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Urvater der modernen Audio-Unterhaltung: H.G. Wells

 Urvater der modernen Audio-Unterhaltung: H.G. Wells

Zuerst lief nur Musik. Dann unterbrach ein Sprecher das Feierabendprogramm im Radio: Es hätte merkwürdige Explosionen auf dem Mars gegeben. Wieder dudelte Musik – bis sich der Moderator erneut einschaltete, schon etwas aufgeregter. Ein ungewöhnliches Objekt sei auf einem Feld in New Jersey entdeckt worden. Danach ging es Schlag auf Schlag: Marsianer landeten in New York! Mit dreibeinigen Kampfmaschinen attackierten sie die Armee! Dann versprühten sie Giftgas! Niemand konnte sie stoppen! Augenzeugen berichteten panisch, was sie gesehen hatten, Experten versuchten, die chaotische Lage zu erklären.

Die Amerikaner, die an einem Herbstabend 1938 vor ihren Radios saßen, konnten kaum glauben, was sie da hörten: Aliens greifen gerade die Erde an! Entsetzte Menschen riefen beim Sender CBS an und wollten wissen, was da los sei. Dabei handelte es sich nur um eine fiktive Geschichte – allerdings eine, die so packend und glaubhaft erzählt war, dass viele Hörer überzeugt waren, die Ereignisse seien echt. An diesem Abend wurde Geschichte geschrieben: Mit Krieg der Welten war das moderne Hörspiel geboren.

Das furiose Hörspiel Krieg der Welten

Der Krieg der Welten. Collectors Box

Die Marsianer-Invasion erfand der britische Autor H.G. Wells 1898 in seinem Roman Krieg der Welten. Der junge Regisseur Orson Welles nahm die Handlung als Vorlage und verlegte die Geschichte von London nach New York. Dann inszenierte er sie in Form einer scheinbar echten Reportage. Die Darbietung hatte alles, was ein modernes Hörspiel ausmacht: Verschiedene Charaktere kommen zu Wort, so, als wären sie gerade vor Ort. Hintergrundgeräusche wie Schreie und Explosionen untermalen die Story und lassen sie ganz real scheinen.

Dank der packenden Geschichte und bedrohlichen Soundkulisse fühlten sich die Zuhörer mitten ins Geschehen katapultiert. Später berichteten viele Zeitungen: „Krieg der Welten“ habe eine regelrechte Massenpanik ausgelöst. Das war wohl ziemlich übertrieben. Trotzdem gilt die furiose Umsetzung als Vorreiter für moderne Audio-Unterhaltung.

Seitdem gab es mehrere Verfilmungen des Stoffes sowie unzählige Hörbuch- und Hörspiel-Fassungen. Eine davon ist die aufwendige deutsche Inszenierung in vier Teilen mit einigen neuen Figuren und Ereignissen. Die vier hochkarätigen Sprecher und der Soundtrack sorgen dafür, dass die Invasion der Marsianer auch heute noch ganz schön realistisch klingt.

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H.G. Wells und seine Science-Fiction-Bücher

Die Zeitmaschine, Teil 1

Dass sein „Krieg der Welten“ solche Kreise zieht, hätte H.G. Wells wohl nicht erwartet. Dabei war das Buch auch in weiterer Hinsicht wegweisend: Zusammen mit anderen Klassikern des Autors gilt es als einer der ersten Science-Fiction-Romane. Von seinen mehr als 200 Büchern und Erzählungen sind heute neben diesem Werk vor allem zwei bekannt: „Die Zeitmaschine“ und „Der Unsichtbare“. Alle drei entstanden innerhalb von nur drei Jahren zwischen 1895 und 1898.

Die Zeitmaschine war nicht nur der erste Roman von Wells, sondern auch die erste literarische Beschreibung einer Zeitreise. Der namenlose Held reist in eine ferne Zukunft und entdeckt unter anderem zwei neue Menschenrassen: Die eine lebt unter, die andere über der Erde. Beide sind völlig gegensätzlich, aber voneinander abhängig – auf eine grausame Art und Weise. Die Hörspielfassung mit fünf Sprechern nimmt die Zuhörer mit in die dystopische Welt, die Wells erschaffen hat.

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Die Insel des Dr. Moreau

Neben diesen drei bekannten Werken schrieb Wells einige weitere Science-Fiction-Romane und -Erzählungen. In Die Insel des Dr. Moreau landet ein Schiffbrüchiger auf einer Insel voller Tiermenschen. Die ersten Menschen auf dem Mond erzählt von zwei Freunden, die in einer selbstgebauten Kugel auf dem Erdtrabanten landen. Der Held in Wenn der Schläfer erwacht fällt in eine Totenstarre und erwacht erst 200 Jahre später wieder – als reichster Mensch in einer schrecklich veränderten Welt.

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H.G. Wells: Seine Visionen und sein Einfluss

Seine frühen Romane bezeichnete H.G. Wells, der mit Vornamen übrigens Herbert George hieß, als „Scientific Romances“. Damit umschreibt er ein ganzes Genre, das vor allem für britische Zukunftsliteratur vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs gilt. Dazu gerechnet werden auch die fantastischen Romane des französischen Autors Jules Verne, in denen die Helden den Mittelpunkt der Erde suchen oder eine Weltreise unter Wasser unternehmen.

Wells‘ utopische „Scientific Romances“ inspirierten viele andere Autoren – zum Beispiel Aldous Huxley, der sie als Vorbild für seinen 1932 erschienenen Klassiker Schöne Neue Welt ansah. Ein Grund für den Einfluss des visionären Autors war wohl sein besonderer Stil: Seine Geschichten sollten so glaubwürdig wie möglich klingen. Wells interessierte sich für wissenschaftliche Entdeckungen und nutzte sie als Grundlage für viele seiner Erfindungen. Die Welt, in der seine Erzählungen spielen, wirkt stets alltagsnah. Es gibt jeweils nur ein Element, das daraus hervorsticht und die Story vorantreibt – so wie die Zeitreisen, die Marsianer oder die Formel, die unsichtbar macht.

Tatsächlich stellten sich viele Ideen des Autors als prophetisch heraus: Er beschrieb in seinen Romanen einige spätere Erfindungen – so wie Raumfahrzeuge, die Atombombe und Flugzeuge. In Essays entwarf er seine Vision eines „Weltenhirns“, einer Art Enzyklopädie, die allen Menschen kostenlos Informationen bereitstellen würde – das Internet.

Der spätere Autor war schon früh in Berührung mit verschiedenen Wissenschaften gekommen: Mithilfe eines Stipendiums studierte er Physik, Geologie, Astronomie, Chemie und Biologie und machte einen Abschluss in Zoologie. Anschließend gründete er eine wissenschaftliche Gesellschaft. Selbstverständlich war das nicht, denn Wells wuchs nach seiner Geburt am 21. September 1866 in London in bescheidenen Verhältnissen auf. Er tat sich schwer, in einem Beruf Fuß zu fassen – und versuchte sich als Lehrling in einer Tuchhandlung, als Hilfslehrer und Apothekergehilfe. Auch als Schriftsteller war er sprunghaft und blieb nicht bei einem Genre.

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Die unbekanntere Seite von H.G. Wells: Der Freigeist

H.G. Wells ist heute vor allem für seine Sci-Fi-Romane berühmt, aber er hatte noch ganz andere Seiten. Der Mann war ein Freigeist, in mehrfacher Hinsicht. Schlagzeilen machte er zu Lebzeiten mit seinem Liebesleben: Er war zweimal verheiratet, hatte aber zusätzlich zahlreiche Abenteuer, die für Skandale sorgten. Eine seiner Geliebten war die damals 20-jährige Rebecca West, die später Reiseschriftstellerin werden sollte. Da war der Autor schon 46. Mit der britischen Schriftstellerin Elizabeth von Arnim soll er eine so wilde Affäre gehabt haben, dass die Betten in ihren Hotelzimmern zusammenkrachten. Von Arnim verfasste ebenfalls ein paar Klassiker, allerdings in einem ganz andere Genre: Bekannt wurde sie mit dem später verfilmten Roman Verzauberter April über vier englische Frauen, die in die italienische Provinz reisen.

Seinen Zeitgenossen war Wells darüber hinaus wegen seiner gesellschaftskritischen Ansichten bekannt. Der Autor engagierte sich politisch unter anderem bei einem sozialistischen Vorläufer der Labour Party. In verschiedenen Sachbüchern setzte er sich mit der aktuellen Politik und Gesellschaft auseinander. Seine Ideen ließ er auch in einige sozial-realistische Romane einfließen. Er plädierte für die Abschaffung der Monarchie und für eine gerechtere Welt. Die Kritik an Klassenunterschieden spiegelt sich in den Sci-Fi-Werken des Autors wider, zum Beispiel in „Die Zeitmaschine“.

Auch sein bekanntestes Werk „Der Krieg der Welten“ hat mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint. Es handelt sich nicht nur um einen dystopischen Eroberungsfeldzug von fiesen Aliens. Der Roman war für H.G. Wells zugleich eine Parodie auf die Kolonialgeschichte seines Heimatlandes: Die Marsianer wollen die Menschen ebenso unterwerfen wie das britische Empire andere Völker.
H.G. Wells starb 1946 in London. Die Inschrift auf seinem Grab hatte er vorher schon als Vorwort in einem Buch veröffentlicht:

„Ich hab's euch gesagt. Ihr verdammten Dummköpfe.“

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