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Autoren und ihre Pseudonyme: Wer ist er – und wenn ja, wie viele?

Autoren und ihre Pseudonyme: Wer ist er – und wenn ja, wie viele?

Paul Celan, Truman Capote, Jack London, George Sand, Françoise Sagan, Anna Seghers – keiner dieser Autoren schrieb unter seinem bürgerlichen Namen. Heutzutage sieht es nicht anders aus. Hinter vielen bekannten Namen – Rebecca Gablé, Iny Lorentz, Nora Roberts, Lars Kepler – steckt jemand anderes. Oder gleich mehrere Personen. Oder immer der gleiche Autor. Doch warum dieses Versteckspiel?

Wer unter Pseudonym schreibt, schreibt unter "falschem Namen" - so die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen. Eleganter formulieren es die Franzosen: "Nom de Plume" bedeutet "Name der (Schreib-)Feder".

Pseudonyme: Der Name als Marke

Ein Autorenname ist eine Marke und für die meisten Leser oder Hörer das ausschlaggebende Argument, ein Buch zu kaufen. Das heißt, der Name muss einprägsam und unter Umständen auch international vermarktbar sein – wie Coca Cola, Mercedes oder Adidas. Ingrid Krane-Müschen war sicher gut beraten, einen Künstlernamen zu wählen – Rebecca Gablé macht nicht nur auf deutschen Buchcovern etwas her. Horst Eckert, Heinz Günther? „Klingt nach nüscht“, würde der Berliner sagen. Janosch oder Heinz Konsalik dagegen? Deutlich besser.

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Bäumchen wechsle dich – Pseudonyme für andere Genres

Der produktive Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein hat etwa ein Dutzend Pseudonyme und schrieb schon Barbie-Bücher unter dem Namen Angela Bonella (ja, wirklich!) Das Beispiel ist deswegen so schön, weil sich jede Erklärung auf die Frage, warum er das tat, erübrigt. Autoren sind oft vielfältiger, als es ihren Lesern oder Verlegern lieb wäre. Der Thriller-Autor Sven Koch veröffentlicht seine süffigen Provence-Krimis lieber als Pierre Lagrange – der Glaubwürdigkeit wegen. Gestandene, in der Öffentlichkeit stehende Schriftsteller wie Helmut Krausser und Roger Willemsen haben unter Pseudonym ziemlichen Schweinkram verfasst. Und auch Clannon Miller möchte lieber nicht, dass ihre Mitarbeiter sie als Verfasserin heißer Romanzen kennen.

Interview mit Clannon Miller: „Ich renne nicht mit der Zorro-Maske herum“

Schutz der Privatsphäre – oder des Lebens

Die meisten Autoren machen kein riesiges Geheimnis aus ihren Künstlernamen. Bei einem kurzen Rückblick in den Spiegel der Geschichte zeigt sich dagegen: Manchen Schriftstellern war es überhaupt nur möglich, unter Pseudonym zu schreiben. Das Pseudonym kann eine Maske sein, hinter der sich – wie bei Batman – das verwundbare Normal-Ich versteckt. Das galt insbesondere in politisch brisanten Zeiten, etwa während der Aufklärung.

François-Marie Arouet kam im zarten Alter von 23 Jahren erstmals mit dem Gesetz in Konflikt und landete wenig später hinter den Gittern der berüchtigten Bastille. Er wäre wohl nie zu einem der Wegbereiter der Französischen Revolution geworden, hätte er sich nicht hinter etwa 160 verschiedene Decknamen verborgen und seine Gegner so an der Nase herumgeführt. Anders als viele seiner Kollegen starb er nicht unter dem Fallbeil, sondern friedlich nach 83 erfüllten Jahren. Wir kennen den französischen Essayisten und Philosophen heute als Voltaire.

Middlemarch

Gewichtige Gründe, sich ein Pseudonym zuzulegen, hatten auch Autorinnen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Unter ihrem richtigen Namen hätten sie ihre Romane entweder kaum verkaufen oder gar nicht publizieren können. So geschehen im Fall von Currer Bell alias Charlotte Brontë, Amantine-Aurore-Lucile Dupin de Francueil (George Sand) oder Mary Ann Evans, bekannter als George Eliot.

Frauen-Romantik, Männer-Action: Warum Frauen sich heute für männliche Pseudonyme entscheiden – und umgekehrt.

Heteronyme: Wechsel der Identität

Andere Autoren – Fernando Pessoa und Kurt Tucholsky etwa – schlüpften mit jedem Pseudonym in eine andere Rolle, so dass hier eigentlich von Heteronymen die Rede sein muss. Als Ignaz Wrobel griff Tucholsky die Weimarer Republik scharf an – so kratzbürstig wie der Name war auch diese Persönlichkeitsfacette des Autors. Als Theobald Tiger schrieb er dagegen Chansons, Erotisches und Kabarett-Nummern. Tucholsky entwarf ganze Biographien für seine Alter Egos und signierte sogar Briefe an Freunde mit diesen Namen.

Das Buch der Unruhe

Fernando Pessoa trieb das Spiel mit den Heteronymen sicher auf die Spitze. Schon als Kind schrieb er im Namen seiner imaginierten Freunde Briefe an sich selbst. Später veröffentlichte der berühmte portugiesische Dichter als Bernardo Soares, Alberto Caeiro, Ricardo Reis und Álvaro de Campos je eigenständige Werke. Daneben schrieb er unter mehr als 70 weiteren Pseudo- und Heteronymen über 24.000 Fragmente, die zum Großteil erst nach seinem Tod entdeckt wurden. Die (von ihm selbst geäußerte) Vermutung, dass er eine Veranlagung zur Schizophrenie habe, klingt da nicht weit hergeholt.

Pseudonyme: Die Jagd nach der wahren Identität eines Autors

Die meisten Pseudonyme werden recht schnell enttarnt. Denn kaum etwas macht Journalisten und Lesern so viel Spaß, wie die Maske zu lüften, hinter der sich ein Autor verbirgt. Manchmal entlarvt der Verlag den Autor medienwirksam selbst. Das funktioniert in der Regel dann gut, wenn ein bekannter Autor sich unter Pseudonym in einem neuen Genre ausprobiert. Der erste Krimi des Briten Robert Galbraith etwa verkaufte sich eher schleppend – bis herauskam, dass J.K. Rowling hinter dem Pseudonym steckt. Sofort ging das Buch weg wie warme Semmeln.

Weißer Tod

Andere Autoren beenden das Versteckspiel gezwungenermaßen – so wie Arnon Grünberg, der sich den Namen seiner Romanfigur Marek van der Jagt als Alter Ego wählte, um zu beweisen, dass Kritiker (zu) häufig autobiographische Züge in Romane hineinlesen. Linguisten analysierten die Bücher mithilfe eines Computerprogramms und stellten eine große Übereinstimmung in der sprachlichen DNA fest – Täter überführt.

Den wohl größten Rummel um ein Pseudonym gab es 2016, als der Journalist Claudio Gatti meinte, das Geheimnis um die Identität der berühmten italienischen Schriftstellerin Elena Ferrante gelüftet zu haben. Die Autorin gilt als ausgesprochen öffentlichkeitsscheu und droht, nicht mehr zu schreiben, sollte sie jemals enttarnt werden. Allerdings: Obwohl einiges dafür spricht, dass die Übersetzerin Anita Raja hinter dem Namen steckt, schreibt Elena Ferrante weiter. Hat sich Gatti also geirrt? Jedenfalls geht das Versteckspiel weiter.

Frau im Dunkeln

Sammel- und Kollektivpseudonyme

Während einige Autoren unter gleich mehreren Pseudonymen schreiben, gehen andere den umgekehrten Weg: Sie schreiben gemeinsam mit Ehepartnern oder Kollegen unter einem Sammel- oder Kollektivpseudonym. Iny Lorentz? Dahinter steckt bekanntlich das Ehepaar Iny Klocke und Elmar Wohlrath. Beide schreiben übrigens noch unter weiteren Pseudonymen: gemeinsam als Sandra Melli, Mara Volkers, Diana Wohlrath und Nicola Marni, aber auch einzeln.

Lazarus

Erik Axl Sund: Das sind die Kollegen Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist. Alexander und Alexandra Ahndoril alias Lars Kepler entdeckten, dass sie unter einem gemeinsamen Autorennamen nicht mehr stritten, sondern zu einer dritten, ganz eigenen Stimme fanden. Als Erin Hunter schreiben mittlerweile sechs Autorinnen die Katzen-Fantasy-Reihe „Warrior Cats“ fort. Daneben gibt es etwa bei Heftromanen ganze Autorengruppen, die sich über die Jahre hinweg immer neu zusammensetzen. Unter dem Namen des legendären Alfred Hitchcock schrieben dutzende Autorinnen und Autoren die berühmte Reihe „Die 3 ???“ – auch noch Jahre nach dem Tod des großen Meisters. Der steuerte selbst nur seinen – richtigen – Namen bei. Auch das gibt es.

Lars Kepler: Das Ehepaar hinter dem Pseudonym.

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