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Krimiautor Robert C. Marley: „Ich habe eine Theorie, wer Jack the Ripper war“

Krimiautor Robert C. Marley: „Ich habe eine Theorie, wer Jack the Ripper war“

Sie sind ein vielfältiger Typ: Krimiautor, Goldschmied, Mitglied des magischen Zirkels. Außerdem haben ein privates Kriminalmuseum und lehren Selbstverteidigung. Haben all diese Leidenschaften etwas gemeinsam?

Sie sind alle sehr interessant! (lacht) Meine Hauptleidenschaft ist aber tatsächlich das Schreiben. Ich habe mit 16 meinen ersten Roman an Lübbe geschickt und eine lange Antwort von einem Lektor bekommen, der das Manuskript gelobt und mich zum Weiterschreiben motiviert hat. 2000 habe ich mein erstes Buch veröffentlicht. 2014 habe ich dann mit der Inspector-Swanson-Reihe angefangen, weil mich viktorianische Krimis schon immer interessiert haben.

Was die Zauberrequisiten betrifft: Ich wollte nicht immer nur Ringe und Armreifen herstellen. Mein Bruder ist Zauberkünstler, also habe ich ihm zu Weihnachten ein paar Utensilien angefertigt. Die gefielen auch anderen Zauberkünstlern gut. So haben wir 1998 auf der Weltmeisterschaft der Zauberkunst ausgestellt. Dort lernten wir Siegfried und Roy kennen, die dann bei uns einkauften.

Inspector Swanson und der Magische Zirkel

Sie geben auch Selbstverteidigungskurse für Kinder – eine Möglichkeit, etwas gegen das Böse zu unternehmen?

Wahrscheinlich. Ich bin ja viel mit Polizisten in Kontakt, lese über Kriminalfälle und denke immer gleich das Schlimmste. Man kann ein bisschen paranoid werden. Aber das Böse kommt nicht im Lieferwagen angefahren. Meist ist der Täter ganz nah: ein Onkel, der Vater oder die Oma. Das ist erschreckend.

In Ihrem Fall war es aber tatsächlich wie im Krimi. Sie sind davon überzeugt, dass Sie als Jugendlicher dem berüchtigten Zodiac-Killer entkommen sind.

Ja. Ich bin mit 15 mit meinem Vater in die USA geflogen, um den Drehort der Fernsehserie „Trio mit vier Fäusten“ anzusehen. Das war in King Harbor bei Los Angeles. Mein Vater setzte sich irgendwohin und angelte und ich schaute mir alles an. Da sprach mich ein Mann in gebrochenem Deutsch an. Ich wollte damals Journalist werden und in den USA arbeiten. Daraufhin telefonierte er, schrieb etwas auf einen Bierdeckel und sagte mir, wir könnten sofort zu einem Bekannten von ihm fahren, der bei einer deutschsprachigen Zeitung arbeiten würde.

Sie sind damals zum Glück nicht mitgegangen.

Nein. Aber ich habe diesen Bierdeckel aufgehoben. Später habe ich mich viel mit Verbrechen beschäftigt. Eines Tages fiel mir auf: Diese Handschrift kenne ich. Tatsächlich ist die Handschrift auf dem Bierdeckel dieselbe, die der Zodiac-Killer in seinen Briefen an die Presse benutzt hat. Ich habe damals mit dem führenden Experten für den Zodiac-Killer Kontakt aufgenommen, der mir das bestätigt hat. Es gibt ja einen Verdächtigen und der sah tatsächlich so aus, wie ich den Mann in Erinnerung habe.

Zodiac

Den Helden Ihrer Krimi-Reihe, Inspector Swanson, gab es wirklich – wie haben Sie ihn entdeckt?

Mit 15, 16 habe ich angefangen, viel über Jack the Ripper zu lesen. So bin ich auf Chief Inspector Donald Sutherland Swanson gestoßen, der damals die Ermittlungen geleitet hat. Aber in allen Filmen und Sachbüchern steht immer Chief Inspector Abberline im Mittelpunkt, der vor Ort ermittelt hat. Das hat mich immer ein bisschen geärgert. So bin ich auf die Idee gekommen, einen Roman über Swanson zu schreiben. Der Dryas-Verlag hatte Interesse. Als der erste Band draußen war, bekam ich über meine Verlegerin eine Mail von Swansons Urenkel. Er lud mich zu sich ein und von da an standen wir regelmäßig in Kontakt – leider ist er letztes Jahr an Covid-19 gestorben. Doch seither darf ich das Familienarchiv mit privaten Briefen von Sutherland nutzen und kann diese Figur so sehr lebendig gestalten.

Inspector Swanson und der Fluch des Hope-Diamanten

Wieviel in Ihren Krimis ist Fiktion, wie viel ist historisch verbürgt?

Ich recherchiere exzessiv. Die Eckdaten sind historisch korrekt, bis hin zum Wetter. Ebenso bestimmte Verhaltensweisen. Swanson war Freimaurer. Als solcher war er tolerant und hatte ein für die Zeit fortschrittliches Frauenbild. Auch die Fragen nach Schuld und Sühne sieht er anders als die meisten Menschen zu seiner Zeit. In meinem Romanen spielen viele historische Figuren mit, Oscar Wilde und Arthur Conan Doyle zum Beispiel. Wenn ich nun Oscar Wilde und Inspector Swanson eine Freundschaft andichte, kann ich das machen, weil bekannt ist, dass auch Wilde Freimaurer war. Da gab es also eine Vertrauensbasis, gemeinsame Werte. Ich weiß das, weil ich selbst Freimaurer bin.

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Was fasziniert Sie persönlich am viktorianischen England?

Ich habe eine romantisierte Sicht auf Großbritannien, geprägt durch Sherlock-Holmes-Verfilmungen, Edgar-Wallace-Filme, Miss Marple und Lord Peter Wimsey. Meine Mutter sah das gerne und ich durfte mitgucken. Ich fand diese Landschaft großartig, die Architektur, das Kopfsteinpflaster, die Droschken. Und dann haben da all diese interessanten Menschen gelebt: Oscar Wilde und Arthur Conan Doyle, Charles Dickens, H. G. Wells.

Außerdem war es eine Epoche großer Umbrüche.

Die Initialzündung für die Industrialisierung, ja. Plötzlich gab es Maschinen, die das Leben viel leichter machten. Oder Dampfloks – mein Großvater war Lokfahrer, der fuhr auch noch solche alten Lokomotiven. Wenn man sich viktorianische Pubs anschaut: Die sind ja heute noch schön, aber wie wunderschön müssen sie damals gewesen sein! Samuel Johnson hat mal gesagt: „Wenn Jemand Londons überdrüssig ist, ist er des Lebens überdrüssig.“

Was ist Ihr Lieblingsort in London?

Wenn ich nach London reise, gehe ich gerne in einen Pub, der heißt „Ye Olde Cheshire Cheese“ und steht da seit 1667. Wer da alles über die Schwelle gegangen ist! Da denke ich manchmal: Hätte ich doch nur eine Zeitreisebrille, dann könnte ich sie da an der Theke stehen sehen, wie sie sich unterhalten. Es ist, als hätte die Umgebung, die Wände, die Decken, die Präsenz dieser Menschen gespeichert. Faszinierend – ich kann gar nicht aufhören, davon zu schwärmen.

Es gibt aktuell einen richtigen Boom an viktorianischen Krimis-Serien, etwa Enola Holmes, Carnival Roald, The Alienist, Taboo, Penny Dreadful, Ripper Street… Was macht diese Epoche als Kulisse für Krimis so attraktiv?

Das ist erstaunlich. Penny Dreadfuls nannten sich die kleinen Heftromane, die in der viktorianischen Zeit sehr beliebt waren. Sweeny Todd zum Beispiel ist eine Geschichte aus einem dieser Hefte. Angefangen hat der Boom an viktorianischen Krimis aber viel früher. Ich glaube, Anne Perry war die Erste. Sie hat in den 70er Jahren diese Zeit wiederentdeckt. Für viele hat diese Faszination wohl einmal mit Sherlock Holmes angefangen.

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Der Würger von der Cater Street

Heute interessieren sich Autoren besonders für die ärmeren Gegenden des viktorianischen Londons.

Gerade der Kontrast zwischen der Upper Class und der Arbeiterklasse ist spannend. Damit kann man als Autor gut spielen. Während die Oberschicht richtig Geld hatte, mussten die Arbeiter von wenigen Pennies leben. Das East End war bettelarm – daneben war das reiche Bankenviertel. Die spannenderen Geschichten sind ja meistens auch die, in denen der Held Steine in den Weg geschmissen bekommt.

Erzählen Sie uns etwas über die Anfänge der Polizeiarbeit zu dieser Zeit?

Das fing mit dem Richter Henry Fielding an. Der stellte eine Truppe namens „Bow Street Runners“ zusammen hat, die in den Straßen patroullierten. Die einzige Voraussetzung, um dort mitzumachen, war, dass man ein rotes T-Shirt besaß. Das war der erste Versuch, London sicherer zu machen. 1829 kam der damalige Innenminister Robert Peel und gründete in einem kleinen Haus am Scotland Yard die erste organisierte Polizei. Die wurden von der Bevölkerung erstmal nicht gerne gesehen. Sie trugen diese hohen Hüte und Schlagstöcke – das machte den Leuten Angst.

Doch im Laufe der Zeit entwickelte sich Scotland Yard zu einer gut funktionierenden Kriminalistik-Maschine. Diese ganze Entwicklung finde ich persönlich sehr spannend. 1880, zur Zeit der Ripper-Morde, konnte man Schweineblut ja noch nicht von Menschenblut unterscheiden. Die Chinesen haben ihre Dokumente schon viel früher mit ihren Fingerabdrücken unterschrieben, aber in Europa wurde erst 1905 zum ersten Mal ein Täter durch seinen Fingerabdruck überführt.

Einer Ihrer Krimis handelt von der Jagd nach Jack the Ripper. Wieso fasziniert gerade dieser Fall bis heute?

Diese Mordserie fängt ganz plötzlich an und hört nach 10 Wochen genauso plötzlich wieder auf. In dieser Zeit hat der Täter fünf – vielleicht auch mehr – Frauen ermordet. Besonders schockierend war, dass er sie regelrecht ausgeweidet hat. Sein letztes Opfer hat er vollkommen zerstört. In einem Fall hatte der Täter nur 15 Minuten Zeit, um den Mord zu verüben. Denn am Tatort, dem Mitre Square, patroullierte im Viertelstundentakt ein Constable Watkins. Trotzdem konnte er entkommen. Die Viktorianer dachten deswegen, dass der Täter Mediziner war. So kursierten verschiedene Theorien und es entstand dieses Bild eines Täters mit übermenschlichen Fähigkeiten – weil er eben immer schon weg war, wenn die Polizei kam. Es gibt Gerüchte, dass man bei Scotland Yard weiß, wer Jack the Ripper war und man seine Identität geheim hält.

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Inspector Swanson und der Fall Jack the Ripper

Auch Sie haben eine Theorie, die Sie in Ihrem Krimi darstellen.

Ich habe einen Freund in England, Stewart Evans. Er ist der führende Experte für Jack the Ripper. Normalerweise sagt er zu jeder neuen Theorie: „Nonsense!“ Als ich ihm meine Theorie geschildert habe – die vollkommen neu ist – sagte er: „Das ist mal interessant.“ Vielleicht ist es auch nicht die richtige Lösung – aber es ist eine Theorie, in der alle Fakten zusammenpassen. Wenn man sich mal anschaut, wie die Mordschauplätze verteilt sind, wird man erkennen, dass sich daraus ein christliches Kreuz ergibt. Das allein ist schon kurios. Aber mehr will ich jetzt gar nicht verraten.

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Auf der Suche nach mehr zeitgenössischen Autoren, die sich auf viktorianische Krimis spezialisiert haben? Ein Beispiel ist Deanna Raybourn, die mit ihrer Veronica-Speedwell-Mysteries-Reihe eine faszinierende Welt voller Intrigen und Mysterien geschaffen hat. Auch die Schriftstellerin Anne Perry hat sich mit ihren historischen Kriminalromanen einen Namen gemacht, in denen sie geschickt reale Ereignisse und historische Persönlichkeiten mit fiktiven Charakteren verwebt. Mit "Scotland Yard's Murder Squad" hat Alex Grecian eine packende Krimireihe ins Leben gerufen, die im viktorianischen London spielt und von einem Ermittlerteam des Scotland Yard handelt. Ein weiterer Autor, der in diesem Genre erfolgreich ist, ist Caleb Carr mit seinem Roman "The Alienist", der im New York des 19. Jahrhunderts spielt und einen eindrucksvollen Einblick in die damaligen Polizeimethoden bietet. Diese zeitgenössischen Autoren haben es geschafft, die düstere Atmosphäre und den Charme der viktorianischen Epoche in ihren Krimis einzufangen und bieten somit eine gelungene Abwechslung zu den klassischen viktorianischen Krimiautoren.

Auch in diesen historischen Krimis verbinden sich Fakten und Fiktionen zu fesselnden Geschichten.

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