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Wer die USA verstehen will, muss hören

Wer die USA verstehen will, muss hören

Bis vor ein paar Jahren waren die USA für uns Europäer so etwas wie ein älterer Bruder. Einer, der cool aussah, die bessere Musik hörte und immer zu wissen schien, wo es lang geht. Einer, der überlegen und manchmal großkotzig auftrat, mit Waffen herumfuchtelte und Schwächeren rücksichtlos seine Weltsicht aufzwängte. Der sich aber, wenn es hart auf hart kam, auf und an unserer Seite schlug. Der trotz allem doch das Herz am rechten Fleck zu tragen schien.

Diese Zeit endete mit der Wahl Donald Trumps. Wie konnte das geschehen, fragten sich Politiker, Journalisten und ganz normale Leute am Morgen des 20. Dezember 2016 fassungslos. Ein scheinbar lügender, sexistischer, rückwärtsgewandter Egomane als Anführer der freien Welt – wieso haben wir das nicht kommen sehen? An welchem Punkt haben wir aufgehört, Amerika zu verstehen?

Seither arbeiten sich schlaue Menschen beiderseits des Atlantiks an dieser Frage ab. Einer von ihnen ist der Arzt und Historiker Ronald D. Gerste („Amerika verstehen“). Sein knapper, aber erhellender Abriss der US-amerikanischen (Kultur-)Geschichte eignet sich für alle, die sich bisher wenig mit dem Thema beschäftigt haben. Nehmen wir sein Buch als Ausgangspunkt für eine Reise in die Seele der USA.

Amerika verstehen

Turbulente 2010er Jahre: Trump, Obama, Snowden, Weinstein

Dass seit 2017 hinter den Kulissen des Weißen Hauses ein sagenhaftes Chaos herrscht, wissen wir dank der aufmerksamen Presseberichterstattung bereits. Die Hintergründe und Ursachen dafür enthüllte der leitende Redakteur der „Washington Post“, Bob Woodward, in seinem Bestseller „Furcht“. Interviews mit Beteiligten, Besprechungsvermerke, persönliche Dateien und Dokumente – sein Bericht stützt sich auf eine Fülle von Informationen und ist buchstäblich haarsträubend.

Furcht

Die Wähler aus den abgehängten Bundesstaaten des „Rust Belt“ waren es, die den ungeliebten POTUS ins Amt brachten. Einst die erfolgreichste Industrieregion der Welt, herrscht hier heute Armut und Verschuldung. Der große Traum vom ewigen Fortschritt – hat er sich Ausgeträumt, Amerika? Das fragt sich der ARD-Korrespondent Jan Philipp Burgard. Er reiste quer durchs Land, interviewte Politiker, Arbeiter, Aktivisten und Hillybillys und kam mit dem vielschichtigen Porträt eines gespaltenen Landes zurück.

Ausgeträumt, Amerika?

Die Obamas

Ach, wie schön war noch alles unter Barack Obama. Vor gerade mal zehn Jahren war das Weiße Haus noch ein Ort zum Verlieben – jedenfalls für die Stenografin Beck Dorey-Stein. In „Good Morning, Mr. President!“ erinnert sie sich an ihren aufregenden Job im inneren Mitarbeiter-Kreis des ehemaligen Präsidenten. Noch näher dran war (und ist) Michelle Obama, die als First Lady weltweit die Herzen eroberte und mit ihrer warmherzigen, ehrlichen und inspirierenden Autobiographie BECOMING einen Mega-Bestseller landete.

Good Morning, Mr. President!
Dreams from My Father
BECOMING
Ein verheißenes Land

In seinem neuen Hörbuch „Ein verheißenes Land“ beschreibt Barack Obama seinen politischen Werdegang und erzählt anhand eindrucksvoller Erinnerungen von seiner Präsidentschaft. Seine Rückschau auf seine Zeit im Weißen Haus bietet nicht nur einen einzigartigen Einblick in Obamas Welt als erster afroamerikanischer Präsident der Vereinigten Staaten, sondern lieferte spannende Ansichten über Themen wie internationale Diplomatie und amerikanische Politik.

Weiterlesen: US Präsidenten - Hörbuch-Portraits von Kennedy bis Trump

Whistleblowers

Und doch: Die amerikanischen Geheimdienste hatten für ihre paranoide Totalüberwachung, die der Whistleblower Edward Snowden 2013 enthüllte, wohl auch Obamas Segen. Mit seinem Verrat löste der Ex-CIA-Mitarbeiter vor sechs Jahren einen Sturm der Entrüstung aus. Er erschütterte das Grundvertrauen der Amerikaner (und Europäer), in einer Gesellschaft zu leben, in der die Privatsphäre tatsächlich privat ist. In den vergangenen Jahren wurde es stiller um Snowden. Ob seine nun veröffentlichte Autobiographie Permanent Record dabei hilft, Amerika zu verstehen, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall hilft sie, den Menschen Edward Snowden besser zu verstehen, dessen moralische Entscheidung ihm weltweit die höchste Bewunderung eingebracht hat.

Permanent Record

Zwei Whistleblowerinnen der anderen Art enthüllten 2017 ebenfalls ein System, das auf Machtmissbrauch und Unterdrückung abzielte. Die Rede ist vom Netzwerk des Produzenten Harvey Weinstein, der jahrelang Frauen sexuell belästigte und ausnutze. In „She Said“ berichten Jodi Kantor und Megan Twohey aus der Mitte eines gesellschaftlichen Wandels, für den der Hashtag #MeToo steht.

Mehr dazu: Berühmte Whistleblower von Edward Snowden bis „Deep Throat“

She Said

In das Schicksal eines einzelnen Menschen abtauchen und dadurch der Seele einer ganzen Nation näherkommen – manchmal funktioniert das tatsächlich. Dieses Kunststück schafft große Literatur. Und an großer Literatur ist die USA nun wahrlich nicht arm. Einzelne Bücher über Amerika herauszupicken, fällt da schwer.

Kraftvolle Frauenstimmen: Afroamerikanische Literatur auf Weltniveau

Eine der wichtigsten und sprachgewaltigsten Stimmen der amerikanischen Literatur – und nicht nur der afroamerikanischen Minderheit – ist ohne Frage die im August verstorbene Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison. In ihrem Gesamtwerk kreist sie um die Themen Rassismus, Sklaverei, Trauma und schwarze Identität. So auch in ihrem letzten Roman „Gott hilf dem Kind“.

Ein lange Zeit vergessener Klassiker ist Zora Neale Hurstons poetischer Roman „Their Eyes Were Watching God” über die Liebe und den Unabhängigkeitskampf einer schwarze Frau in den 1930er Jahren. Zur selben Zeit spielt der erste Teil der Autobiographie von Maya Angelou, einer der wichtigsten Persönlichkeiten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. „I Know Why the Caged Bird Sings“ ist eine faszinierende Coming-of-Age-Story, die davon handelt, wie Literatur helfen kann, Traumata und Rassismus zu überwinden.

Mehr entdecken: Beliebte amerikanische Autor/innen bei Audible

Gott, hilf dem Kind
Their Eyes Were Watching God
I Know Why the Caged Bird Sings

Alte weiße Männer auf der Jagd nach dem amerikanischen Traum

Und was machen die sprichwörtlichen „alten weißen Männer“? Schon vor knapp einhundert Jahren beschrieb der Autor F. Scott Fitzgerald in seinem Klassiker Der große Gatsby die innere Leere, Langeweile und Einsamkeit der Schönen und Reichen. Die Roaring Twenties in all ihrem Glamour und all ihrer Tragik – Burghart Klaußner erweckt sie mit seiner Stimme eindrücklich zum Leben. Zwei, die genauso einsam sind, für die der „American Dream“ aber noch in weiter Ferne ist, sind die Wanderarbeiter George und Lennie. John Steinbeck setzte dem weißen Prekariat in seinem Klassiker „Von Mäusen und Menschen“ ein Denkmal.

Der große Gatsby
Von Mäusen und Menschen

Die Stimme der Lost Generation, also jener Generation, die während und nach dem ersten Weltkrieg aufwuchs, war Ernest Hemingway. Sein Roman „Um eine Viertelmillion“ ist eine dieser Geschichten, die die Amerikaner so lieben: Ein dickköpfiger, längst abgehalfterter alter Boxer tritt zu einem Kampf an, der von vorneherein aussichtlos scheint.

In „Fear and Loathing in Las Vegas“ fing Hunter S. Thompson wie kein anderer die amerikanische Hippie-Kultur der 1960er Jahre ein. Dieser (irr)witzige Drogen- und Kamikaze-Trip ist in Wahrheit eine gnadenlose Abrechnung mit dem konsumorientierten „American Way of Life“ – und damit heute wieder ganz aktuell.

Um eine Viertelmillion

Dieselbe Zeit behandelt der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman „Amerikanisches Idyll“. Der im letzten Jahr verstorbenene Schriftsteller Philip Roth erzählt hier von Vietnamkrieg und Watergate-Affäre, jüdisch-amerikanischer Identität, Bürgerlichkeit und Rebellion – alles anhand eines packenden Familienschicksals. Das Buch bildet den Auftakt einer Trilogie, die mit „Der menschliche Makel“ endet und insgesamt 40 Jahre US-amerikanischer Geschichte umfasst.

Amerikanisches Idyll
Fear and Loathing in Las Vegas
Der menschliche Makel

Amerikanische Literatur und Bücher über Amerika im Überblick

Die USA verstehen – welche Bücher über Amerika empfehlt ihr?

Welche Romane und Sachbücher über Amerika haben wir vergessen? Was sind für euch die wichtigsten Werke der US-amerikanischen Literatur? Verratet es uns in den Kommentaren!

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