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Horst Lichter übers Schweigen und seinen „Yoga-Raum“

Horst Lichter übers Schweigen und seinen „Yoga-Raum“

Erst einmal: Wie geht es Ihnen momentan?

Also, mir geht es wirklich gut! Mir tut nichts weh, ich finde, das Wetter ist im Moment in Ordnung. Es kann hier und da sogar noch ein kleines bisschen mehr regnen, damit unsere Wälder noch ein bisschen gesünder werden. Ansonsten genieße ich aber jeden Sonnenstrahl.

Womit verbringen Sie gerade besonders viel Zeit?

Ich drehe „Bares für Rares“ und somit habe ich meine Tage recht gut ausgefüllt. Ich genieße es, abends zu Hause lecker zu essen, wenn ich von der Arbeit komme. Da hat mein Schatz gekocht, mein Hund wartet auf mich, dann gehen wir eine schöne Runde spazieren, erzählen uns ein bisschen was. Im Prinzip habe ich das erste Mal in meinem Leben, seitdem wir näher an den Drehort gezogen sind und ich nicht mehr pendeln muss, genau das, was viele Bürger auch haben: morgens zur Arbeit gehen, abends nach Hause kommen, den Feierabend bei Frau und Hund verbringen. Unsere Kinder sind ja groß, die Enkel sind klein. Ganz ehrlich, so kann das noch ein bisschen bleiben.

Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt, die für uns alle nicht unbedingt einfach waren?

Ja, wie habe ich diese erlebt? Wie viele andere auch. Ich durfte zum Glück arbeiten gehen, bis auf die ersten zwei Monate im ersten Lockdown. Wir sind in einem fantastischen Team, das wirklich sehr respektvoll und hervorragend miteinander umgegangen ist. Wir hatten zum Glück nicht einen einzigen Krankheitsfall.

Natürlich vermisst man die Dinge, die man früher als normal empfunden hat, die überall normal waren und hoffentlich bald wieder normal werden. Aber somit merkt man auch mal wieder, dass die Dinge, die man als gegeben ansieht, nicht immer gegeben sind. Ich hoffe, dass viele Menschen das nachher mit der nötigen Demut wahrnehmen.

Im Hörbuch erzählen Sie von der anfänglichen Corona-Phase, in der Sie kaum etwas zu tun hatten. Jetzt haben Sie ein neues (Hör-)Buch rausgebracht, führen dazu sicher viele Interviews, drehen viel. Genießen Sie das oder sehnen Sie sich nach dieser Zeit des Nichtstuns zurück?

Ich war seit meiner Kindheit nie derjenige, der am liebsten nur im Haus auf dem Sofa gelegen hätte. Ich musste immer irgendetwas tun, damit ich am Abend spüre, dass ich wirklich lebe. Ich habe mir auch die Zeit genommen, mich auszuruhen, auszuschlafen – zumindest die letzten Jahre. Aber ich habe ja das unglaubliche Glück, Dinge tun zu dürfen, die ich gerne mache, deswegen ist das für mich keine Belastung.

Ich bin dann mal still

In Ihrem neuen Hörbuch „Ich bin dann mal still“ erzählen Sie von Ihrer Zeit im Schweigekloster und dass es anfangs in Ihnen drin sehr, sehr laut war. Wie sind Sie damit umgegangen?

Da ich mich sehr bewusst auf dieses Projekt eingelassen habe, wusste ich, dass es nicht einfach werden wird. Ich wusste nur nicht, in welcher Form es schwer werden würde. Der Lärm in meinem Kopf nahm zu, weil man im normalen Leben nicht merkt, was alles so los ist im Kopf. Man wird ja ständig berieselt – vom Smartphone, vom Tablet, von den Menschen, mit denen man arbeitet, vom Fernseher, von der Musik, wenn man Auto fährt. Man hat ständig etwas, das auf einen eindringt. Und im Schweigekloster war auf einmal alles aus – und wenn alles aus ist, merkt man, wie die Gedanken rasen, wie man vom Höckchen aufs Stöckchen kommt. Und da musste ich erstmal ganz in Ruhe in mir sortieren. Ich habe mal was zu Ende gedacht. „Zu Ende denken“ hört sich jetzt sicher komisch an, aber heutzutage wird man so oft gestört, dass wir nie fertige Gedanken haben. Das hat mir sehr geholfen, das fand ich eine wunderbare Sache.

Was machen Sie jetzt, wenn der „innere Lärm“ zu belastend wird? Konnten Sie da im Kloster etwas für sich mitnehmen?

Ja, tatsächlich konnte ich viel mitnehmen. Ich schaffe es jetzt immer häufiger, Gedanken fertig zu denken. Wenn mich etwas umtreibt, beschäftige ich mich mit diesem einen Ding und lasse mich nicht ablenken. Denn viele Menschen suchen Ablenkung, um einen Gedanken wegzuschieben. Das mache ich nicht mehr.

„Wenn mich etwas umtreibt, beschäftige ich mich mit diesem einen Ding.“

Horst Lichter

Im Hörbuch erfahren wir viel über Sie, unter anderem, dass Sie Situationen gerne unter Kontrolle haben. Können Sie die Kontrolle auch mal abgeben?

Ich kann schon die Kontrolle abgeben. Andererseits habe ich die Dinge unter Kontrolle, weil ich weiß, an wen ich sie abgeben kann. Denn ich möchte irgendwo schon alles kontrollieren, das ist, glaube ich, auch Mentalitätssache. Wenn ich so überlege, fing das in der Küche mit 14 Jahren an: Da musste man all seine Töpfe im Blick haben, damit alle Gänge nachher perfekt auf den Tisch kommen. Wenn man das von Kind an lernt, kann man viele Dinge gleichzeitig machen. Das bereitet mir auch keinen Stress. Stress macht man sich nämlich selber und in dem Moment, in dem man in Stress gerät, gerät alles aus den Fugen.

Wie gehen Sie mit Situationen wie der Corona-Krise um, in der wir als Einzelne nur wenig machen konnten?

Vertrauen ist sehr wichtig, Vertrauen in unsere Politik, Vertrauen den Ärzten gegenüber, die sagen: „Passt auf Leute, wir wissen nicht genau, was es ist, wir schlagen erstmal Folgendes vor.“ Also habe ich genau das auch befolgt, ohne hörig zu sein. Ich mache mir auch meine Gedanken darüber. Man gibt sich nicht mehr die Hand, man umarmt nicht mehr jeden, man gibt keine Küsschen mehr bei der Begrüßung, wäscht sich öfter die Hände, hat eine andere Hygiene, trägt eine Maske. Aber ganz ehrlich, das ist für mich kein Leid, sondern eher ein Verzicht – ein Verzicht auf Dinge, die wir als alltäglich angesehen haben. Mit dieser Art zu leben hatte ich für mich die Kontrolle. Und ich habe das Vertrauen anderen gegenüber, die an den gehobenen Stellen sind, die anders gebildet sind, die mehr wissen. Wenn ich kein Vertrauen mehr habe, ja, dann ist „Nacht, Mattes“, wie wir in Köln sagen.

Keine Zeit für Arschlöcher! ... hör auf dein Herz

Gerade während der vergangenen Monate haben sich viele Menschen zu Wort gemeldet, sogenannte Experten, Corona-Leugner, Querdenker und Co. Könnten die alle auch mal eine Woche im Schweigekloster vertragen?

Also, ich würde mal sagen, definitiv! Aber vielleicht sollten sie zuerst in die Krisengebiete fahren, wo sich wirkliche Dramen abspielen, wo wirkliches Leid ist. Ich würde sie da helfen lassen. Und wenn sie zurückkommen, müssen sie 14 Tage ins Schweigekloster, damit sie das Erlebte verarbeiten, um danach in Ruhe vielleicht Entscheidungen zu treffen, die bedeutend sinnvoller sind als die, die sie teilweise treffen.

Was machen Sie, um zur Ruhe zu kommen?

Tatsächlich reichen mir ein paar Minuten allein, um zur Ruhe zu kommen. Und mein „Männeryoga“ hilft mir. Mein „Yoga-Raum“ ist meine Garage, ein Zufluchtsort, der das beinhaltet, was wirklich meine Leidenschaften sind. Ich liebe meine Bücher, meine Zeitschriften, meine Mopeds, meine Autos. Die zu putzen, die zu pflegen, zu basteln, mit Musik im Hintergrund – das ist für mich ein absoluter Traum. Wenn ich da drei, vier Tage gearbeitet habe, also wirklich körperlich gearbeitet, bin ich entspannter als die meisten, wenn sie nach vier Wochen Wellness zurückkommen – was mich eher stressen würde.

Ist Kochen etwas, bei dem Sie abschalten können?

Nein, Kochen war noch nie was, wobei ich abschalten konnte. Es war nie mein Hobby, es war mein Beruf und wenn man vernünftig kocht, muss man zwar die Ruhe und Kontrolle behalten, das ist aber eine logistische Höchstleistung. Mit viel Liebe, sonst schmeckt es nachher nicht. Das ist für mich nicht wie für einen Hobbykoch etwas, bei dem ich sage: „Ok, ich köpfe jetzt eine Flasche Wein und zelebriere das Essen und danach geht es mir sensationell.“ Nee, dann gehe ich eher in die Garage. Bei uns zu Hause kocht immer meine Frau.

Sie waren ja lange Zeit Fernsehkoch. Vermissen Sie Ihren ehemaligen Job?

Ich habe die Demut, um zu wissen, was für eine wunderbare Zeit ich als Fernsehkoch hatte, wie wir dort als Team Tränen gelacht haben, wie schön es gewesen ist. Und ich habe immer auf die Frage „Würden Sie das nochmal machen?“ geantwortet: Wenn morgen jemand mit einem sensationellen Konzept käme, bei dem ich sage, „Ja, da habe ich Lust drauf!“, dann würde ich auch wieder im Fernsehen kochen. Aber es gibt so viele fantastische Köche und auch junge, die nachgerückt sind. Ich würde nie weinen, wenn etwas aufhört. Es kommt etwas Neues. Das war eine tolle Zeit, und, Gott sei Dank, habe ich selbstbestimmt aufgehört.

Mit dem Besuch im Schweigekloster haben Sie ja gezeigt, dass Sie sich gerne mal auf Neues einlassen. Was würden Sie noch gerne ausprobieren?

So ein paar verrückte Sachen, die man sich als Kind erträumt hat. Sich zum Beispiel aufs Motorrad setzen und sagen: „Ich fahre einfach mal so lange, wie ich möchte, durch Neuseeland. Mehrere Monate, oder wenn ich dann nach einer Woche feststelle, es ist gut, dann ist es gut.“ Es gibt nichts, was ich wirklich vermisse, ich bin sehr zufrieden.

Ich habe im Buch einen Satz geschrieben, den habe ich früher mal einem Freund erzählt. Der war daraufhin sehr schockiert. Ich glaube, der verdeutlicht alles: „Wenn ich Bescheid bekäme, dass ich heute sterbe, wäre das in Ordnung.“ Daraufhin meinte mein Freund: „Was, bist du lebensmüde? Hast du keine Lust mehr?“ Ich sagte: „Nein, nein, nein du hast mich falsch verstanden.“ Ich habe so viel schöne Dinge erleben dürfen, ich habe so viel schlimme Dinge erleiden müssen. Ich habe geweint und das bitterlich, ich habe Tränen gelacht, ich habe geliebt, ich habe wunderbare Kinder und Enkelkinder. Ich habe mehr erreicht, als ich mir als Kind erträumt habe. Ich wäre demütig genug zu sagen, dass ich dann eben jetzt gehe. Ich könnte damit meinen Frieden machen, ich würde darüber nicht weinen, denn es ist alles geregelt.

Was aber nicht heißt, dass ich nicht gerne noch 30 Jahre dabei wäre. Denn da wird sich noch viel Schönes ergeben. Aber ich glaube nicht, dass etwas so außergewöhnlich Neues passieren würde, das ich es vermissen würde, wenn ich es nicht erlebt hätte.

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Fotocredit: Frank Hempel

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