Sie sind das literarische Äquivalent eines heißen Kakaos mit Mini-Marshmallows: Wohlfühlromane. Eine offizielle Definition gibt es nicht, aber der Name spricht eigentlich für sich, denn zu dem Quasi-Genre gehört alles, was einen glücklich macht, was ein wohlig-warmes Gefühl hinterlässt. Geschichten eben, die ohne allzu viele Konflikte auskommen, und selbstverständlich ein gutes Ende finden. Anders gesagt also: die perfekte Alltagsflucht.
Franz Kafka schrieb Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Brief: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen.“ Von Wohlfühlliteratur, die einen streichelt und umarmt, statt zu beißen und zu stechen, dürfte er also herzlich wenig halten.
Balsam für die Seele in (Hör-)Buchform
Doch genau das ist es, was Wohlfühlromane machen: Sie zerren nicht an geplagten Nerven, sie beruhigen sie. Statt einem mit einer vollen Breitseite Realität ins Gesicht zu klatschen, zeigen sie, wie schön die Welt doch sein könnte – wenn wir alle wie Bibliothekarin Nina in „Wo das Glück zu Hause ist“ wären, die sich nach einem Rückschlag aufrappelt und von einem mürrischen, aber attraktiven Farmer aus so mancher Notlage gerettet wird.
Von Glück ist in den Titeln von Wohlfühlromanen sowieso oft die Rede, ebenso von Herzen, Liebe, Gärten, Buchläden und anderen gemütlichen Geschäften, seltener auch von Sehnsucht oder Vergessen. Auf den Covern: Aquarellzeichnungen und Pastellfarben, Landschaftspanoramen und Sonnenuntergänge, Blumen und blauer Himmel – kurz: alles Bilder, die bei den meisten Menschen mit positiven Assoziationen verbunden sind.
Land, Leid, Liebe: das Rezept zum Glück
Die Handlungen spielen sich selten in Großstädten ab, sondern an Sehnsuchtsorten: auf dem Land zum Beispiel, am Meer – am liebsten gleich auf Inseln! –, in Strandhäuschen oder herrschaftlichen, wenn auch leicht heruntergekommenen französischen Châteaus. Alles Orte also, die wir als gestresste Stadtbewohner romantisieren und an denen wir allenfalls mal Urlaub machen.
In manchen Geschichten, wie in „Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg“ von Julie Peters, ist ein kurzer Urlaub der Auslöser für ein komplettes Umdenken. Ein Gefühl, dass jeder kennen dürfte, der im Urlaub am Meer schon einmal an den charmanten Tee- und Kramgeschäften vorbeigeschlendert ist und sich vorgestellt hat, wie es wohl wäre, den nervigen Agenturjob aufzugeben und stattdessen so ein Lädchen zu führen …
Meist sind es Frauen, die in Wohlfühlromanen im Mittelpunkt stehen. Vor allem solche, die Schicksalsschläge verkraften müssen und die – auch das dürften viele von uns kennen – gehörig die Nase voll vom Leben und all seinen Widrigkeiten haben.
Da ist zum Beispiel Journalistin Nina, die sich in Die Inselfrauen eine Auszeit von ihrem stressigen Job nimmt. Oder Konzertgeigerin Isabel, deren hochverschuldeter Mann in Der Klang des Herzens stirbt, woraufhin sie sich gezwungen sieht, mit ihren Kindern aufs Land zu ziehen. Oder Sonja, die in Die Inselgärtnerin erst über die Trennung von ihrem Mann hinwegkommen muss, und dann auch noch ihren Job verliert.
Wohlfühlromane wären aber keine Wohlfühlromane, wenn sich die Frauen nicht von ebenjenen Schicksalsschlägen erholen würden. Vielmehr noch: Meistens wird danach alles um Längen besser! Nina, Isabel und Co. lassen unbefriedigende Jobs, fremdgehende Partner, stressige Städte hinter sich – und finden (endlich) das große Glück.
Wohltuende Berechenbarkeit
Dieser zugegebenermaßen leicht vorhersehbare Handlungsablauf kombiniert mit romantisch anmutenden Buchcovern und Titeln wie Schokolade zum Verlieben haben Wohlfühlromanen den Ruf eingehandelt, oberflächlich, wenig anspruchsvoll und vor allem seicht zu sein.
Wer ein bestimmtes Genre der Literatur als „seicht“ bezeichnet und das als Kritik verstanden wissen will, hat jedoch eines nicht verstanden: Wir müssen uns nicht ständig selbst herausfordern. Manchmal ist nämlich die Bewältigung des Alltags Herausforderung genug – und die Flucht ins Berechenbare mehr als verdient.