Black Literature, auf Deutsch auch als „Afroamerikanische Literatur“ bekannt, verdeutlicht die vielfältigen Lebensrealitäten und Diskriminierungserfahrungen von Schwarzen Menschen und People of Color (PoC). Der Begriff „People of Color“ oder „Menschen of Color“ ist eine internationale Selbstbezeichnung für Menschen, die Rassismuserfahrungen gemacht haben. Er markiert eine politische und gesellschaftliche Position, die sich als emanzipatorisch und solidarisch versteht. Ein Begriff, der dazu dient, sich gegen durch Rassismus und Kulturalisierung bedingte Spaltungen sowie gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch die weiße Mehrheitsgesellschaft zu positionieren.
Werke von Schwarzen Autorinnen und Autoren und PoC bieten tiefgreifende Einblicke und bereichern den literarischen Diskurs. Dennoch besteht nach wie vor ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Sichtbarkeit und Verfügbarkeit dieser Literatur.
Viele Stimmen, insbesondere aus nicht-englischsprachigen Ländern wie afrikanischen Staaten, Frankreich oder auch Deutschland, finden oft keinen Zugang zu einem breiteren Publikum. Die Förderung und Wertschätzung dieser Werke ist ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Vielfalt und Komplexität der Erfahrungen und Stimmen Schwarzer Menschen und PoC im Literaturmarkt.
Black Literature ist vielfältig und bietet viele verschiedene Perspektiven auf Rassismus und den Kampf gegen ihn. Bürgerrechtlerin und Philosophin Angela Davis bringt einen wichtigen Aspekt dieses Kampfes auf den Punkt:
In a racist society, it is not enough to be non-racist, we must be anti-racist.
Eine Aussage, die unterstreicht, dass es nicht ausreicht, sich vermeintlich neutral zu verhalten; vielmehr ist es notwendig, aktiv gegen Rassismus vorzugehen. Auch gegen den eigenen, verinnerlichten Rassismus. Weiße Menschen, die oft rassistisch sozialisiert sind, müssen bei sich selbst anfangen und nicht nur äußerlich gegen Rassismus kämpfen, sondern auch den inneren Rassismus bekämpfen.
Black Literature behandelt gesellschaftliche Fragen, Gerechtigkeit, Politik und Repräsentation, oft auch in fantastischen Welten. Im Folgenden beschäftigen wir uns mit der Frage, welche literarischen Stimmen prägend für Black Literature sind und waren sowie mit ihrer Geschichte und ihren Themen.
Im Wandel der Zeit: Klassiker der Black Literature
Als Beginn der Black Literature werden meist Schriften aus der Zeit der Sklaverei gesehen. Obwohl das ein eingeschränkter, und somit ein erneut systemisch diskriminierender, Blickwinkel ist, waren diese Bücher es, die in der „weißen Welt“ für Aufregung sorgten und bekannt wurden. In den USA rüttelten im 19. Jahrhundert Werke ehemaliger Sklavinnen und Sklaven wie Narrative of the Life of Frederick Douglass oder Incidents in the Life of a Slave Girl die amerikanische Bevölkerung auf.
Sie berichteten aus erster Hand von den Grausamkeiten der Sklaverei und der Flucht in Todesgefahr , erzürnten die Südstaatlerinnen und Südstaatler und gaben den Abolitionistinnen und Abolitionisten wesentliche Impulse.
Abolitionismus bezeichnet die transnationalen Bemühungen zur Abschaffung der Sklaverei, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Diese Kämpfe sind so alt wie die Sklaverei selbst; versklavte Menschen haben immer für Gerechtigkeit und die Überwindung der Sklaverei gekämpft. Im Gegensatz zu liberalen Ansätzen, die eine „Verbesserung“ oder „Reform“ der Sklaverei und der Plantagenökonomien anstreben, um sie „menschlicher“ zu gestalten, standen Abolitionistinnen und Abolitionisten für eine uneingeschränkte Abschaffung und Überwindung der Versklavung ein.
Ein Schlüssel für Black Literature in den USA war die Tatsache, dass die Autorinnen und Autoren überhaupt und gegen den Willen ihrer Unterdrücker das Schreiben und Lesen lernten – und so ihren Stimmen größere Reichweite gaben.
Unterdrückung, Armut, Gewalt: Rassismus blieb als Thema tief mit Black Literature verwoben. Romane waren häufig biografisch geprägt, wurden in ihren Sujets aber komplexer. Es ging weiterhin um Unterdrückung, um Auflehnung gegen ein System voller Ungerechtigkeit, aber nicht nur.
Auch innerfamiliäre Konflikte oder Generationsprobleme fanden ihren Weg in die Erzählungen, sowie Schwarze Kultur und Liebesgeschichten. Als neue „Klassiker” gelten heute Empowerment-Romane wie The Color Purple von Alice Walker, oder Their Eyes Were Watching God, ein Südstaatenroman von Zora Neale Hurston, tief verwurzelt in der White-Supremacy-Mentalität des 20. Jahrhunderts.
Ein Autor aus dieser Zeit wird auch bei uns wiederentdeckt: James Baldwin, der in den 1950er-Jahren neben Rassismus auch Sexualität und Homosexualität in seinen Romanen thematisierte und sogar mutig genug war, Polizeigewalt in seinen Schriften anzuprangern. Seine Werke wie „Giovannis Zimmer“ oder Nach der Flut das Feuer erlebten vor einigen Jahren in Deutschland eine regelrechte Renaissance – was vielleicht auch daran liegt, dass Baldwin vierzig Jahre seines Lebens in Europa verbrachte, in Paris.
Apropos Frankreich: Von dort kam ein Autor, dessen Figuren zu den unsterblichsten Helden überhaupt zählen und der bis heute als der zu Lebzeiten erfolgreichste französische Schriftsteller gilt. Dass seine Großmutter eine Sklavin und seine haitianische Herkunft (damals Saint-Domingue) deutlich zu erkennen war, wissen viele nicht, da nur wenige Bilder von ihm kursieren und seine Herkunft selten thematisiert wird.
Die Rede ist von Alexandre Dumas, Schöpfer der „Drei Musketiere“ und des „Grafen von Monte Cristo“. Seine Mantel-und-Degen Abenteuergeschichten thematisieren Rassismus zwar nicht, aber Dumas’ Vater, ein hochrangiger Offizier in der französischen Armee, diente eindeutig als Vorbild für einige seiner Figuren, und manche vermuten, dass einer der Musketiere Schwarz war. Die Beschreibungen lassen das jedenfalls offen.
Vielstimmig: Black Literature heute
Nach wie vor ist die zeitgenössische Black Literature geprägt von den Erfahrungen des Schwarz- beziehungsweise PoC-seins in einer zumeist weiß dominierten Gesellschaft. Ein Großteil der bei uns ankommenden Literatur stammt immer noch aus den USA. Eine der bekanntesten Autorinnen ist sicherlich Toni Morrison, die als erste Afroamerikanerin den Literaturnobelpreis erhielt. Ihr Werk ist umfassend und reichhaltig und reicht thematisch von Sklaverei über die Zeit der Depression bis zum Jazz Age und den modernen Auswüchsen des Rassismus.
Mit dem Phänomen des „Passing” (dem „Durchgehen” als weiß) beschäftigt sich Brit Bennetts Zwillingsroman Die verschwindende Hälfte, in dem eine Schwester ihr Leben in einer schwarzen Gemeinde lebt, während die andere, mit hellerer Haut geboren, ihr Schwarzsein abzustreifen versucht und als Weiße in einem weißen Umfeld Erfolg im Leben sucht.
Eine Nuance von Rassismus: der sogenannte „White Saviorism”, bei dem Weiße sich berufen fühlen, Schwarze Menschen und PoC zu „retten”. Kiley Reid erzählt in Such a fun Age von einer Schwarzen Babysitterin, die in einem Supermarkt zu Unrecht verdächtigt wird, das weiße Kind in ihrem Kinderwagen entführt zu haben. Ein Video über den Vorfall gerät ins Internet, und die privilegierte weiße Mutter des Kindes mischt sich übergriffig in das Leben der Babysitterin ein.
Angie Thomas machte 2017 Furore mit ihrem Jugendroman The Hate U Give, der auch erfolgreich fürs Kino verfilmt wurde. In dem Buch verliert eine 16-jährige Schülerin einen Freund durch Polizeigewalt. Es war einer der ersten Bestseller zu diesem Thema im YA-Genre. Mit „Concrete Rose“, einem Sequel, behandelt Thomas das Leben eines Aussteigers aus einer schwarzen Gang. Hierbei bezieht sie sich ebenfalls auf Themen wie Rassismus, Armut sowie prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dem rassistischen Narrativ entgegenzutreten, dass BiPoC krimineller seien als Weiße.
Von Realismus zu magischem Realismus
Neben der Konfrontation mit harter, wenngleich fiktionalisierter Realität nutzen viele Autorinnen und Autoren inzwischen überhöhte, metaphorische und phantastische Elemente, um ihre Geschichten zu erzählen. Bildhaft, poetisch und teils auf Folklore beruhend, berühren diese Romane auf einer märchenhaften Ebene.
Bereits zweimal gewann Colson Whitehead den Pulitzerpreis und ist spätestens seit der Veröffentlichung von Underground Railroad, einem Roman über ein Netzwerk für geflohene Sklaven, in aller Munde. Wie andere moderne Autoren und Autorinnen inzwischen auch, abstrahiert er das Thema Rassismus und zieht Stilmittel aus dem magischen Realismus heran.
Fantasie und ein Touch Magie prägen auch Der Wassertänzer von Ta-Nehisi Coates, den Überlebens- und Freiheitskampf eines Sklaven mit einer besonderen Begabung, auf poetisch-moderne Art und Weise erzählt. In Washington Black von Esi Edugyan ist es sogar ein Luftschiff, das die Flucht aus der Sklaverei ermöglicht.
Rivers Solomon, Schwarz und nicht-binär, lässt in The Deep gar über Bord geworfene Sklavinnen als eine Art Meerjungfrauen und Hüterinnen von Erinnerungen und Schmerz weiterleben und greift dabei auf alte Volksmythen zurück.
Afrofuturismus: Science Fiction und Fantasy meet Afrozentrismus
Im Afrofuturismus treffen Science Fiction, Fantasy, Dystopie und magischer Realismus auf Afrozentrismus – eine Reaktion auf jahrhundertelange und bis heute andauernde Fehldarstellungen und Marginalisierungen von Schwarzen Menschen und PoC durch Kolonialismus, eurozentrische Perspektiven und Diskurse.
Dabei ist Afrofuturismus nicht nur literarisches Genre, sondern vielmehr als kulturelle Strömung zu verstehen. Diese findet in verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen wie Literatur, bildender Kunst, Musik und Film statt. In der Musik hat der Jazzmusiker Sun Ra mit seinem afrofuturistischen Free Jazz eine wichtige Rolle gespielt. Und im Film haben zum Beispiel „Space is the Place“ und der Marvel-Blockbuster „Black Panther“ afrofuturistische Themen und eine damit einhergehende distinktive Ästhetik in den Mainstream gebracht. In der Literatur haben Autorinnen und Autoren wie Octavia Butler und Samuel R. Delany bedeutende Beiträge zum Afrofuturismus geleistet.
Über Genregrenzen und Kunstformen hinweg betont der Afrofuturismus die Bedeutung einer eigenen Identität und Geschichte – frei von den Einflüssen und Unterdrückungen der westlichen Gesellschaft. Die Methode: die afrikanische, asiatische oder lateinamerikanische Diaspora in die Zukunft oder eine alternative Realität zu projizieren und alternative Realitäten zu erschaffen. Realitäten, in denen Schwarze Menschen und PoC und ihre Kulturen im Mittelpunkt stehen.
Auch die folgenden Amazon Original Stories – Kurzgeschichten, die „in einem Rutsch“ und ohne Pause gelesen oder gehört werden können – sind dem Genre des Afrofuturismus zuzuordnen. Die Geschichten, die für Amazon-Prime- und Kindle-Unlimited-Mitglieder kostenlos erhältlich sind, thematisieren verschiedene Facetten von Rassismus. Und sie werfen die Frage auf, wie eine diskriminierungsfreie Welt möglich sein kann.
In Jasmina Kuhnkes afrofuturistischer, dystopischer Kurzgeschichte Malik steht der sechsjährige Protagonist Malik im Mittelpunkt. Normalerweise gehen Kinder in diesem Alter zur Schule. Doch für Malik gelten andere Regeln. Der Grund: Er ist Schwarz. Gemeinsam mit seiner älteren Schwester Linda versteckt er sich in den „Silos“ vor den White Supremacists, und damit vor Menschen, die den Fortbestand rassistischer Ideologien und/oder gesellschaftlicher Strukturen (indirekt) unterstützen.
In dieser Widerstandscommunity sind sie vor dem tyrannischen Regime sicher, das die Welt ins Chaos gestürzt hat. Doch selbst hier wird Malik mit der Frage konfrontiert, ob ein Leben in ständiger Angst und mit harten Entbehrungen lebenswert ist. Alles ändert sich, als Malik auf die legendäre Freiheitskämpferin Maureen trifft …
2123, Berlin. Studentin Juliana ist unterwegs zu ihrem Institut für Black Studies. Dabei erfährt sie, dass sie zum Saturn reisen soll, dem Geburtsort des Mystikers Sun Ra und kulturelles Zentrum der Galaxie. Ein Privileg. Doch die Reise nimmt eine unerwartete Wendung. Denn durch einen Systemabsturz ihres Quantum Cruisers landet Juliana im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Hier erwarten sie ein rassistischer Mob – und Menschen, die sie merkwürdigerweise zu kennen scheint.
In Juliana verbindet Prof. Dr. Natasha A. Kelly futuristische Elemente mit historischen Ereignissen und erforscht das Thema Identität und Zeitreise. Eine Kurzgeschichte, die Fragen nach einer möglichen Verbindung zwischen aktuellen rassistischen Einstellungen und Verhaltensweisen und der Vergangenheit aufwirft.
Eine dystopische Welt, in der tyrannische Oligarchen regieren und die natürliche Fortpflanzung unter Strafe stellen. Am düstersten Punkt seines Lebens angekommen steht Noah, verfolgt von feindlichen Patrouillen-Drohnen, vor einer Pistole. Doch dann: das Schreien eines Babys. In einer Welt, in der natürliche Geburten verboten sind, ist dieses unerwartete und seltene Geräusch ein Hoffnungsschimmer – ein Akt des Widerstands gegen das tyrannische Regime.
Noah, selbst schon lange auf der Flucht, will das Kind und seine Eltern zur Widerstandsgruppe „Hope“ bringen, um sie vor Verfolgung zu schützen. Wird ihm das gelingen? Noah von Rapper Jalil thematisiert den Kampf um Hoffnung und Menschlichkeit in einer unterdrückten und kontrollierten Welt.
In Madiyou erzählt David Mayonga die Geschichte eines 15-jährigen Jungen aus Lom, Togo, im Jahr 2324 – einer Zukunft, in der Ausbeutung und Krieg längst vergangen sind. Madiyou ist fasziniert von den sogenannten „Waste Ages“. Diese dunkle Epoche der Menschheitsgeschichte liegt fast drei Jahrhunderte zurück und war geprägt von rücksichtsloser Ausbeutung von Mensch und Natur.
Im Vergleich zu seiner eigenen Realität, die von der verantwortungsvollen Führung der großen Union, von Solidarität, Demut gegenüber der Natur und sozialer Gerechtigkeit geprägt ist, erscheint ihm diese Zeit fast unwirklich. Als Madiyou die Möglichkeit bekommt, virtuell ins 21. Jahrhundert zurückzureisen, ergreift er diese Chance sofort. Aber seine Reise wird zu einem Albtraum, in dem sich Madiyou mit Rassismus, Vorurteilen und Übergriffen konfrontiert sieht.
Mayongas eindringliche afrofuturistische Kurzgeschichte regt zum Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft, Menschlichkeit und die Auswirkungen von Geschichte und Gesellschaft an. Sie motiviert dazu, über die Bedeutung von Verantwortung und Solidarität zu reflektieren und die Konsequenzen unseres Handelns zu hinterfragen.
Von der Suche nach Wurzeln, Identität und Zukunft
Das wachsende Interesse an Folklore, Tradition und Kultur von Schwarzen Menschen und PoC geht Hand in Hand mit der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Für viele Schreibende begann ihre persönliche Geschichte - teils Generationen weit entfernt - in einem anderen Land, auf einem anderen Kontinent: in Afrika.
Es geht um Wurzeln, um Identitätssuche. Es sind Geschichten von Aus- und Einwanderung, von Heimat und Fremdsein, vom Suchen und Finden eines Platzes in der Welt. Über ganze acht Generationen von Ghana bis in die USA zieht sich zum Beispiel Yaa Gyasis Heimkehren, während ganz aktuell Bernadine Evaristo, selbst mit nigerianischen Vorfahren, in Mädchen, Frau etc. schwarze Einwanderinnen in Großbritannien zu Wort kommen lässt.
Ein seltenes deutsches Beispiel für eine Geschichte mit afrikanischen Wurzeln ist Brüder von Jackie Thomae. Die in Sachsen geborene Autorin und Journalistin beleuchtet darin die unterschiedlichen Lebenswege und Lebensentwürfe von zwei Männern, im selben Jahr geboren, vom selben Vater. Der hinterließ ihnen nur eines: eine dunkle Hautfarbe.
Schwarze Lebenswege: (Auto)biografien
Natürlich gehören auch Autobiografien und Memoiren zu dieser Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Ein Bestseller wurde 2016 Born a Crime von Trevor Noah, Comedian und Talk Show Host der amerikanischen Daily Show, geboren und aufgewachsen im von Apartheid und Verbrechen geprägten Südafrika.
Ein Muss sind die autobiografischen Erzählungen der Schriftstellerin, Lyrikerin und Bürgerrechtlerin Maya Angelou, angefangen mit I Know Why the Caged Bird Sings, das die rassistischen Südstaaten der 1930er-Jahre wieder aufleben lässt. Wer einen der bekanntesten Schwarzen US-Aktivisten besser kennen lernen möchte, sollte sich die Autobiography of Malcolm X anhören. Die erschien 1956, wurde 2020 wieder neu aufgelegt und wird vom bekannten Schauspieler Laurence Fishburne mit viel Energie eindrucksvoll vorgelesen.
Unmöglich auslassen kann man bei den Autobiografien die Memoiren des ehemaligen und ersten US-Präsidenten mit afrikanischen Wurzeln, Barack Obama, „A Promised Land“. In einem Atemzug zu nennen und mindestens ebenso erfolgreich war Becoming von seiner Frau Michelle Obama, eine autobiografische Rekapitulation ihres eigenen Werdegangs und gleichzeitig ihre Erinnerungen an die Zeit als First Lady.
Wer möchte, kann auch die „nächste Generation” hören: Die amtierende Vize-Präsidentin Kamala Harris, Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters, erzählt in Der Wahrheit verpflichtet ihre bisherige Lebensgeschichte.
Black Literature und Fantasy
Auch wenn sich Rassismus durch Black Literature wie ein roter Faden zieht, gibt es auch Lese- und Hörstoff, in dem Diskriminierungserfahrungen und Empowerment zum Beispiel in fantastischen Settings thematisiert werden. Neuere Beispiele sind unter anderem Golden wie Blut von Namina Forma, Children of Blood and Bone von Tomi Adeyemi oder Wer fürchtet den Tod von Nnedi Okarafor.
Im übertragenen Sinne geht es auch in diesen Jugendromanen um unterdrückte Teile der Bevölkerung, um Krieg zwischen Fraktionen, aber im Mittelpunkt stehen - wie sonst im Genre auch - detailreich erschaffene Fantasiewelten, starke, meist weibliche Identifikationsfiguren, auf deren Seite man sich schlägt, und um den Sieg über das Böse, wie auch immer sich das definiert.
Repräsentation wird in vielen Genres üblicher – das erkennt man in den Geschichten, aber auch an den Covern von Büchern und Hörbüchern. Und bei der Auswahl der Sprecherinnen und Sprecher für die Hörbuchausgaben wird es - zumindest im englischsprachigen Raum - selbstverständlicher, dass Black Literature von Schwarzen Menschen und PoC vorgetragen wird. Ein Schritt hin zu weniger verfälschten Darstellungen und hin zu mehr Repräsentation. Gute Beispiele sind hier „Beasts Made of Night“ von Tochi Onyebuchi oder Dread Nation von Justina Ireland.
Jung, Schwarz, divers: Black Literature und das Young-Adult-Genre
Diversität wird - zu Recht - immer mehr eingefordert, gelebt und gelesen. Das Young-Adult-Genre umarmt insbesondere in den USA verschiedene Identitäten immer mehr. Die Hauptfiguren sind häufig nicht nur Schwarze Menschen und PoC, sondern gleichzeitig zum Beispiel queer, behindert oder von Armut betroffen.
Bestseller sind unter anderem You Should See Me in a Crown von Leah Johnson, Felix Ever After von Kacen Callender und Black Boy out of Time von Hari Ziyad. Eine Abbildung der modernen Realität in der Literatur, die hoffentlich auch bei uns immer mehr stattfindet.
Auch in romantischer YA-Literatur sind die USA Vorreiter. In Get a life, Chloe Brown, Party of Two oder Real Men Knit geht es nicht vordergründig um Rassismus, sondern um Lebensrealitäten Schwarzer Menschen und von PoC - und natürlich um Liebesirrungen und -wirrungen.
Stimmen Schwarzer Menschen und von PoC im Krimi
Fehlanzeige herrscht dagegen weitestgehend in dominant weiß besetzten Genres wie etwa Science-Fiction oder Krimi/Thriller. Im Weltall herrscht, was Stimmen von Schwarzen Menschen und von PoC angeht, gähnende Leere, ebenso wie - bis auf wenige Ausnahmen - im Spannungsmetier. Der Grund: Es wird auf Stimmen weißer Menschen zurückgegriffen und PoC auf diese Art gesilenced – auch dies ist ein Symptom der weißen Vorherrschaft. Eine dieser Ausnahmen stammt erfreulicherweise aus Deutschland: Melanie Raabe ist seit ihrem Debüt Die Falle von 2015 sehr erfolgreich mit charakterstarken, teils kammerspielartigen Psycho-Thrillern.
Eine weitere, internationale Genre-Pionierin ist Oyinkan Braithwaite, in deren Meine Schwester, die Serienmörderin der Titel Programm ist: Eine junge Frau vermutet, dass ihre Schwester eine psychopathische Mörderin ist. Insgesamt aber finden sich im Krimi- und Thriller-Genre noch viel zu wenige Veröffentlichungen von Schwarzen Menschen und von PoC.
Sachbücher: Rassismuskritisch denken und sich verbünden
Auch wenn die Themen vielfältig geworden sind: Immer noch ist es wichtig, über die Geschichte des Rassismus aufzuklären, systemischen Rassismus zu erkennen, zu benennen und sich dagegen zu stellen, und zwar als Verbündete oder Verbündeter, in Allianz mit Schwarzen Menschen und PoC.
Ob es um Polizeigewalt und Unruhen mit tausenden Demonstranten geht, um rassistische Justiz oder um den ganz alltäglichen Rassismus in der Sprache oder im Umgang miteinander - die Gesellschaft hat noch einen langen Weg vor sich und viel zu lernen. Am besten, indem man denjenigen zuhört, die es wissen, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch vor der ganz eigenen Haustür.
Auf eine im wahrsten Sinne des Wortes vielstimmige Reise durch 400 Jahre afro-amerikanische Geschichte nimmt dich Four Hundred Souls mit, eine Sammlung von Essays, Kurzgeschichten, Vignetten und feuriger Polemik, geschrieben von 90 Schwarzen und PoC Autorinnen und Autoren, vorgetragen von ebenso vielen Schwarzen und PoC Sprecherinnen und Sprechern. Diesem Chor kann man sich nicht entziehen.
Caste von Isabel Wilkerson entblößt ein tief verwurzeltes, verstecktes Kasten-System in den USA – eine mächtige, unausgesprochene Hierarchie, die bis heute die Machtverhältnisse zwischen Schwarz und weiß in den USA bestimmt. Wilkerson identifiziert acht Säulen dieses Systems, darunter „göttlicher Wille“, Blutlinien und Stigma. Einige davon wurden von den Nazis übernommen, um Menschenfeindlichkeit zu propagieren. Ergänzt durch packende Geschichten über bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten wurde das Buch, auch durch eine Empfehlung von Talkmasterin Oprah Winfrey, zu einem großen Erfolg.
Stamped von Ibram X Kendi ist ebenfalls eine schonungslose Darstellung der rassistischen Geschichte der USA, und er legte nach mit „How to be an Anti-Racist“, das Rassismus nicht nur anzeigt sondern auch anti-rassistische Ideen und Wege aus diesen etablierten Denk- und Handlungsstrukturen anbietet.
Ganz pragmatisch und im Alltag sofort umsetzbar tut das die deutsche Anti-Rassismus-Trainerin Tupoka Ogette mit ihrem aus ihren Workshops entstandenen Exit Racism. Nach einer Einführung in die Geschichte des Rassismus öffnet sie den Hörern und Hörerinnen die Augen über weißes Privileg und gibt ganz handfeste Anleitung zum Auszug aus „Happyland” - so nennt sie die bequeme, Weißen in die Wiege gelegte Blindheit gegenüber dem ganz alltäglichen, in der Regel unbeabsichtigten beziehungsweise unterschwelligen Rassismus.
Wer konkrete Tipps mit klaren Beispielen, unter anderem für anti-rassistischen Sprachgebrauch möchte und sich nicht scheut, die eigenen Denk- und Handlungsweisen kritisch zu hinterfragen, für den ist Exit Racism ein wertvolles Handbuch zur Veränderung.
Auch Alice Hasters' Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten deckt auf, wie oft Weiße rassistisch reden und agieren, ohne sich dessen bewusst zu sein. Wie angegriffen sie sich fühlen, wenn man das anspricht. Und wie müde Schwarze Menschen und PoC sind, immer wieder erklären zu müssen, wie verletzend das ist.
Dass es nicht nur die politisch rechtsgerichteten sind, sondern der Großteil der weißen Gesellschaft, die - meist unbewusst beziehungsweise unterschwellig - rassistisch unterwegs sind, ist eine Botschaft auch von Reni Eddo-Lodge in Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche. Wo weiß die Norm und Schwarz die Ausnahme ist, ist es umso wichtiger, dass auch die weiße Mehrheit aktiv wird im Kampf gegen die Ungleichbehandlung.
Black Literature: Ein langer Weg geht weiter
Rassismus in all seinen Facetten spielt in der Black Literature und über Genregrenzen hinweg eine zentrale Rolle, vom Sachbuch über Romance bis hin zur Fantasy. Trotzdem ist Black Literature nicht nur auf dieses Thema reduziert, sondern spiegelt die vielfältigen Lebensrealitäten und -wege Schwarzer Menschen und von PoC wider. Bei Audible entdeckst du verschiedene Perspektiven und ganz unterschiedliche Werke von Schwarzen Menschen und PoC.
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