Gerade erst ist das Hörbuch zu Cornelia Funkes neuestem Werk „Das Labyrinth des Fauns“, das in Zusammenarbeit mit Guillermo del Toro entstanden ist, erschienen. Wie auch schon in zahlreichen anderen Hörbüchern, liest sie hier einige Passagen selbst. Eine Arbeit, die ihr viel Spaß macht, für die ihr meistens aber die Zeit fehlt. Wann sie die Zeit dafür findet, selbst mal ein gutes Hörbuch zu hören, erzählt die Autorin im Interview.
Wie die Zusammenarbeit mit Guillerme del Toro war, erzählt Cornelia Funke hier.
Cornelia Funke Interview
Hörst du selbst gerne Hörbücher oder Hörspiele?
Wenn ich male oder illustriere ist das natürlich fantastisch, dabei etwas zu hören. Aber ich bin sehr kritisch, ich höre nicht viele Stimmen gerne. Es gibt ganz oft Aufnahmen, bei denen ich denke, dass das einfach nicht richtig ist und ich das im Kopf anders höre, weil mir Stimmen wichtig sind, wie man ja aus „Tintenherz“ weiß.
Ich habe mir grad noch einige Sachen runtergeladen, aber im Moment bin ich am Schreiben von „Reckless“, von daher komme ich nicht so viel zum Hören.
Du sagst, Stimmen sind dir sehr wichtig. Wessen Stimme magst du besonders gerne?
Als ich mit Brendan Fraser im Studio saß und er „Drachenreiter“ las, war das so unglaublich, dass ich alles in meinem Kopf sah. Man sieht natürlich alles so, wie man sehen will. Das gleiche geschah, als Brendan „Inkspell“ gelesen hat. Da hat er mir durch sein Lesen noch Sachen erklärt, die ich beim Schreiben verpasst hatte. Manchmal ist man so damit beschäftigt, die Geschichte zu weben, dass man sich gar nicht bewusst ist, wo man die Figuren hingeschickt hat. Ein guter Leser macht einem das alles bewusst.
Gleichzeitig ist es so, dass ein guter Leser natürlich eine ganz andere Interpretation haben kann, mit der man vielleicht aber auch nicht glücklich ist, auch wenn sie gut ist, weil sie eine ganz andere Klangfarbe hat als man dachte, weil Figuren anders aufgefasst werden. Aber ich glaube, wenn ein Hörbuch sehr gut ist, dann ist es eine Bereicherung für die Geschichte.
Was macht Brendan Fraser zu einem so guten Vorleser?
Ich weiß noch, als ich bei Brendan Fraser im Studio war für die Aufnahmen von „Drachenreiter“ und der Regisseur ihm ständig die Regeln erklärte, nach denen man Hörbuch sprach, und Brendan immer nur „Help!“ auf einen Zettel schrieb und den an die Glaswand hielt, damit ich dann sagte „Nein, nein, nein, ich will das genauso, wie er das macht!“ – was ich auch wollte. Er bricht zum Beispiel, wenn er aufnimmt, alle Regeln und das ist meisterhaft. Das muss man erst einmal können.
Ich kenne Leser, die mir schreiben, dass sie Brendans „Drachenreiter“ im Auto hören und vor ihrem Haus im Auto sitzen bleiben, weil sie nicht aufhören können zu hören.
Was hörst du gerne? Hast du in letzter Zeit ein Hörbuch gehört, das dir in Erinnerung geblieben ist?
Was mir in guter Erinnerung geblieben ist, ist ein Hörbuch nach einer Geschichte von Neil Gaiman, das ein schwarzer Schauspieler liest … wie heißt das doch gleich … es geht um den Gott der Spinnen. (Anmerkung der Redaktion: „Anansi Boys“, gelesen von Lenny Henry) Auch Neil Gaiman selbst liest seine Geschichten sehr gut, aber das Hörbuch habe ich unheimlich gerne gehört.
Dann Martin Jarvis mit „Good Omens“, was auch fantastisch verfilmt worden ist. Und Alfred Molina, „Treasure Island“.
Cornelia Funke im exklusiven Video-Interview
Denkst du, dass Geschichten anders erlebt werden, je nachdem, wie man sie konsumiert?
Ich glaube ganz fest daran, dass das dem Buch etwas hinzufügt, wenn man ein fantastisches Hörbuch hört. Da sind Leute immer überrascht, wenn das von einem Schriftsteller kommt. Aber ich bin in der Hinsicht ja ein Geschichtenerzähler. Klar, um die Geschichten festzuhalten banne ich sie auf Papier, aber ich vergesse nie, dass sie Klang sind. Ich lese mir meine Texte alle laut vor. Wenn das dann von einem guten Sprecher gemacht wird, dann kommen die Worte eigentlich zurück ins Leben. Ein gut gelesenes Hörbuch, das vielleicht auch noch Musik und Geräusche hinzufügt, ist für mich im Grunde die beste Verfilmung.
Zu einem guten Hörbuch gehört für dich auch Musik?
Ich habe eine große Bewunderung für Musik und denke, dass das die ausdrucksvollste Kunstform überhaupt ist, die auch an Schichten im Menschen kommt, an die Worte nicht rankommt. Wie Eduardo das auch im Hörbuch macht, dass er mit Musik und mit Klang arbeitet, erschließt man im Herzen des Zuhörers noch ganz andere Dinge.
Geschichten waren erst einmal das gesprochene Wort und dann das geschriebene Wort. Das heißt, mit Hörbüchern zelebriert man eigentlich die ältere Form.
Cornelia Funke
Auch Interessant: Cornelia Funke: Die Bestsellerautorin im Porträt
Also teilst du nicht die Meinung derer, die bemängeln, dass immer weniger gelesen wird und Leute stattdessen nur noch Filme schauen wollen?
Das ist eine sehr dumme und eine sehr beschränkte Meinung, weil Geschichten erst einmal das gesprochene Wort waren und dann das geschriebene Wort. Das heißt, mit Hörbüchern zelebriert man eigentlich die ältere Form. Alles andere ist eine sehr ignorante Ansicht, gegen die ich mich wirklich immer vehement wehre.
Natürlich gibt es schlechte Hörbücher, genau wie es schlechte Bücher gibt. Deswegen liebe ich es auch so, mit den „German Wahnsinn“-Leuten zusammenzuarbeiten, weil die solche Leidenschaft für das Projekt haben und das Produkt auch wirklich verstehen. Und die Leidenschaft braucht man beim Hörbuch, wie man sie beim Büchermachen braucht. Wenn die so routinemäßig heruntergespult werden, dann macht das auch kein Spaß.
Was macht für dich ein gutes Hörbuch aus?
Da muss ein meisterhafter Erzähler sein, eine gute Produktion dahinterstehen, ein guter Musiker, da muss einfach sehr viel Wert auf die Aufnahmen gelegt worden sein. Das ist wie das gute Papier, das für ein Buch ausgesucht wird. Wenn es eine gute Aufnahme ist, dann gibt es nichts Besseres. Das merke ich ja auch, wenn ich live Lesungen machen, da sagen mir so viele danach: „Ich habe das so oft gelesen, aber jetzt habe ich das erst richtig gehört.“
Von daher bin ich der allergrößte Fan von sehr guten Hörbüchern. Gerade, was die auch für Kindern tun, die vielleicht Legastheniker sind oder nicht gerne lesen. Mein Sohn zum Beispiel, der wollte immer zwischendurch spielen oder an einem Seil schwingen, während er hörte. Der wäre nie auf die Idee gekommen, ein Buch zu lesen, der wollte hören. Ich denke, Hörbücher auch mehr im Unterricht einzusetzen oder mit Kindern, die Leseschwierigkeiten oder einfach keine Lust haben, das wird noch so sträflich vernachlässigt.
Hier ist das inzwischen anders, weil so viele Leute lange Auto- oder Zugfahren müssen, Hörbücher kommen hier ja zur gleichen Zeit raus und werden meist fast genauso groß. Das ist hier ein ganz renommierter und auch sehr respektierter Markt. Deswegen gibt es sehr viele berühmte Schauspieler und Sprecher, die Hörbuch machen.
Über ihre Arbeit als Schriftstellerin spricht Cornelia Funke hier.