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Interview mit Dirk Eilert: „Hannah Herbst, das bin ich“

Interview mit Dirk Eilert: „Hannah Herbst, das bin ich“

Ob es um den Wahrheitsgehalt von Trumps markigen Sprüchen geht oder darum, die Siegerin der TV-Sendung „The Bachelor“ vorauszusagen: Dirk Eilert kann in der Mimik und Körpersprache anderer Menschen lesen, wie in einem Buch. Genau wie Hannah Herbst, Protagonistin von Sebastian Fitzeks neuem Thriller „Mimik“. Das ist kein Zufall – denn die Idee zum Buch stammt ursprünglich von Eilert.

Herr Eilert, wie genau kam die Zusammenarbeit mit Sebastian Fitzek zustande?

Sebastian und ich haben uns 2015 bei einer TV-Ratesendung kennengelernt. Die hieß: „Vier Unschuldige und ein Todesfall.“ Sebastian sollte raten und ich war als Körpersprache-Experte eingeladen. Mein Traum war es damals schon, mit ihm zusammen einen Thriller zu schreiben, um das Thema Körpersprache einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Ich habe also Sebastian angesprochen und ihm bei einem Essen von meiner Idee erzählt. Er fand sie gut, hatte aber zunächst zu viel zu tun.

Eines Tages klingelte dann mein Handy. Sebastian war dran und sagte: „Ich habe eine Mega-Idee.“ Wenig später habe ich den ersten Entwurf gelesen und hatte eine Gänsehaut. Die Idee, dass die Protagonistin sich selbst in einem Video sieht, in dem sie einen Mord gesteht, an den sie sich nicht erinnern kann – das fand ich sensationell. Hannah Herbst muss sich selbst analysieren, um diesen Fall zu knacken. Mir war sofort klar: Das ist es.

Das heißt, Hannah Herbst ist so eine Art weibliche Version von Ihnen selbst.

Ja, Sebastian hat sie nach meinem Vorbild gebaut. Die drei Ebenen der Selbstanalyse, die die Protagonistin im Thriller durchläuft, finden sich so auch in meinem Buch wieder. Sebastians Thriller und mein Buch ergänzen sich also perfekt. Jedem, der „Mimik“ am 25. Oktober hören oder lesen möchte, empfehle ich vorher mein Buch. Denn der Genuss wird so noch größer.

Was dein Gesicht verrät

Ihre Studien haben gezeigt, dass Menschen im Durchschnitt jeden zweiten Gesichtsausdruck falsch interpretieren. Und das, obwohl uns das Deuten der Mimik angeboren ist. Wie kommt das?

Sprache ist erst 40.000 Jahre alt. Bevor wir Menschen sprechen konnten, waren wir Meister im Lesen der stillen Sprache. Kleine Kinder sind das auch heute noch – bis die vier apokalyptischen Reiter der nonverbalen Wahrnehmung kommen.

Klingt beängstigend – wer sind diese vier „apokalyptischen Reiter“?

Der erste Reiter ist der Spracherwerb. Sobald wir sprechen können, achten wir mehr auf den Inhalt des Gesagten als auf die Körpersprache. Der zweite ist übermäßiger Medienkonsum. Es gibt eine Studie, bei der man Jugendliche auf Elektronik-Diät gesetzt hat. Schon nach einer Woche gingen die Empathie-Werte nach oben. Das Gehirn funktioniert nach dem Prinzip „Use it or Loose it“.

Das bedeutet: Wenn ich nicht ständig interagiere – gerade in jungen Jahren – nimmt die Fähigkeit zur Deutung von Körpersignalen ab. Auch in der Erziehung sabotieren wir diese Fähigkeit ungewollt – das wäre der dritte Reiter. Etwa, wenn wir versuchen, unangenehme Dinge vor unseren Kindern zu verbergen. Beispiel: „Streitet ihr?“ „Nein, wir diskutieren nur!“. Kinder haben ein wahnsinnig feines Gespür für Spannungen. Der vierte sind die Körpersprache-Mythen.

Was für Körpersprache-Mythen sind das zum Beispiel?

Es gibt diesen Thriller mit Samuel L. Jackson, „Verhandlungssache“. Darin überführt er einen Verdächtigen, indem er auf die Blickrichtung achtet. Das ist leider Nonsens. Blickkontakt oder die Blickrichtung haben nichts damit zu tun, ob jemand lügt. Wer die Erfahrung gemacht hat, dass jemand, der lügt, den Blickkontakt unterbricht, neigt außerdem dazu, diese Erfahrung zu verallgemeinern – der klassische Bestätigungsfehler: Wir neigen dazu, nur das wahrzunehmen, das wir ohnehin glauben.

In Sebastian Fitzeks „Mimik“ gibt es keine Körpersprache-Mythen?

Nein, denn „Mimik“ ist ein wissenschaftlich fundierter Thriller. Jedes Signal, das in diesem Buch beschrieben wird, ist an der Wissenschaft ausgerichtet. Die Dinge, die Hannah Herbst macht, funktionieren auch in der Praxis.

Mimik

Kann jeder lernen, Mimik und Körpersprache richtig zu deuten?

Die Seminargruppen, die wir an der Eilert-Akademie trainieren, werden im Schnitt durch das Training stets besser darin, Mimik und Körpersprache zu entschlüsseln. Es mag mal ein Einzelner dabei sein, der sich nicht verbessert – wobei ich das in Präsenz-Seminaren noch nie erlebt habe. Die Frage ist hierbei natürlich auch, von welcher Basis aus ich starte. Entscheidend ist aber: Unser Gehirn ist hochgradig neuroplastisch. Trainieren wir etwas, lernen wir immer dazu – übrigens auch im Alter noch. Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ ist völliger Unsinn.

Woher weiß ich, wie gut ich im Erkennen von Mimik schon bin?

Die Forschungsabteilung der von mir gegründeten Eilert-Akademie hat einen wissenschaftlichen Emotionserkennungstest, den „READ-49“, entwickelt. Den können Sie auf www.read-test.com selbst machen. Die durchschnittliche Erkennungsfähigkeit liegt bei diesem Test bei 60 Prozent. Frauen sind ein bisschen besser als Männer – und Kinder sind deutlich besser als Erwachsene.

Mikroexpressionen dauern nur einen Sekundenbruchteil. Wie können wir sie überhaupt wahrnehmen?

Es ist keine Frage der Geschwindigkeit. Die Frage ist, ob ich die Zeichen in der Mimik richtig deuten kann oder nicht. Sich mit Mimik oder Körpersprache zu beschäftigen ist so, als würde man das Alphabet lernen. In den letzten zwanzig Jahren habe ich alle Studien zur Körpersprache zusammengetragen, die ich finden konnte.

Ich habe die mehr als 170 Signale der Körpersprache in acht Kanäle unterteilt. Ich nenne sie die „Big 8“ der Mimikresonanz: Mimik, Gestik, Kopfhaltung, Fuß-Bein-Verhalten, Körperhaltung, unbewusste Körpersignale, Stimme und zwischenmenschliches Bewegungsverhalten. In meinem Buch führe ich anhand von Anekdoten aus meiner Arbeit durch die acht Kanäle. Damit lernt man ganz nebenbei das „Periodensystem der Körpersprache“.

Ein Körpersprache-Mythos besagt, Lügner würden herumzappeln. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass das Gegenteil der Fall sei und belegen das ganz spannend am Beispiel von Markus Braun, dem ehemaligen Chef von Wirecard.

In einer Situation, in der viel auf dem Spiel steht, vermeiden wir alles, was den anderen misstrauisch machen könnte – etwa Berührungen im Gesicht oder das Herumzappeln. Um das zu unterdrücken, müssen wir uns sehr konzentrieren. Bei einer hohen Konzentration nimmt die Gestik aber ab. Wenn es um viel geht, werden Lügner in der Körpersprache also steifer.

Gibt es Menschen, die ihre Mimik und Körpersprache völlig unter Kontrolle haben?

Nein. Der Trick ist, auf mehrere Kanäle zu achten. Wenn jemand seine Mimik kontrolliert, wird vielleicht die Atmung schneller. Emotionen werden limbisch ausgelöst. Unser limbisches System ist direkt mit unserer Gesichtsmuskulatur verdrahtet. Nach 500 Millisekunden können wir eine Emotion unterdrücken – davor nicht. Diese sogenannten Mikroexpressionen im Bereich von bis zu 500 Millisekunden sind schneller als der Verstand.

Was hat Ihnen Sebastian Fitzek durch nonverbale Signale über sich selbst mitgeteilt?

Da muss ich überlegen, was ich sagen darf. Mir geht es nie darum, Menschen die Maske herunterzureißen. Es geht immer um Empathie. Darum, Menschen wirklich zu sehen und zu verstehen. Darum frage ich mich selten, was jemand verbirgt.

Dann stelle ich die Frage anders: Was ist Sebastian Fitzek für ein Typ?

Ich habe Sebastian als jemanden erlebt, der eine leidenschaftliche Freude an dem hat, was er tut. Seine Augen lachen, wenn er über seine Arbeit spricht. Den äußeren Augenringmuskel können wir bewusst nicht steuern. Der springt nur an, wenn wir uns wirklich freuen. Sebastian will, dass seine Leser vor seinen Geschichten sitzen und denken: „Wow, wie krass ist das denn bitte!?“.

Da kann es passieren, dass die Geschichte eigentlich schon fertig ist – und dann baut er mit lachenden Augen alles noch mal um, weil er eine noch bessere Idee hat. Gleichzeitig ist er bescheiden. Wenn man ihm Komplimente macht, zeigt er Verlegenheit. Trotz seines enormen Erfolges ist er zugänglich, zugewandt und am Boden geblieben. Er ist ein herzensguter Mensch. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir nicht nur gemeinsam berufliche Projekte umsetzen, sondern auch privat befreundet sind.

Sie selbst sind Sherlock-Holmes-Fan – was ist Ihr Lieblingsbuch mit dem Detektiv und warum?

In der Tat „Eine Studie in Scharlachrot“. Dieses Buch habe ich als Jugendlicher gelesen und es hat mich wirklich gepackt. Darin findet sich folgendes Zitat:

Eines Menschen geheimste Gedanken lassen sich aus einem plötzlichen Mienenspiel, dem Zucken eines Muskels oder dem Blick eines Auges erschließen. Es ist unmöglich, einen in Beobachtung und Analyse Ausgebildeten zu täuschen.

Vielleicht stünde ich ohne dieses Buch nicht da, wo ich heute bin. Aber wirklich entscheidend war ein anderer Moment, den ich auch in meinem Buch schildere. 2004 saß eine Klientin vor mir, die einen traumatischen Verlust erlitten hatte. Obwohl sie beteuerte, es ginge ihr besser, konnte ich an einer Mikroexpression in ihrem Gesicht erkennen, dass sie tieftraurig war. Ich sprach sie darauf an und sie gestand mir, dass sie Suizid-Gedanken hege.

Dieser Schlüsselmoment hat die Weichen für meine berufliche Karriere gestellt. Ich wusste an diesem Tag: Ich muss solche Signale sehen. Bis dahin hat das Thema Mimik und Körpersprache in den Coaching-Ausbildungen, die ich gemacht habe, in der Tiefe keine Rolle gespielt. Genau deshalb machen wir das bei uns in der Akademie anders. Mimik ist dort stets ein fester Bestandteil, den unsere Teilnehmenden lieben.

Eine Studie in Scharlachrot

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