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Weltfrauentag: Weiblichkeitsbilder im Wandel

Weltfrauentag: Weiblichkeitsbilder im Wandel

Von der verhassten Hexe zur bewunderten Diva: Kunst, Geschichte und Popkultur sind voller teils jahrtausendealter weiblicher Archetypen. Was sie alle gemeinsam haben? Sie sind fluide und ständig in Bewegung. Der Feminismus brachte traditionelle kulturelle Lesensarten ordentlich ins Wanken – zum Glück.

Die Hexe: Vom gefürchteten Monster zum mächtigen Symbol der Stärke

Ob Ottfried Preußlers kleine Hexe oder die allseits beliebte Bibi Blocksberg: Die Hexenzunft hat im letzten Jahrhundert durchaus positive Gallionsfiguren gefunden. Dabei war der Weg zum sympathischen Image denkbar steinig. Denn dieser weibliche Archetyp wurde lange Zeit gefürchtet. Ein schreckliches Beispiel hierfür sind die Hexenverfolgungen im 16. und 17. Jahrhundert. Sie bescherten zahllosen Frauen (aber auch Männern) einen qualvollen Tod.

Prinzipiell konnte jede Frau der Hexerei beschuldigt werden. Doch es traf besonders solche Frauen, die älter, alleinstehend oder verwitwet waren, die (vermeintlich) zu viel Freude an ihrer Sexualität hatten – oder einfach zu viel Selbstbewusstsein. Erst mit Aufkommen des Feminismus wurde die Hexe zum Sinnbild weiblicher Selbstermächtigung und Freiheit. Als Schimpfwort ausgedient hat der Begriff aber bis heute nicht.

Doch: Soziale Bewegungen ändern diesen Zustand langsam, aber stetig. Zu den jüngeren Helferinnen dieses Wandels zählen die Aktivistinnen der französischen „Witch Bloc Paname“, einer radikal feministischen, politischen Gruppe, die 2017 erstmals auf die Straße ging. Und zwar: Verkleidet mit Spitzhüten und dunklen Gewändern. Bald darauf feierten französische Zeitungen die Rückkehr der Hexen. Auch die Autorin Pam Grossmann erhebt die Hexe in ihrem sachkundigen Ratgeber Waking the Witch zur perfekten Leitfigur zeitgemäßer Weiblichkeit. Kurzum: Die Hexe ist auf dem besten Weg, sich endgültig von ihrem schlechten Image zu befreien. Wurde auch Zeit.

Waking The Witch

Von der machthungrigen Verführerin zum Vorbild: Die Femme Fatale

Die Femme Fatale definiert sich vor allem über ihre Sexualität. Diese nutzt sie schamlos aus, um - na klar - unschuldige Männer in den Abgrund zu stürzen und Macht zu gewinnen. Typisch für dieses Weiblichkeitsbild ist auch die Ablehnung der Mutterrolle. So geisterte die kinderlose Femme Fatale (die auch als Vamp bekannt ist) lange als amoralisches Wesen durch die Literatur, Kunst und Popkultur. Früheste niedergeschriebene Beispiele dieses Archetypus sind Medea aus der Argonauten-Sage und die biblische Salome. Mainstream-Bekanntheit erreichte die Femme Fatale dann im 20. Jahrhundert mit dem Auftauchen des Film Noir. In diesem düsteren Film-Genre zogen Vamps wie die von Rita Hayworth verkörperte „Gilda“ hartgesottene Männer auf die dunkle Seite.

Heute ist die sexuell aktive Frau zum Glück weit weniger verpönt. Jüngere Helferinnen auf diesem Wege sind die international gefeierten Ladies aus „Sex and the City“, die die weibliche Lust am Sex Ende der 90er in den öffentlichen Diskurs rückten.

Hierzulande enttabuisiert etwa die Autorin Katja Lewina die weibliche Lust. Anhand ihrer eigenen sexuellen Biographie plädiert sie in Sie hat Bock dafür, selbstbewusst zum eigenen Begehren zu stehen. Denn: "Es liegt in unserer Hand, unsere Spielregeln zu schreiben, im Leben und beim Sex." Auch wenn die verführerische Femme Fatale noch nicht gänzlich rehabilitiert ist, ist der Begriff glücklicherweise auf dem besten Weg, zum Relikt zu werden.

Sie hat Bock

Nobelpreisträgerinnen: Diese Frauen haben Literaturgeschichte geschrieben.

Der Inbegriff selbstloser Liebe: Die Mutter

Das Bild der Mutter steht im starken Kontrast zur Hexe und Femme Fatale. Dieser Archetypus zeichnet sich schließlich durch bedingungslose und selbstlose Liebe aus. Zudem gilt die Mutter als asexuelles Wesen. Die bekannteste Mutter der Welt? Na klar: die Jungfrau Maria – die ihren göttlichen Sohn laut biblischer Legende ganz ohne schmuddeligen Akt empfing.

Dieses heilige und unantastbare Weiblichkeitsbild überdauerte in Form zahlloser fiktiver und geschichtlicher Figuren die Jahrhunderte. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt das Mutter-Dasein in unserer Kultur als zentrale Lebensaufgabe jeder Frau - bis sich der Wind mit der ersten Welle des Feminismus in den 60ern langsam drehte. Plötzlich wurde es für Frauen akzeptabel, auch ein Leben neben dem Nachwuchs zu haben. Der bisher sterilen Mutterfigur wurde außerdem auch eine sexuelle Seite zugestanden – wie das Aufkommen der MILF („Mom I'd Like to Fuck“, übersetzt: „Mama, die ich gerne ficken würde“) in der Popkultur der 90er Jahre beweist.

Doch am Kern des Archetypus wurde bis vor wenigen Jahren nicht gerüttelt. Nämlich: der natürlichen Liebe zum Nachwuchs, die jeder Frau gegeben ist und die zum erfüllten weiblichen Dasein gehört. Bis die Soziologin Orna Donath 2015 in einer heute weltweit bekannten Studie offenbarte, dass manche Mütter keine absolute Erfüllung im Nachwuchs finden und diesen sogar bereuen. Wie bitte? Nicht jede Frau ist zur glücklichen Mama geboren?

Ja, tatsächlich. Ein Fakt, der lange als Tabu galt – und dessen Offenlegung viele Frauen entlastet. Der Begriff Regretting Motherhood verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wurde hierzulande von feministischen Stimmen wie Margarete Stokowski, Mareice Kaiser und Birgit Happel populär diskutiert. So ist das Weiblichkeitsbild der Mutter heute so vielschichtig und aufgeladen wie nie zuvor.

Mutter der Nation: Politikerinnen, die den Ton angeben.

Auf Kosten der Mütter

Enthaltsamkeit schenkt Macht: Die Jungfrau

Die Jungfrau beherrscht die Kunst schon seit der Antike. Schließlich wurden die enthaltsamen Gottheiten Artemis, Athene und Hestia schon von Homer und Ovid beschrieben. Die Jungfräulichkeit wurde von den Griechen dabei als eine der höchsten Tugenden verehrt. Ein Trend, der lange währte und im christlichen Kulturkreis ebenfalls in der biblischen Maria seine bekannteste Inkarnation fand.

Ihre moralische Überlegenheit verleiht der Jungfrau übermenschliche Kraft und Macht. Die historische Johanna von Orléans ist nur ein Beispiel für diese Verknüpfung. Auch die enorme Popularität Greta Thunbergs lässt sich zum Teil durch diese tradierte Jungfrauen-Verehrung erklären. Die magische Fähigkeit des Hymens überlebte im Hollywoodfilm sogar bis in die 1980er Jahren. So konnten nur jungfräuliche Heldinnen Mörder und Monster bezwingen.

Doch auch dieser Mythos bröckelt. Der weibliche Körper wird nicht länger verklärt, sondern zunehmend ebenso sachlich behandelt, wie der männliche Körper auch. Endlich werden Krankheiten wie Endometriose als solche erkannt und behandelt und nicht mehr tabuisiert oder als weibliche Überempfindlichkeit abgetan. Und auch die weibliche Lust wird heute weitestgehend akzeptiert. Das Ergebnis: Heute überlebt im Horrorfilm auch mal eine sexuell aktive Heldin. Wie schön.

In der Regel bin ich stark

10 Bestseller-Autorinnen und ihre packenden Geschichten.

Von der Göttlichen zum Ärgernis: Die Diva

Der Frauentypus „Diva“ entspringt der Unterhaltungsindustrie. Erstmals wurde der Begriff im 18. Jahrhundert verwendet, um bedeutende Frauen der Bühne auszuzeichnen, etwa gefeierte Opernsängerinnen oder Schauspielerinnen. Zu den populärsten Diven zählten Mitte des 20. Jahrhunderts Maria Callas und Greta Garbo. Aber: Was als Auszeichnung für besondere Leistungen und Ausnahmetalente begann, wandelte sich langsam zum Schimpfwort. Boulevard-Presse und Fernsehen kratzten am Lack der göttlichen Entertainerin. Darunter fanden sie Hochmut, Arroganz und exzentrische Anmaßung sowie menschliche Abgründe und Tragödien.

Doch die Ehrenrettung der Diva naht. Feministische Musik-Ikonen der Gegenwart wie Lady Gaga und Beyoncé bezeichnen sich heute stolz als Diva – letztere brachte sogar eine gleichnamige Single heraus. Die moderne Diva steht damit wieder vor allem für Erfolg. Erfolg, den moderne Frauen am internationalen Frauentag selbstbewusst und stolz feiern. Auch wenn in punkto Gleichberechtigung definitiv noch viel zu tun ist. Aber ein Blick auf die Weiblichkeitsbilder der Vergangenheit beweist: Der Wandel ist nicht aufzuhalten.

Die Diva

Ein Bild von einer Frau: Weiblichkeit zwischen Sex und Gender

Nicht jede Frau wächst als Mädchen auf. Manche muss sich erst von einer unpassenden Geschlechterzuschreibung befreien. Die Gesellschaft gesteht in kleinen Schritten Transpersonen mehr Rechte zu – doch bis sie gleichgestellt mit Cis-Personen leben werden können, ist es noch ein langer Weg. Auch die erreichten Fortschritte werden nicht von allen begrüßt. Der „Trans-ausschließende radikale Feminismus“, kurz „TERF“, spricht transgeschlechtlichen Personen ihre Rechte, ihre Existenz und ihre Sichtbarkeit ab. Einige Transaktivistinnen nutzen den Weltfrauentag daher, um Cis-Frauen zu mehr Schwesterlichkeit aufzufordern.

Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau

In ihrem sehr persönlichen Buch nimmt Phenix Kühnert, die als Model und LGBTQIA+-Aktivistin arbeitet, uns mit auf ihren Weg in ein glückliches, selbstbestimmtes Leben als Frau. „Ich war nie ein Mann, bei meiner Geburt wurde mir das männliche Geschlecht zugewiesen und ich habe mich – dem angepasst – gesellschaftlich typisch männlich präsentiert“, stellt die Autorin in Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau klar. Und zeigt auf, wie wichtig ein offenes und verständnisvolles Umfeld ist, damit Transmenschen frei und selbstbestimmt leben können.

Who run the world? Girls! Mehr über starke Frauen in Kunst und Kultur.

Nicht nur zum Weltfrauentag: Biographien starker Frauen

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