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"Die dunkle Seite hat mich immer angezogen"

"Die dunkle Seite hat mich immer angezogen"

Am 20. Juli erscheint Ihr Romandebüt. Wie fühlen Sie sich?

Ich bin sehr aufgeregt, weil ich jetzt seit vierzehn Jahren Hörspiele schreibe und immer dachte, ich könnte gar keinen Roman schreiben.

Sie sind als Hörspielautor sehr erfolgreich. Warum der Medienwechsel?

Das war der Pandemie geschuldet – und Ernest Hemingway. Ich wollte schon immer gerne einen Roman schreiben. Aber als ich es versucht habe, habe ich festgestellt, dass ich für eine Normseite fünf bis sechs Stunden brauche. Kollegen von mir schreiben acht bis zehn Seiten am Tag. Da dachte ich: Ich brauche gar nicht erst anzufangen. 2020 habe ich irgendwo gelesen, dass Ernest Hemingway eine Seite am Tag geschrieben hat. Das schien mir machbar. Also habe ich meine Frau und einen Freund gefragt, ob wir nicht jeder eine Seite am Tag schreiben wollen. In einer WhatsApp-Gruppe haben wir uns gegenseitig motiviert. Der Plan war, dass wir in einem Jahr jeder ein Buch mit 365 Seiten haben. Also habe ich 2020 jeden Tag vormittags von 9 Uhr bis zum Mittagessen an meinem Roman geschrieben. Nachmittags schrieb ich die zehn Folgen der dritten Staffel von "Ghostbox".

Wie ging es weiter?

Ich habe einen Verlag gefunden – DTV – und im Februar 2021 den Vertrag unterschrieben. Dann musste ich noch mal anderthalb Jahre warten. Das war ich gar nicht gewöhnt, weil im Hörspielbereich alles viel schneller geht. Groblektorat, Feinlektorat, Covergestaltung, Klappentext – im Buchbetrieb wird den Sachen noch Zeit gegeben. Das habe ich zu schätzen gelernt.

Worum geht es in Ihrem Buch?

Die Geschichte handelt von einem 16-jährigen Mädchen, Juno. Sie lebt mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder auf einer einsamen Insel in einem See. Dort versteckt sich die Familie seit zwölf Jahren. Denn am anderen Ufer im Wald leben die sogenannten „Fremdlinge“, die Rache am Vater geschworen haben. Mit 16 möchte Juno eigentlich gerne wissen, was auf der anderen Seite des Sees ist. Und dann macht sie eine Entdeckung, mit der sie nicht gerechnet hätte.

Als das Böse kam

Als erfahrener Thrillerfan fragt man sich gleich: Gibt es diese Fremdlinge überhaupt – oder hat der Vater ein anderes Motiv, die Kinder von der Welt fernzuhalten?

Genau. Am Anfang weiß man nicht genau, ob die Eltern den Kindern die Wahrheit erzählen. Ich bin sehr filmgeprägt und kenne dadurch ähnliche Ausgangssituationen. Damit spiele ich im Buch. Als Leser fragt man sich: Was ist das große Geheimnis, was steckt hinter all dem? Das Buch ist aus Junos Perspektive erzählt – dadurch entsteht die große Spannung. Als erwachsener Leser ist man ihr einen Schritt voraus und denkt oft: Tu’s nicht!

Ihr Buch wird mit „The Village“ verglichen. Für alle, die den Film nicht kennen: Was erwartet uns?

Das Setting ist anfangs tatsächlich ein bisschen wie in „The Village“. Es gibt eine Gemeinschaft, die von der Außenwelt isoliert ist, aber keine zeitliche Einordnung. Die Protagonisten dürfen in „The Village“ nicht in den Wald gehen und die Farbe Rot ist verboten. „The Village“ ist aber eher Mystery – mein Buch ist auf jeden Fall ein Thriller. Allerdings gibt weder einen Kommissar noch die Polizei und auch keinen Serienkiller. Ich entwickle meine Geschichten gerne so, dass ich mein Publikum überrasche. Lustigerweise gibt es gar nicht so viele Twists in dem Buch. Ich kann natürlich nicht verraten, worum es geht, aber meine Inspiration war eher Shirley Jacksons "Wir haben schon immer im Schloss gelebt".

Wir haben schon immer im Schloss gelebt

Das Buch heißt „ Als das Böse kam“. Was ist für Sie das Böse? Woher kommt es?

Ursprünglich lautete der Titel „Als das Fremde kam“. Da war noch mehr Doppeldeutigkeit drin. Denn das spielt zum einen auf die Fremdlinge im Wald an, zum anderen aber auf den Eintritt ins Erwachsenenalter. Das Böse ist hier ein Synonym für die andere Seite. Juno wächst auf der schönen Seite des Lebens auf, mit Angeln und Gesellschaftsspielen. Die Eltern versuchen, das Böse von den Kindern wegzuhalten. Aber mit dem Eintritt ins Jugendalter steigt der Reiz, das Böse kennenzulernen.

Sie hatten in Deutsch in der Schule eine Fünf, sind aber trotzdem erst Werbetexter, dann Hörspiel- und jetzt Romanautor geworden. Was braucht es, um gute Geschichten zu erzählen?

Ich habe schon immer gerne Geschichten erzählt. Wenn Freunde bei mir übernachtet haben, habe ich Geistergeschichten erzählt. Ich habe auch gerne gelesen. Aber durch die Deutschlehrerin, die mir diese schlechte Note gegeben hat, habe ich wirklich an mir gezweifelt. Ich bin über Werbe- und Kurzfilme eher zufällig zum Hörspiel gekommen. Dabei wurden meine Geschichten immer länger...

...und immer gruseliger.

Mich hat immer die dunkle Seite angezogen. Ich habe als Kind für meine Freunde eine Geisterbahn auf dem Dachboden gebaut. Ich habe mit Tarotkarten experimentiert; mit zwölf Jahren Gläserrücken ausprobiert. Ich war auch schon immer für die Bösen. Bei den James-Bond-Filmen war ich immer traurig am Ende, wenn der Held in den letzten sieben Sekunden die Welt rettete. Ich wollte immer wissen, was passiert, wenn der Böse gewinnt.

Ghostbox. Der Tod ist nicht das Ende

Schreiben Sie eines Tages ein Hörspiel, in dem die Bösen gewinnen?

Ich möchte eigentlich Happy Ends erzählen. Meine Geschichten sind wie eine Fahrt mit der Geisterbahn. Ich reiche dem Hörer die Hand und sage: Okay, vertrau mir. Du erlebst ein Abenteuer, siehst den Abgrund – aber du kommst am Ende heil wieder raus. Ich glaube tatsächlich, dass das wichtig ist. Aber vorher muss schon einiges passieren. Wer das Hörbuch beendet, soll sich sagen: Ich hatte eine spannende Zeit, aber mir geht es gut.

Als Hörspielautor sind Sie ein alter Hase, als Romanautor wieder Anfänger. Was war anders, was war herausfordernd?

Der Roman ist für mich wirklich eine neue Welt. Obwohl das mit dem alten Hasen natürlich stimmt. Als ich mit Hörspiel angefangen habe, gab es noch nicht so viele Hörspiele für Erwachsene. Dagegen gibt es aber eine Flut an Büchern. Da sind so viele Kolleginnen und Kollegen, von denen ich lernen und zu denen ich aufschauen kann. Das erfüllt mich mit Freude. Während ich "Als das Böse kam" schrieb, habe ich nicht gewusst, ob das gut ist, was ich da mache. Jetzt ist das Buch der DTV-Spitzentitel für den Herbst. Damit hätte ich nie gerechnet. Ich kokettiere nicht: Ich hatte ein wirkliches Schreibtrauma, was Romane angeht.

Werden Sie jetzt nur noch Bücher schreiben? Sagen Sie bitte nein!

Ich werde weiterhin Geschichten erzählen. Für mich ist der Weg jetzt einfacher geworden. Die Hörspiele, die ich für Audible geschrieben habe, gibt es eben nur als Hörspiel. Daraus werden keine Bücher entstehen. Umgekehrt ist der Weg viel einfacher. Wenn ich ein Buch habe, kann ich daraus ein Hörbuch, ein Hörspiel und einen Film machen.

Monster 1983: Die komplette 1. Staffel

Sie kommen gerade aus Berlin zurück - was haben Sie bei Audible im Tonstudio gemacht?

Ich habe die Regie für das Hörbuch gemacht. Die Geschichte wird aus der Perspektive der 16-jährigen Juno erzählt, also brauchten wir eine Schauspielerin mit einer jungen Stimme. Die Wahl ist auf Luisa Wietzorek gefallen. Wir haben viel über die Figur gesprochen, das war spannend. Mir war es sehr wichtig, wie mein erster Roman klingt. Und es war mir wichtig, dass er bei Audible erscheint, weil wir die letzten sechs Jahre schon so intensiv zusammengearbeitet haben.

Sie haben in einem Interview verraten, dass der Erfolg für Sie nicht über Nacht kam. Woher haben Sie die Kraft genommen, schwierige Phasen zu überstehen?

Das ist eine tolle Frage, denn die Leute sehen ja nur das Endergebnis – nicht den Entstehungsprozess mit seinen Aufs und Abs. Ich bin Sternzeichen Skorpion. Der hat Ehrgeiz und eine Vision. Dazu kommt Gottvertrauen. Diese ganzen Tiefschläge waren nicht leicht zu verkraften – besonders, wenn man Freunde hat, die viel Geld verdienen, Familien gründen, Häuser bauen. Und man selbst lebt für die Kunst. Ich musste viel Werbung nebenher machen, um überhaupt Geld zu verdienen. Aber durch Tiefschläge habe ich gelernt, nicht aufzugeben. Es gab die Möglichkeit, ganz in die Werbung zurückzugehen. Aber ich wusste, dass ich dann mein Ziel nicht mehr erreiche. Denn dann hätte ich wieder viel Geld verdient und der Traum wäre zum Hobby mutiert. Mir ging es nie ums Geld, ich wollte immer meine Vision verwirklichen.

Werden Sie sich den Traum vom Langfilm eines Tages noch erfüllen?

Für die beiden Serien "Monster 1983" und "Ghostbox" sind jetzt tatsächlich die Filmrechte verkauft. Ich wurde gefragt, ob ich die Regie machen möchte und habe mir das auch überlegt. Tatsächlich brauche ich das aber nicht mehr. Ich habe über die Jahre festgestellt, dass es mir am meisten Spaß macht, Geschichten zu entwickeln. Am liebsten so viele wie möglich. Darum ist in meinem ersten Roman auch schon die Leseprobe für meinen zweiten Roman drin.

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