Diese Woche stand uns der Hörbuchsprecher Helmut Krauss für Audible Backstage Rede und Antwort. Helmut Krauss ist einer der beliebtesten Sprecher Deutschlands, der vielen als die Stimme des Löwenzahn-Nachbarn „Paschulke“ bekannt ist. 2010 wurde er von 5.500 Teilnehmern der Audible-Sprecherwahl für das Fantasy-Epos “Das Rad der Zeit” von Robert Jordan als Gewinner gekürt und spricht nun alle 34 Folgen des Mammut-Hörbuchs. Helmut Krauss lässt uns in seinem Interview ein wenig in den Alltag eines Hörbuchsprechers blicken, erzählt vom Beruf des Schauspielers und warum Sprache ihn so begeistert. Außerdem verrät er lustige Geschichten, die ihm passieren, weil er mit seiner Stimme auffällt und er spricht davon, dass er sehr gerne mal eine Oper inszenieren würde.
Helmut, hast du eigentlich nach all den Jahren immer noch Spaß an deiner Arbeit?
Und wie! Ich bin jetzt 73 und ich mache meinen Beruf, weil es mir Spaß macht. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals etwas gemacht habe, zu dem mir die Lust gefehlt hätte. Ich mag meine Arbeit immer.
Ab wann war für dich eigentlich klar, dass du Schauspieler werden wolltest?
Ich bin in Augsburg groß geworden, diese Stadt hat mich kulturell sehr geprägt. Wir waren vier Waisen und meine Tante hat uns großgezogen. Seit meinem 13. Lebensjahr habe ich begonnen, mich mit gelesener Literatur zu beschäftigen. Ich hatte zum Beispiel viele literarische Schallplatten. Ich machte dann in Garmisch Abitur und begann in Augsburg Pädagogik zu studieren. Doch dann wurde mir klar, dass ich nach Berlin, in die Theaterstadt musste.
Wie ging es dann in Berlin weiter?
Daran erinnerte ich mich neulich bei einer Hörspiel Aufnahme im RBB wieder. Dort, bzw. beim Vorgängerradio SFB, begann ich nämlich vor 50 Jahren als Sprecher. Erst war ich als Programmansager engagiert, später wurde ich auch Nachrichtensprecher. Dort habe ich also das Sprechen von der Pike auf gelernt.
Im TV kennt man dich auch als Nachbar Paschulke in der Kindersendung "Löwenzahn". Bist du vor allem dadurch bekannt geworden?
Ich bin kein typischer Promi, mit meinem Namen kann man nicht werben. Die Sendung Löwenzahn gibt es mittlerweile seit 34 Jahren und das ist sicherlich die TV-Sendung, aus der man mich vor allem kennt. Für mich war und ist es schön, so lange dabei zu sein. Wenn die Leute mich heute bei Veranstaltungen sehen, erkennen sie mich und bringen mir eine große Wärme entgegen, das ist schön.
Du hast lange Zeit in Berlin gelebt und wohnst seit einigen Jahren in deinem Haus im Harz. Wie kam es dazu?
Früher, als Westberliner, hatten viele ein Häuschen im Grünen. Bekannte aus Berlin hatten so ein Häuschen im Harz und ich habe mich dort als Zweitwohnsitz eingemietet. Später gingen die Bekannten zurück nach Berlin und ich habe das Häuschen im Harz dann ganz übernommen.
Dann hattest du den Umzug aufs Land lange so geplant?
Eigentlich war das eher so geplant: Ich wollte früher in den für mich schönsten Städten der Welt eine Wohnung und stellte mir damals Berlin, London, New York vor. Es kam dann ganz anders aber auch gut! Zeitweise hatte ich tatsächlich drei Wohnungen: Eine in Palma, eine in Berlin und dann die Ferienwohnung im Harz. Am Ende habe ich meine Finca sozusagen gegen das Fachwerkhaus getauscht.
Wie bist du eigentlich in den 1990er Jahren nach Mallorca gekommen?
Mein Partner aus der Serie Löwenzahn, Peter Lustig, wohnte auf Mallorca und ich besuchte ihn dort regelmäßig. Bei einem dieser Besuche erlebte ich einen ganz besonders schönen Morgen in einem Café in Palma. Es war so ein großartiger Moment, dass ich plötzlich auch den Wunsch hatte, dort zu leben. Es ist wohl das südliche Temperament, das es mir angetan hatte. Ich zog also nach Mallorca, schrieb weiterhin Synchronbücher und flog für das Synchronsprechen regelmäßig nach Berlin. Das war eine schöne Zeit.
Und dann bist du auch ganz schön lange dort geblieben…
Ja, es hatten sich weitere Arbeitsmöglichkeiten ergeben. Als die UFA die
TV-Serie Mallorca - Suche nach dem Paradies drehte, arbeitete ich dort als Schauspielcoach. Ich war vor Ort am Set mit den jungen Schauspielern. Diese Arbeit war wirklich toll, nur das Drehbuchlesen war schlimm. Soap-Drehbücher empfinde ich als Körperverletzung!
Mittlerweile arbeitest du wieder viel in Berlin. Kommst du gerne in deine alte Heimat?
Ja, sehr gerne. Ich nehme mir immer in der Nähe der Arbeit ein Hotel. Obwohl ich so lange in Berlin gelebt habe, lerne ich die Stadt nun von ganz anderen Seiten kennen. Großartig! Man bekommt einen neuen Blick auf die Bezirke und die Szene.
Gibt es Dinge, die für dich noch so sind wie früher?
Es gibt noch das Ballhaus Rixdorf oder die kleine Dorotheenstädtische Buchhandlung in der Turmstraße in Moabit. Dort mache ich auch hin und wieder eine Lesung. Dann gibt es im Sommer noch die Literatur-Dampferfahrt von der Berliner Geschichtswerkstatt, die ich auch regelmäßig mache. Das sind so meine Reste von der Berlin Kultur, die ich mir erhalten habe. Aber ich treffe mich auch mit Leuten, die nicht nur von alten Zeiten schwärmen, sondern mit denen man sich überlegt, was man mal wieder gemeinsam machen könnte.
Was hat dir in den letzten Jahren besonders viel Spaß gemacht?
Viel Freude hatte ich mit dem Tourneetheater Theater des Ostens, das Vera Oelschlegel geführt hat. Mit dieser Truppe war ich zwei bis vier Mal im Jahr unterwegs, jeweils mit ganz verschiedenen Stücken. Unterwegs zu sein, das ist Teil meines Lebens.
Für Audible hast du mehrere Jahre die 37-teilige Hörbuchreihe Das Rad der Zeit gesprochen. Wie war das für dich als diese Serie zu Ende ging?
Wenn so eine Zusammenarbeit zu Ende geht, ist das auch etwas traurig, schließlich sprechen wir von knapp 600 Audiostunden. Ich war für die Reihe Das Rad der Zeit von Robert Jordan oft bei Audible im Studio und es haben sich in dieser Zeit richtige Freundschaften entwickelt. Ich bin ja auch weiterhin im Studio. Mein Blick geht immer Richtung Zukunft. Die letzte Vorstellung im Theater spielt man auch schon mit dem Auge auf das nächste Stück. Aktuell ist ja gerade erst die Fantasy-Reihe von David Falk erschienen, die ich gelesen habe. Und ich freue mich auf alles, was noch kommt!
Dürfen wir damit rechnen, dass du noch viele weitere Hörbücher sprechen wirst?
Na und ob! Mich in ein Studio zu setzen und den Leuten etwas vorzulesen, das ist die Urform meines Berufes. Ich bin gerne der “ältere Erzähler”, denn ich kann mit meiner Stimme ein ganzes Erzähl-Universum eröffnen, das ist doch großartig! Ich wünsche mir einfach nur so lange zu arbeiten, bis man mich aus dem Studio oder von der Bühne trägt.