Wer in den 80er und 90er Jahren phantastische Romane las, kam an Wolfgang Hohlbein nicht vorbei. Bis heute gilt er als einer der auflagenstärksten deutschsprachigen Autoren überhaupt und er zählt zu einem der wenigen, nach denen man noch zu Lebzeiten einen Literaturpreis benannt hat. Er schreibt über Elfen und Orks, Engel und Dämonen, über Troja und Atlantis. Im Mittelpunkt seiner Geschichten: meist gewöhnliche Menschen, über die das Übernatürliche unerwartet hereinbricht.
Ihre Geschichten schreibt er, wenn der Rest der Welt bereits schläft. Der Tag gehört ihm und seiner Familie: Mit seiner Frau Heike lebt er in Neuss; sie haben sechs Kinder. Mit dem Schreiben beginnt er erst am späten Nachmittag oder Abend. So war das von Anfang an.
Er schreibt, wenn andere schlafen
Nach der Schule – von Bestsellererfolgen wie Das Druidentor noch weit entfernt – absolvierte der 1953 in Weimar geborene Autor zunächst eine Ausbildung als Industriekaufmann. Zeit zum Schreiben fand er schließlich einige Jahre später während beruflicher Nachtschichten. Und nachdem er loslegte, war er nicht mehr aufzuhalten. Dass sich die Geschichten, die in seinem Kopf entstehen, millionenfach verkaufen würden, damit hat er vielleicht selbst nicht gerechnet.
Vor allem eins will er nie: langweilen
Weder sich selbst, noch sein Publikum. Deswegen stößt er sowohl Türen auf, die in klassische Fantasy-Reiche führen, als auch solche in Science Fiction-Universen, in lovecraft‘sche Horror-Welten, zu Endzeit-Szenarien oder in phantastisch verfremdete Versionen unserer eigenen Vergangenheit und Gegenwart. Er schreibt für Erwachsene ebenso wie für Kinder und Jugendliche. Er arbeitet allein ebenso wie im Team mit seiner Ehefrau Heike oder anderen Autorenkollegen.
"Wäre ich im Mittelalter geboren worden, dann wäre ich wahrscheinlich von Hof zu Hof gezogen, um Geschichten von Drachen, Schlachten und Liebeständel zum Besten zu geben."
Wolfgang Hohlbein
Nach ersten Veröffentlichungen in einigen Horror-Heftromanreihen wie Professor Zamorra, reichte Wolfgang Hohlbein das Manuskript eines Jugendbuchs bei einem Wettbewerb des Ueberreuter Verlags ein.
Durchbruch mit zauberhaftem Jugendbuch
Märchenmond, gemeinsam mit seiner Frau Heike erschaffen, gewann den ersten Preis. Der Roman, in dem ein Junge aus unserer Welt in eine schillernde Fantasy-Welt wechselt, um das Leben seiner Schwester zu retten, wurde darüber hinaus noch mit dem Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar sowie dem Preis der Leseratten ausgezeichnet.
Doch der Erfolg ging weiter - knapp sechs Jahre später erschufen die Hohlbeins gemeinsam den Jugendbuch-Bestseller Der Greif. Auch jetzt, fast dreißig Jahre nach der Ersterscheinung erlebt "Der Greif" ein Comeback: Als Deutsche Videoserie bei Amazon Prime, als exklusives Hörspiel "Der Greif: Die Vorboten" bei Audible und mit zahlreichen Prequel-Kurzgeschichten aus dem Schwarzen Turm.
Phantastische Welten
Damit jedoch nicht genug. Viele Jahre lang erschien in jedem Herbst ein weiteres Fantasy-Jugendbuch von Wolfgang und Heike Hohlbein, inhaltlich perfekt für die Fans von Märchenmond: 1984 etwa Elfentanz, eine klassische High Fantasy-Geschichte um Elben, Elfen und deren Kampf gegen einen dunklen Herrscher; 1985 entführten die Hohlbeins ihr Publikum mit Midgard in die Welt der nordischen Mythologie.
Parallel dazu veröffentlichte Hohlbein Romane für Erwachsene: Für Die Töchter des Drachen erschuf er eine archaische Fantasy-Welt, wie sie die Fans klassischer Heroic Fantasy-Sagas wie Conan lieben: Mit seltsamen, schildkrötenartigen Gefährten zieht eine junge Frau durch eine trostlose Wüstenwelt, die von feuerspeienden Lindwürmern heimgesucht wird.
Aufgrund der phänomenalen Erfolge wurde außerdem eine von ihm verantwortete Heftromanserie als Der Hexer von Salem in Romanform aufgelegt.
Angesiedelt im 19. Jahrhundert, interagiert der Titelheld in der Reihe mit Figuren, die zum Großteil auf dem Cthulhu-Mythos von H. P. Lovecraft basieren. Die Heftromane erschienen zunächst noch unter dem Pseudonym Robert Craven.
"Ein Buch von einem 'Wolfgang Hohlbein' verkauft sich nicht"
Zu Beginn seiner Karriere hatte man dem Autor versichert, phantastische Stoffe würden sich nicht verkaufen, wenn Wolfgang Hohlbein auf dem Cover stünde. Ab den späten 80er hieß es nun für viele Jahre: Deutschsprachige Fantasy verkauft sich nicht, wenn du nicht Wolfgang Hohlbein heißt.
Gern lässt er auch eine Figur aus dem einen Buch einen Gastauftritt in einem anderen haben, selbst wenn das nicht viele LeserInnen merken. Auch literarische Ikonen greift er gern auf: In der Reihe Operation Nautilus etwa suchen die jugendlichen Protagonisten auf dem U-Boot von Kapitän Nemo das untergegangene Atlantis und reisen zu geheimnisvollen Inseln.
Wolfgang Hohlbein schreibt über Dinge, die ihn begeistern
Erlaubt ist, was gefällt. Wichtig ist nur, dass ihn sein aktuelles Projekt begeistert. Dann kann das durchaus auch mal ein Krimi sein. Denn, wie er sagt, jede Geschichte durchlebt er selbst zu einem Stück durch seine Figuren.
Und das können dann auch die Leserinnen und Leser. Im „berühmten Kopfkino“ sieht er auch den Vorteil von Büchern und Hörbüchern gegenüber Serien und Filmen:
„Jeder sieht beim Lesen eines Buches seinen inneren Film vor sich ablaufen (wenigstens wenn einen die Geschichte erstmal gepackt hat). Und das ist auch der große Unterschied zu Film/Comic/Bild etc. Dieser „innere Filme“ ist bei jedem anders. Deshalb ist man wahrscheinlich auch schon mal von einer Verfilmung enttäuscht, auch wenn sie eigentlich wirklich gut ist…“
Jüngst verfilmt fürs Kino wurde übrigens seine Kinderbuchreihe Die Wolf-Gäng um einen Vampir, der kein Blut sehen kann, eine Fee mit Flugangst und einem Werwolf mit Tierhaarallergie.
Wegbereiter
Bis heute ist Wolfgang Hohlbein allerdings nicht nur einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Fantasy-Autoren. Er gilt auch als Wegbereiter für viele weitere Schriftsteller: Seine Tochter Rebecca trat in seine Fußstapfen und schreibt ebenfalls.
Bernhard Hennen veröffentlichte die Trilogie Das Jahr des Greifen mit Hohlbein als Co-Autor. Mit Dieter Winkler schrieb er die Enwor-Reihe und mit Torsten Dewi mehrere Nibelungen-Romane.
Bei der Zusammenarbeit mit Kollegen schätzt er vor allem „die unterschiedlichen Sichtweisen, auf die jeder an dieselbe Geschichte herangeht. Man ergänzt sich da hervorragend um Ideen und Wendungen, auf die der andere wahrscheinlich nie käme.“
Bis heute sind gemeinsame Projekte mit seiner Frau für ihn etwas ganz Besonderes. Doch auch mit anderen Kollegen und Kolleginnen zu arbeiten, bereitet ihm große Freude. „Wenn jeder einhundert Prozent gibt, kommen eben oft genug dreihundert Prozent dabei raus.“
Mit welchem Hohlbein anfangen?
Mit welchem Titel seiner beeindruckenden Werkliste man beginnen sollte, falls man noch nichts von ihm gelesen hat, das vermag der Autor übrigens selbst nicht zu sagen.
„Bitte mit den langen Serien“, antwortet er auf diese Frage scherzhaft, fügt aber dann ernst hinzu: „Jeder hat seine eigenen Präferenzen. Wer mehr auf die klassischen „Tolkien“-Geschichten steht, wird sicher Die Chroniken der Elfen bevorzugen, wer´s eher unheimlich mag, vielleicht den Hexer von Salem."
Wolfgang Hohlbeins persönliches Lieblingsbuch
Als sein persönliches Lieblingswerk bezeichnet er seinen Roman Hagen von Tronje. Darin erzählt er Das Nibelungenlied aus Sicht des Antagonisten. Warum ihm gerade dieses Buch so gefällt?
„Vielleicht, weil ich da einmal den anderen Weg genommen habe. Ich habe die Nibelungensage konsequent von allem Magischen und Mystischen befreit. Es gibt keinen unsichtbar machenden Mantel, der Zwerg ist einfach ein boshafter kleiner Knirps, es wird nicht gezaubert, und der einzige Drache ist Hagens Schwiegermutter.“
Wolfgang Holbein
Wie bereits erwähnt: Wolfgang Hohlbein hat hunderte von Türen zu unterschiedlichen fantastischen Welten aufgestoßen. Durch welche man gehen möchte, entscheidet jeder für sich selbst.