelebriere ich das Frühstück als liebste Mahlzeit. Unter der Woche hingegen düse ich nach dem Aufstehen und Duschen meist schnurstracks zur Arbeit. Wenn dann auf dem Weg doch bereits der Magen knurrt, statte ich der Bäckerei kurz vorm Büro einen Besuch ab. Der Satz „Eine Brezel auf die Hand bitte”, gehört inzwischen zu meinem morgendlichen Vokabular-Repertoire. Bei der Entwicklung dieser Routine habe ich erkannt: Ausdauer ist wahrhaftig eine Tugend, die sich mit der Zeit bezahlt macht. Denn es scheint zunächst eine Kunst für sich zu sein, Backwaren gänzlich ohne Verpackung zu erhalten. Ist man nur eine Sekunde unaufmerksam, hat der Bäckereifachverkäufer schon wieder eine unnötige Serviette oder einen transparenten Hygienepapierschnipsel, um das ausgewählte Teigteilchen gewickelt. Nach zwei Minuten Brezelgenuss kann man den überflüssigen Müll dann schon wieder in die Tonne schmeißen. Genau hier gilt es, nicht aufzugeben: „Nein wirklich ganz ohne Verpackung. Danke.” Und eines Tages wundert und freut man sich zugleich, dass einem die Brezel tatsächlich mit der Zange über den Tresen gereicht wird. Ich gestehe, bei mir sind es oft schon die wirklich kleinen Dinge im Leben, die Freude bereiten. Erst Recht, wenn diese einen noch so kleinen Transformationsprozess im Umweltschutz anstoßen. Im Übrigen handelt es sich bei solchen Situationen um eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Denn ich spare Müll und Nerven und die Bäckerei auf Dauer Materialkosten.
5. Zeit für Kaffee
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes nutzen wir Deutschen 34 Einwegbecher pro Kopf und Jahr. Klingt gar nicht so viel. Auf alle 82,7 Millionen Deutschen umgerechnet, summieren sich da allerdings rund 2,8 Milliarden Einwegbecher zusammen. Daher trinke ich den Coffee to go nur noch an Geschäftsreisetagen, wenn ich einen Mehrwegbecher dabei habe. Oder aber ich nehme einen Bus früher zum Bahnhof und setze mich noch in Ruhe ins Café. An normalen Arbeitstagen gibt es den Kaffee frühestens im Büro und ganz ohne Hektik.
6. Grünes Büro
Im Büro von dasprogramm angekommen, wird meist sofort der Laptop aufgeklappt und an einen weiteren Bildschirm angeschlossen. Wenn man wie ich in einer Produktionsfirma für Filme und Podcasts arbeitet, gehören viele weitere technische Geräte zum täglichen Werkzeug. Daher versuchen wir in der Firma an den Stellschrauben, die es uns ermöglichen, so grün wie möglich zu agieren. Das fängt bei der Suchmaschine Ecosia an, die Bäume pflanzt und dessen Server aus erneuerbaren Energien betrieben werden, geht über regionales Obst fürs Team und hört beim Ökostrom auf.
7. Auf Fleisch verzichten
Wenn es dann in die Mittagspause geht, findet ein für die Umwelt äußerst effektiver Trick seine Anwendung. Auf Fleisch verzichten. "Gemüse ist mein Fleisch" ist ein Credo, welches nicht nur von Veganer_innen am Kantinentisch vertreten wird. Dass der Fleischverzicht ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Klimawandel bedeutet, wurde durch den kürzlich veröffentlichten Sonderbericht des Weltklimarates IPCC bestätigt. Die Herstellung von Fleisch verbraucht wertvolle Landflächen und verursacht Unmengen an Treibbausgasen im Vergleich zur pflanzlichen Ernährung. Rindfleisch gilt als besonderer Klimakiller. Es verbraucht rund 20 Mal so viele Ressourcen pro Gramm wie zum Beispiel Erbsen oder Linsen. Ähnlich wie beim Leitungswasser, gilt hier: Wissen alleine reicht nicht. Echter Verzicht muss her.
8. Mehrwegnetze verwenden
Abends auf dem Nachhauseweg gehe ich häufig noch Einkaufen. Neben dem guten alten Stoffbeutel, habe ich mittlerweile stets auch einige Mehrwegnetze dabei. Die gibt es für wenige Euro in vielen Lebensmittelmärkten zu kaufen. Die Mehrwegnetze sind sehr kompakt, wasch- und damit wieder verwendbar. Brot, Obst und Co. kommen direkt hinein und dezimieren weitere unnötige Verpackungen.
9. Brot richtig lagern und schneiden
Zuhause angekommen steht häufig noch eine kleine Brotzeit auf dem Plan. Wenn es um Lebensmittelverschwendung geht, ist Brot das Hauptdiskussionsthema bei meinem Freund und mir. Wie schafft man die Balance von nicht zu viel oder zu wenig im Haus zu haben? Ich würde mal sagen, wir sind noch dabei das auszuloten. Dank der Initiative Zu Gut für die Tonne vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, kenne ich nun einige Brottricks. Damit es länger haltbar bleibt: Raus aus der Plastiktüte. Oder erst gar nicht rein. Darin fängt Brot nämlich an zu schwitzen und schimmelt schneller. Daher am besten in einem Beutel aus Baumwolle lagern. Außerdem ein guter Tipp: Brot und Käse nicht auf demselben Brett schneiden. Die Hefe aus dem Brot kann auf den Käse übergehen, sodass auch dieser schneller schimmelt.
10. Mut zu wilden Fensterbänken und Gärten
Zur Entspannung entschleunige ich mich abends schließlich noch von meinem stressigen Alltag, indem ich mich um unsere Pflanzen kümmere. Mein Freund und ich leben aktuell in einer Zweizimmerwohnung im zweiten Stock, ohne Balkon. Daher besitzen wir bislang vor allem Zimmerpflanzen und unsere Möglichkeiten der Außenbepflanzung sind begrenzt. Bei meinen Recherchen in den letzten Wochen über das Bienen- beziehungsweise Insektensterben, konnte ich Dank des Vereins Mellifera e.V. einiges über die für uns Menschen sehr wichtigen Wildbienen erfahren. Im Gegensatz zu den Honigbienen sind die Wildbienen meistens alleine unterwegs. Die vielen verschieden Arten sind besonders bedroht, ihre Diversität für die funktionierende Bestäubung unserer Natur jedoch elementar. Zum Nisten bevorzugen sie vorrangig sonnige Plätze mit sandigen Böden und hohle Pflanzenstängel. Daher habe ich nun einige Behälter mit bienenfreundlichen Blumen auf unserem Küchenfensterbrett gepflanzt. Als nächstes folgt dann noch ein Extratopf mit sandigem Boden, zum Verschnaufen der Bienen. Auch Wasserschalen können im Sommer helfen. Wer einen Garten hat, sollte ebenfalls mehr Mut zum wilden Garten wagen und kann den Rasenmäher zumindest mal ein paar Zentimeter höher einstellen um den Insekten größere Refugien zu bescheren.