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Oscar Wilde oder Ich habe kein Verlangen, Türvorleger zu küssen

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Oscar Wilde oder Ich habe kein Verlangen, Türvorleger zu küssen

Von: C. Bernd Sucher
Gesprochen von: Udo Samel, C. Bernd Sucher
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Über diesen Titel

Oscar Wilde (1854 - 1900) war ein begnadeter Komödienautor, dessen Stücke nicht wegzudenken sind von den Bühnen der Welt. Er schrieb zauberhafte Märchen und Geschichten. Der Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" machte ihn weltberühmt, und mit seinen geistreichen und zugleich bösen Aphorismen ist er nach wie vor präsent. Der irische Dichter wurde gefeiert, stieg auf in der literarischen und mondänen Welt - und fiel tief. Seine Affäre mit dem jungen Adligen Lord Alfred Douglas, die Prozesse und ein Gefängnisaufenthalt ruinierten ihn.

Engagiert, originell und höchst persönlich führt C. Bernd Sucher zusammen mit dem Schauspieler Udo Samel durch Leben und Werk von Oscar Wilde.

Der Autor:
Prof. Dr. C. Bernd Sucher, in Bitterfeld geboren, studierte in Hamburg und München Germanistik, Theaterwissenschaft und Romanistik. Zwischen 1980 und 2005 war er Theaterkritiker bei der Süddeutschen Zeitung, seit 2005 schreibt er für Die Zeit. Seit 1998 leitet er den Studiengang Theater-, Film- und Fernsehkritik der Hochschule für Film und Fernsehen an der Bayerischen Theaterakademie August Everding.

(c)+(p)2006 Argon Verlag
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Interessante Einblicke in Oscar Wildes Wesen und Leben, Biografie und Werke. Kombiniert mit Zitaten aus seinen Werken.

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Dekadenz und Kindermärchen

Starb Wilde wirklich an den Folgen seiner Haft, dem Gesichtsverlust in England, der Trennung von Frau und Kindern, die ihn nie wieder sehen wollten, der Herabsetzung durch den einstigen Geliebten in der Öffentlichkeit? So scheint es.
Das Bild das diese Biografie von Werk und Leben erarbeitet, ist dahingehend aufschlussreich, dass es neben dem Künstler Wilde auch den Kunsttheoretiker, vielleicht sogar Philosophen ernstnimmt und wie der Künstler und Theoretiker Hofmannsthal darlegte, in seinem Schicksal sein Wesen erfüllte.

In einer Linie der Prozesse gegen Baudelaire und Genet, ist es das Spiel mit Verstellung, das er mit ihnen teilt, in seinem Fall mehr noch ein Wille zu Vollendung als Künstler, was insofern ihm zur Verurteilung gereicht, als er nicht aus einer Subkultur kommt, sondern der Elite als herausragender Schüler, der schon früh als Essayist die USA bereist, als Journalist für den Kunstbetrieb arbeitet und nebenbei heute berühmte Romane, Erzählungen, Märchen verfasste, später auch seine überaus erfolgreichen Theaterstücke. Vorsicht konnte ihm lange Zeit ein Fremdwort sein. Wenn es später heißt, er sei in Frankreich arm gewesen, so ist dies keinesfalls in dem Sinne zu verstehen, dass er hungern musste.
Was Wilde zu seiner Verurteilung gereichte, war ein Doppelleben der Homosexualität neben der Ehe, was damals eine Straftat darstellte, die unangenehmen Urteile über seine Zeit als Kritiker, und auch sein Selbstbewusstsein als Künstler, der die Öffentlichkeit einlud gleichsam, selbst ganz Künstler in seinem Sinne zu sein und sich ganz der Schönheit hinzugeben, als wäre es möglich ohne einen Begriff von Moral, ohne Normen und Verbote ganz zu leben.

Mit der Französischen Revolution ein war ein großer Einschnitt geschehen, um den König als festem Machtzentrum drehte sich nicht mehr die Welt, so wie dies zugleich einer göttlichen Ordnung einst entsprochen hatte, der die Künste gedient hatten, auch die Literatur. Gemäß dieser Gesellschaftsordnung ist jeder Mensch an einen festen Platz gestellt, selbstverständlich. Da nun der einzelne Mensch, zunächst der Künstler in der Renaissance (15. - 16. Jhd.), eine ganz eigene Stimme gewinnt, wird er auch zum potentiellen Kritiker. Der Punkt alles in Frage zu stellen und zu sagen, die Welt sei auf einem falschen Weg, wird zu dem Postulat der Dekadenz. So erscheint in der Romantik (frühes 18. Jhd.) die Dichterin Desbordes-Valmore sowohl als Heilige wie auch als Verfluchte, die darin ganz ihr Schicksal auf die Waagschale mit der Welt stellt. Es folgt vor allem mit Baudelaire als Beginn der Moderne ein neues Selbstbewusstsein der Lust am Unbehagen, Die Moral mit den Kriterien von gut und schlecht trennt sich von der Ästhetik in deren Sprache von schön und hässlich. Wilde folgt dieser Spur, die zu seiner Zeit in England Ablehnung findet. Es folgt also eine Befreiung des Genusses, die das Schändlichste noch als schön zelebrieren kann, und behauptet ganz Kunst bloß zu sein und sich alle Einmischung zu verbieten, wie in einem Rollenspiel. Was für die einen größte Befreiung ist (Phantasie), wird für die anderen zu einem gefährlichen Irrglauben (in der Realität).
Es ist vielleicht gar nicht einmal der Neid dessen der als zweiter kommt und zum Nachahmer bloß würde, oder der Hass desjenigen der unbedingt seiner eigenen Gewohnheit folgen will und darin Anerkennung zu finden erwartet, sondern Furcht vor dem eigenen Abgrund, oder aber dessen, was man als den Abgrund ausmachte. Für Wilde war klar, dass ausgelebte Homosexualität kein Abgrund ist. Seine Verteidigung als Künstler mutet merkwürdig an, ist keine Einlassung auf die Befindlichkeit seiner Zeit, sondern das Pauschalurteil, es gebe gar keine Abgründe für denjenigen, der sich selbst in Schönheit wahrhaft erkennt. Dass er selbst eitel auch war in seiner Erfolgsverwöhntheit bemerkte er selbst erst später.

Der Autor stellt bereits zu Beginn heraus, dass er sich dem Verständnis und der Bedeutung Wildes durch die eher weniger bekannten Essays und Briefe nähern wird, um dann die Biografie und das kreative Schaffen des Autors umfassend chronologisch abzuhandeln. Wilde gesteht also zuletzt doch ein, dass er in der Verabsolutierung der Dichtung vor aller Wahrheit, zumal da er in seinem Wirken als Influencer durchaus Nachahmer fand, er sich selbst darin nicht gut getan hatte. Es kann gefährlich sein solch eine verführerische Kraft auszuüben als Künstler, weil der eigene Überschwang eitler Perversität im Fall seines Schaffens, das Vertrauen der Leser dann missbraucht, wenn diese wie er selbst zu spät erst merken, dass sie sich über sich selbst irrten. Wilde setzt so verstanden einen absolut selbstverantwortlichen Leser voraus, der dennoch gerade durch ihn gefordert wird. Es verwundert kaum, dass Wilde in seinen Erzählungen, Märchen und Gedichten eine hohe Nähe zur Religion zeigt und gerade für Kinder geeignete Gleichnisse zwischen Heil und Verdammnis verwendet, die seinen überpointierten Stil konterkarieren.

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Gewollt subjektive Sicht auf Wilde

C. Bernd Sucher liefert hier eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Oscar Wilde. Dagegen wäre gar nichts zu sagen, wenn man dabei nicht auch ungewollt viel über CBS erfahren würde. (Beispiel: Der junge Wilde interessiert sich nicht für mathematische Fächer, CBS berichtet darüber mit dem Einschub: "Ich übrigens auch nicht"). Den CBS-Fan wird so etwas sicher amüsieren, mir bereitet Wilde ohne CBS erheblich mehr Vergnügen.

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