Massimo sitzt mir gegenüber, lächelt, nickt mit dem Kopf und sagt „okay … ah“ – zu wem, weiß ich nicht. Außer uns beiden ist niemand in dem Raum. Zumindest so weit ich das beurteilen kann. Massimo Esposito, medialer Berater, sieht das anders.

Kontaktaufnahme mit Toten hat Tradition

Spiritistische Séancen um Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen erlebten in Europa bereits im 19. Jahrhundert eine Hochzeit: Sie galten in der viktorianischen Gesellschaft, die sich sonst so prüde und hochgeschlossen gab, als unterhaltsamer Zeitvertreib.

Die Tradition der Geisterbeschwörung reicht jedoch noch viel weiter zurück und ist in vielen Kulturen nach wie vor fester Bestandteil gängiger Bräuche. In einigen Teilen der Welt gilt es außerdem als selbstverständlich, Feste zu Ehren der Toten zu veranstalten oder die Ahnen um Rat zu fragen.

Paradies und Jenseits

In Mexiko beispielsweise wird jährlich der Día de Muertos gefeiert. Am Tag der Toten wird all derjenigen gedacht, die bereits in der geistigen Welt weilen. Mittels verstreuter Blütenblätter sollen die Seelen zurück zu ihren Ruhestätten geleitet werden. In Südafrika wiederum werden in zahlreichen Stämmen stets die Ahnen befragt, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen. Eine Eheschließung ohne das Go der verstorbenen Urgroßmutter? Undenkbar!

Die große Frage nach einem „Leben“ nach dem Tod

Doch ich sitze gerade weder in Mexiko noch in Südafrika, sondern in einem Konferenzraum in Berlin-Schöneberg, während Massimo versucht, einen Jenseitskontakt herzustellen.

Seine medialen Fähigkeiten habe er schon als Kind bemerkt, erzählt er. Mittlerweile hat er zahlreiche Kurse und Workshops absolviert, hat Zeit mit einem berühmten Medium in England verbracht, nimmt an Messen teil und bietet jedem, der daran interessiert ist, Sitzungen an. Dass das, was er macht, manchen „spooky“ vorkommt, kann er gut nachvollziehen.

Unsere Lieben in der geistigen Welt nehmen uns noch wahr.

Massimo Esposito

Massimo jedoch ist fest davon überzeugt, dass es für uns weitergeht, nachdem unsere Körper sterben: „Ich glaube nicht, dass wir einfach irgendwo landen, wo wir von dieser Welt nichts mehr mitkriegen. Das bestätigt sich mir nicht. Ich spüre ganz stark: Unsere Lieben in der geistigen Welt nehmen uns noch wahr und wenn wir an sie denken, dann kommen sie näher. Ich denke, dass unser Bewusstsein weitergeht und weiter unterwegs ist.“

In vielen Religion ist die Überzeugung, dass mit dem Tod nicht einfach alles vorbei ist, fester Bestandteil des Glaubens. Personen, die Nahtoderfahrungen gemacht haben, erzählen oft aus eigener Erfahrung von Zuständen, in denen die Seele aus dem Körper fährt. Und obwohl wir uns manchmal die Frage stellen: „Wie lange sind Verstorbene bei uns?“, hat eine Studie ergeben, dass mit steigendem Alter die Zahl derer wächst, die glauben, nach dem Tod komme nichts mehr: Bei den 14- bis 29-Jährigen sind es 33 Prozent, die nicht an einen Fortbestand der Seele nach dem Tod glauben, bei den über 60 Jahre alten Befragten sind es 49 Prozent.

In einer anderen Statista-Umfrage gaben 35 Prozent der Befragten an, an ein Leben nach dem Tod zu glauben, 26 Prozent waren unentschlossen und 37 Prozent glauben nicht daran, dass wir nach dem Tod weiterleben.

Das Leben im Großen Jenseits

Bilder aus dem Jenseits

Prozentzahlen hin oder her, Massimo erklärt mir jetzt, wie das mit dem Jenseitskontakt funktioniert: Es ist eben nicht wie bei einem Telefonat, dass man auf der anderen Seite anruft, die verstorbene Person rangeht und anfängt zu erzählen. Stattdessen funktioniere es über Bilder, einzelne Worte und Sätze sowie Gefühle, die übermittelt würden. Falls ich mit denen nichts anfangen könne, solle ich es Massimo wissen lassen.

Als Pragmatikerin und Skeptikerin bin ich äußerst gespannt. An Gott glaube ich nicht, an ein Leben nach dem Tod, elektrische Phänomene, herumwandernde Seelen oder Wiedergeburt auch nicht. Tot ist tot.

Massimo sieht das anders. Genau genommen sieht er jetzt einen Hund im Raum herumspringen. Denn auch Tiere, die schon in der geistigen Welt sind, könnten sich melden, erklärt er. Dieser Hund – ein Weibchen, vermutet Massimo – vermittelt den Eindruck, er sei zu Lebzeiten nicht allein, sondern von mindestens einem weiteren Haustier begleitet worden. Gemeinsam haben sie viel Zeit draußen verbracht. „Das muss noch in der Zeit im Elternhaus gewesen sein“, sagt Massimo.

Tatsächlich bin ich in einem Haus mit Garten aufgewachsen. Und wir hatten zwei Hunde, beides Weibchen, die fast ausschließlich draußen waren.

Und dann macht sich, so Massimo, das Herrchen bemerkbar: mein Vater. Ein „schlanker, aktiver, fitter Mann … bis zu einem gewissen Punkt“. Klar, bis zu dem Punkt, an dem er vor mehr als zehn Jahren verstorben ist, möchte ich sagen. „Ich habe das Gefühl, dass er plötzlich gegangen ist“, sagt Massimo. „Ich habe nicht das Gefühl einer langen Krankheit. Würdest du das verstehen?“ Würde ich.

So geht es die nächsten fünfzig Minuten weiter. Massimo empfängt Bilder und Emotionen und gibt sie mir weiter. Mit manchen – mit vielen, genau genommen – liegt er richtig, mit anderen daneben.

Der Übergangsmanager

Jenseitskontakt zur Trauerbewältigung

Merkwürdig ist das schon. Im Verlauf der Sitzung um Kontakt mit dem Jenseits aufzunehmen, lässt sich einiges aus Dingen, die ich bereits bestätigt habe, schlussfolgern. Manches könnte einfach gut geraten sein, manches ist, wie Massimo selbst meinte, „spooky“. Anderes wiederum soll mir ganz offensichtlich Trost spenden.

Tatsächlich gehen viele Leute zu einem Medium, weil sie genau das suchen: Trost. Sie hoffen in ihrer Trauerbegleitung auf Unterstützung, wollen sich vergewissern, dass es der geliebten Person gutgeht und dass sie im Tod nicht leiden musste. Viele wollen sich für Versäumnisse und Fehltritte entschuldigen.

Leider gibt es auch Medien, die genau das ausnutzen, erzählt Massimo nach unserer Sitzung: Medien, die Hinterbliebenen quasi einen wöchentlichen Anruf in Aussicht stellen. Er selbst ist strikt gegen derartige Praktiken, denn so einfach sei es eben doch nicht mit der Kontaktaufnahme mit Toten.

So sterben wir

Fortbestand des Bewusstseins – Status ungeklärt

Fakt ist: Ob die Seele einer verstorbenen Person nach dem Tod fortbesteht, lässt sich wissenschaftlich weder eindeutig widerlegen noch belegen. Es gibt Physiker, die den Quantenzustand des Geistes nachgewiesen haben wollen, und behaupten, dass das Bewusstsein eines der Grundelemente der Welt sein könnte – neben Raum, Zeit, Materie und Energie.

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Mein ganz persönliches Fazit zum Jenseitskontakt

Dass Verstorbene immer noch unter uns weilen, kann ich nach wie vor nicht glauben. Und ich will es auch gar nicht: Die Vorstellung, nicht einmal im Tod meine Ruhe zu haben und immer noch in der Weltgeschichte herumzugeistern, finde ich nicht sonderlich tröstlich. Irgendwann ist mal gut! Auch meinem Vater wünsche ich eher Ruhe.

Dass der Gedanke für viele, die einen geliebten Menschen verloren haben, aber außerordentlich beruhigend ist, dass sie eben doch nicht ganz weg sind, kann ich grundsätzlich nachvollziehen. Und letztlich geht es genau darum: Dass wir alle unsere Wege finden, um mit den Widrigkeiten des Alltags, all dem Herzschmerz, der uns im Leben oft über lange Zeit begleitet, klarzukommen. Ob einem da ein Medium, Horoskope, der Glaube an Gott oder ans Karma helfen, bleibt jedem selbst überlassen.