Das Hörspiel hat gerade im deutschsprachigen Radio eine lange Tradition. Das erste Mal verwendete der Kritiker Hans Siebert von Heister das Wort "Hörspiel" 1924 in seiner Zeitschrift "Der Deutsche Rundfunk". Dieses "Sendungsspiel", "Funkspiel" oder "Funkdrama" wurde wie ein Theaterstück mit verteilten Rollen vor dem Mikrofon gelesen. Live versteht sich, denn Aufzeichnungen gab es erst später. Die frühen Radio-Hörspiel-Klassiker konnten nur in den Funkhäusern produziert werden, denn nur dort gab es die entsprechende Radiotechnik. Wenn man an die Aufnahmemöglichkeiten denkt, die heute sogar jedes Smartphone hat, ist das fast unvorstellbar.
Hörspielkunst 1924 - wie Zauberei
Das erste Hörspiel hieß Zauberei auf dem Sender. Erdacht wurde es von dem deutschen Rundfunkpionier Hans Flesch. Es wurde 1924 aus Frankfurt gesendet. Die Radiosender gingen experimentierfreudig an Hörspielsendungen heran und waren sehr produktiv. In den 1930er Jahren kam allerdings eine Art Hörspielflaute auf. Die breite Einführung der Schallplatte machte das Hörspiel zwar reproduzierbar, doch man glaubte zunächst, die künstlerische Einzigartigkeit der Live-Sendung ginge durch dieses neue Medium verloren. Mittlerweile ist die Schallplatte mehrfach überholt und einzigartige Sendungen gibt es immer noch!
Ohne Konkurrenz: Radio hören in der Nachkriegszeit
Ab 1945 begann die zweite Blütezeit des Hörspiels. Radiohören wurde eine äußerst beliebte Abendbeschäftigung. Das Hörspiel ersetzte vielen Menschen fehlende Theater- und Filmvorführungen, die es nach dem Krieg vielerorts noch nicht wieder gab.
Für großes Aufsehen sorgten in den frühen Nachkriegsjahren vor allem zwei Radio-Hörspiel-Klassiker: Wolfgang Borcherts Draußen vor der Tür war eines davon. Der Norddeutsche Rundfunk hatte Borcherts Hörspiel aus Hamburg gesendet und über Nacht wurde der Autor dadurch bekannt. Das sensationell positive Echo sorgte für seinen schriftstellerischen Durchbruch. 1951 gab es wieder ein großes Hörer-Echo zu einer Hörspielausstrahlung, doch diesmal waren die Menschen entsetzt: Günter Eichs Hörspiel Träume veranlasste die Hörer, beim Sender Sturm zu läuten. Sie forderten entsetzt das sofortige Ende der Ausstrahlung, da sie den Inhalt des zweiten Albtraums – in dem ein Kind verkauft und getötet wird – als zynisch und grausam empfanden. Mittlerweile gilt Eichs Hörspiel als große Kunst, wie auch diese Aufnahme von Träume beweist.
Dialekthörspiele - echte Straßenfeger!
Sehr beliebte Hörspielsendungen waren in den Nachkriegsjahren übrigens Dialekt-Hörspielserien. 1948 startete Radio Stuttgart Die Familie Staudenmeier, eine Serie von Wolf Schmidt. Schmidt hatte bereits 1948 über 80 Hörspiele geschrieben, darunter auch die beliebte Serie Firma Müller und Co und das Mundartstück Die Abenteuer des Herrn Pfleiderer.
Hörspiele zu schreiben gehörte in den 50er Jahren fast schon zum Pflichtprogramm bedeutender Autoren, so beliebt war dieses Genre damals: Ilse Aichinger, Alfred Andersch, Heinrich Böll, Bertholt Brecht, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Günter Grass, Walter Jens oder Martin Walser waren zum Beispiel produktive Hörspiel-Autoren.
Mit zunehmender Verbreitung des Fernsehens ließ das Interesse am Radio-Hörspiel nach. Doch auch wenn die Sendeanstalten weniger Hörspiele produzierten, gab es doch immer noch viele Künstler, die die Arbeit mit Worten, Geräuschen und Musik faszinierte. Während der 80er Jahre erlebte das Kinder-Hörspiel insbesondere im deutschsprachigen Raum eine Blütezeit – eine Entwicklung, die vor allem dem Hörspiellabel EUROPA zu verdanken war. Die bekannteste Serie des Labels ist bis heute die Detektiv-Reihe "Die drei ???". Sie gilt als kommerziell erfolgreichstes Hörspiel der Welt.
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Die Digitalisierung, die Anfang der 90er Jahre die Produktionstechnik deutlich vereinfachte, kam allen experimentierfreudigen Hörspielfans entgegen. Nun konnte jeder einfach und kostengünstig komplette Hörspiele produzieren, ohne Bänder oder teure Schneidemaschinen. Mitte der 90er belebten außerdem neue Konzepte die Hörspiellandschaft. Außergewöhnliche Produktionen und Events rund um das Hörspiel lockten neues Publikum an.
Schließlich wurden Radio-Hörspiel-Klassiker auf CDs im Handel verkauft. Das begann mit dem Hörspiel Mephisto, einer Produktion von BR und MDR, die im Hörverlag auf CD erschien. Seitdem gibt es viele Radio-Hörspiele, die zusammen mit einem Verlag veröffentlicht werden.
Warum gibt es nicht alle Radio-Hörspiel-Klassiker im Download?
Radio-Veröffentlichungen sind, genau wie alle Hörbuch- und Hörspielproduktionen, mit Lizenzen verbunden. Viele Hörspielfans warten daher noch auf das ein oder andere Hörspiel, das sie früher mal im Radio gehört haben und das es möglicherweise sogar auf CD gibt. Bei Download-Angeboten ist die Rechtslage eine andere. Die Autoren und andere Mitwirkende müssen unter Umständen eine neue Einwilligung geben. Bis die Rechtelage geklärt ist, kann viel Zeit ins Land gehen.
Der SWR erreichte die Freigabe vieler Radio-Hörspiel-Klassiker und Hörbücher für den Download
Umso schöner ist es, wenn sich ein Radiosender vehement dafür einsetzt, die Downloadrechte für Hörspiele und Hörbücher zu klären. Der SWR schaffte es mit viel Engagement und Einsatz, eine ganze Fülle von Radio-Hörspielen und -büchern online zur Verfügung zu stellen. In der SWR Edition findest du 150 interessante Titel, darunter auch Hörspiele von Barry Bermange, einem äußerst experimentierfreudigen Hörspielmacher, der viele Preise für seine Arbeiten bekam.
Der SWR produzierte aber auch einige Tolstoi-Klassiker oder Hörbücher wie Der Stille Amerikaner von Graham Greene. Die Namen der Sprecher wirst du kennen, darunter zum Beispiel Ulrich Noethen, Frank Elstner, Felix von Manteuffel, Klaus-Jürgen Wussow und viele andere. Wir freuen uns über die Möglichkeit, dir diese Radioschätze zu präsentieren und wünschen viel Spaß beim Stöbern und Hören. Hier geht’s zur SWR Hörbuch- und Hörspieledition!
Radio-Hörspiel-Klassiker: Liste im Überblick
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