Sind in Teil 1 der Känguru-Tetralogie von Marc-Uwe Kling das Känguru und der Kleinkünstler noch überwiegend im Zwiegespräch – mit Ausnahme der Besuche beim Psychiater –, gelangt ab Teil 2, „Das Känguru-Manifest“, ein Arsenal an skurrilen Personen zur Handlung hinzu. Wir haben ein Glossar der wichtigsten Charaktere, Gegenstände und Aktionen rund um Marc-Uwe und das Känguru zusammengestellt.
Abkürzungen für Werke
K I-IV steht für den jeweiligen Band der Tetralogie in der Reihenfolge seines Erscheinens
K I, DKC: Die Känguru-Chroniken
K II, DKM: Das Känguru-Manifest
K III, DKO: Die Känguru-Offenbarung
K IV, DKA: Die Känguru-Apokryphen
A – Anti-Terror-Anschläge
Die sogenannten „Anti-Terror-Anschläge“ sind Bestandteil der Zermürbungstaktik des vom Känguru in Teil 2 der Känguru-Tetralogie (K II, DKM: Vollversammlung) gegründeten Asozialen Netzwerks, frei nach dem Motto: Macht kaputt, was euch kaputt macht – und lässt sich das System nicht sprengen, dann können wir es immer noch gemeinsam zernagen. Der Messias hat die Botschaft des Kängurus verinnerlicht und weiß dazu ganz zeitgemäß beizutragen: „Es mag ja sein, dass die Bösen mit den Skrupellosen und den Doofen eine unheilige Allianz eingegangen sind. ... Und dass sie übermächtig, vielleicht sogar unbesiegbar sind. Das sollte uns aber keinesfalls davon abhalten, sie wann, wie und wo immer möglich zu ärgern.“ Bekannte Anti-Terror-Anschläge des Asozialen Netzwerks richten sich „gegen den Terror des Ministeriums für Produktivität, die Initiative für mehr Arbeit und die Radio NRJ Morning Show und so“, so Marc-Uwe in seiner Zusammenfassung für den Psychiater in „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ (K III, DKO):
Der Vorstandssprecher, der auf dem Sozialamt arbeitet, hat den ‚Abgelehnt’-Stempel durch einen ‚Witzig’-Stempel ersetzt.
Der Abgeordnete, der in einer Bank arbeitet, leakt CDs mit Informationen über Großverdiener ans Finanzamt.
In einer großangelegten Aktion mit zahlreichen Beteiligten, u. a. einem Känguru und einem Kleinkünstler, wird in das Ministerium für Produktivität (i. F. Miniprod.) eingebrochen und das Produktivitätsregister (i. F. Prodreg.) zerstört. Um sicherzugehen, dass das ganze System wirklich unwiderruflich unbrauchbar gemacht wird, installiert das Känguru auf dem Hauptserver Windows Vista. Leider hat das Miniprod Backups gemacht. (K II, DKM: Das Ministerium für Produktivität)
Das Känguru und Marc-Uwe pissen gegen ein Plakat des Miniprod. (K III, DKO: Das duale System).
F – Friedrich-Wilhelm und Otto-Von
Friedrich-Wilhelm und Otto-Von sind Teil des Asozialen Netzwerks. Die Brüder mit türkischen Eltern, die „es ein bisschen übertrieben haben mit dem Integrationswillen“ (K II, DKM: Manchmal muss es wehtun), spielen manchmal mit dem Känguru und Marc-Uwe Trivial Pursuit oder Stadt-Land-Fluss. Friedrich-Wilhelm studiert Medizin, ist Cineast und darüber hinaus Atheist, weshalb er aus seiner Sicht Schnapspralinen essen darf – was dem Känguru allerdings nicht besonders gut gefällt. Sind nämlich seine. Otto-Von besitzt eine Imbissbude, „Snacks and the City“, das ein radikal neues Verkaufskonzept verfolgt: „Der ganze Laden steht voll mit Billigbier. Wenn du in die Bude reinkommst: hinter dir Billigbier, vor dir Billigbier. Rechts und links Billigbier.“ (K II, DKM: Privatgespräch).
G – Gott
Gott ist ebenfalls Mitglied des Asozialen Netzwerks und nicht allwissend, aber weiß, wo man bei Wikipedia Informationen nachschlagen kann. Manchmal steckt Gott in einem riesengroßen Plüschhandy und verteilt Werbung für Flatrates, um Geld zu verdienen. (K III, DKO: O Gott, O Gott), mit eigenen Worten sammelt Gott „Scheißjobs wie andere Überraschungseifiguren.“ Im übrigen ist Gott immer pünktlich, insbesondere bei Verabredungen. Gott heißt eigentlich Maria, hat ein geisteswissenschaftliches Studium erfolgreich absolviert und einen Sohn namens Jesus, was etwas verwirrend ist. Sie „war jung und fand’s witzig“ (K IV, DKA: Kleine Künstler). Marc-Uwe ist ein bisschen in Gott verschossen, also um genau zu sein: er findet sie „anbetungswürdig“ (K IV, DKA: Schwedische Wissenschaftler), das mit dem Daten will aber nicht so recht klappen. Immerhin verschaffen sie Gott ein Dach über dem Kopf, nämlich eine Wohnung in ihrem Haus. Das bringt den Kleinkünstler mächtig ins Schwitzen, so dass er sich bei dem Versuch, Gott zu einem Date zu bewegen, doch ganz schön entblödet. Was das Känguru ziemlich witzig findet.
H – Herta
Herta taucht erstmals in Teil 2 der Känguru-Tetralogie auf. Sie ist Inhaberin der gleichnamigen Eckkneipe „Bei Herta“, in der Marc-Uwe und das Känguru sich gerne mal zum Bier verabreden und nicht selten übel versacken. Herta zeichnet sich durch meist inhaltlich vollständig unmotivierte Berliner-Schnauze-Sprüche aus, wie: „Noch een Wort, und ick hau dir uff’n Kopp, dette durch de Rippen kiekst wie der Affe durchs Jitter!“ oder „Du denkst dir vielleicht, du bist hart, aba ick bin Herta!“ (K II, DKM: Bei Herta). Das Känguru ist in seinem Element und leistet sich in der Disziplin „Berliner Sprüche“ regelrechte Battles mit Herta. Als die alteingesessene Kneipe mitsamt ihrer nicht auf den Mund gefallenen Betreiberin weggentrifiziert wird, treffen sich Marc-Uwe und das Känguru zunächst nach wie vor in den Räumen, die in „Tefkabh“ umbenannt werden, „The Eckkneipe formerly known as Bei Herta“ (K II, DKM: Tefkabh).
Herta wird ebenfalls Mitglied des Asozialen Netzwerks und ihr Wohnzimmer in Teil 3 der Tetralogie zum inoffiziellen Hauptquartier der Bewegung, eine „freundliche Diktatur“ unter ihrer Herrschaft, wie sie sagt (K III, DKO: Ein einfaches Blumenmädchen). „Als Herta ihre Eckkneipe schließen musste, hat sie angefangen, zu Hause zu trinken. Ab und zu kamen welche vom Asozialen Netzwerk vorbei, da hat Herta angefangen, zu Hause auszuschenken, und man hätte es ahnen können: Vierter Stock in einem unsanierten Altbau, schlechtes, billiges Bier, unfreundliche Bedienung, kein Schild an der Tür, total illegal, Geheimtipp im Lonely Planet … Vor lauter spanischen Touristen findet man fast keinen Platz mehr“ (K III, DKO: Das duale System). Hertas Sternstunde schlägt mit einem Monolog in K III, DKO im Kapitel „Ein einfaches Blumenmädchen“, bei dem sie zu einem Rundumschlag gegen die Rechten und das System ausholt.
K – Kommunismus
Selbstbewusst bekennt das Känguru schon am Beginn ihrer langen Freundschaft gegenüber Marc-Uwe: „Ich bin Kommunist“ (K I, DKC: Kleinkunst) und seine Vorliebe für Nirwana. Insbesondere ist es „sehr heikel, wenn es um Besitzverhältnisse geht. Nicht nur bei Produktionsmitteln“ (K I, DKC: Flugstunden), sondern vor allem in Bezug auf sein Verhältnis zu Marc-Uwe. Es ist kein Haustier. Es ist ein unabhängiges Individuum, ganz losgelöst von seinem Mitbewohner. Manchmal etwas zu losgelöst, vor allem sein Mundwerk. Was Marc-Uwe vor Gericht ganz schön in die Bredouille bringt, nachdem das Känguru vor dem Reichstag demonstriert und zwei Polizisten sein Demoschild über den Kopf gezogen hat, während Marc-Uwe „dumm“ daneben stand. Was dazu führt, dass beide verhaftet werden, aber Marc-Uwe die Geldstrafe „wegen Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflicht als Tierhalter“ zahlen muss. (K I, DKC: Sein eigener Herr).
Das Ding mit dem Kommunismus ist allerdings so eine Sache: Das Känguru ist „ein individualistischer Kommunist“ und dabei Teil eines ziemlich anarchistischen Netzwerks, es nennt Kommunismus, was es will (K III, DKO: Kuriosität des Klimawandels). Sprich: es macht sich seine Welt, widde, widde, wie sie ihm gefällt (K II, DKM: Bad Bank). Was möglicherweise auf Marc-Uwes anarchistische Tendenzen zurückzuführen ist. Wieder ein Punkt, an dem die WG-Symbiose greift. Die beiden sind immerhin „Freunde bis zur Revolution“. „Dann schlägt es Marc-Uweden Kopf ein und errichtet seine Diktatur“ (K II, DKM: Ach, scheiß der Hund drauf ...).
N – Nazis
Zu den Freizeitvergnügungen des Kängurus gehört es, seinem Boxreflex nachzugehen. Wie andere Rudeltiere auch, haben Kängurus einen ausgeprägten Drang, ihre Stellung in der Gruppenhierarchie zu behaupten. Dieser Reflex wird bei diesem speziellen Känguru immer dann ausgelöst, wenn zufällig Nazis seinen Weg kreuzen. Im vierten und letzten Teil der Tetralogie versucht es einmal eine andere Annäherung: mit Nazis reden. Im Ergebnis macht es ihnen klar, dass sie Rassisten sind, weil sie sich selbst minderwertig fühlen (K IV, DKA: Entnazifizierung). Der Plan geht auf: in einem kurzen Ritt durch die Schule der abendländischen Philosophie führt das Känguru vier Nazis erfolgreich auf den Weg der Erleuchtung und inneren Erkenntnis. Eine schöne Utopie. Wenn das in der Realität bloß immer so einfach wäre.
Not-to-do-Liste
Die Not-to-do-Liste ist eine Erfindung des Kängurus in K II, DKM: Prolog im Wohnzimmer als Antwort auf Marc-Uwes gelegentliche poetische Krisen. In K 1 DKC: Ziele verbringt dieser einen ganzen Tag im Schlafanzug in der Hängematte mit der Begründung, „Gestern habe ich ...nichts gemacht. Ich hatte mir aber nicht vorgenommen, nichts zu machen. Deswegen war ich dann am Ende des Tages unzufrieden, weil ich nichts gemacht hatte. Heute Abend aber werde ich zufrieden sein, weil ich das erreicht haben werde, was ich mir vorgenommen hatte.“ Psychologisch steht dahinter eine vorübergehende Schreib- und Ideenhemmung, die ein erhebliches Frustrationspotenzial hat, was das Känguru natürlich sofort schlau durchschaut.
Die Not-to-do-Liste des Kängurus ist „eine Liste mit Sachen, die ich als schlecht für mich, für andere oder für die Umwelt einstufe. Heute Abend werde ich alles markieren, was ich nicht gemacht habe. Und das wird mir ein gutes Gefühl geben“. Beim Erstellen der Liste liegt es selbstverständlich den ganzen Tag in der Hängematte. Nummer 5 auf seiner Liste ist „Gedichte schreiben“, Nummer zwei „vernünftig sein“ (K II, DKM: Kleinkrieg), Nummer sieben, sich „an Kleinkunstprojekten beteiligen“ (K IV, DKA: Das Ford-Selleck-Theorem), ebenfalls darauf steht „selbstkritisch sein“ und „etwas zugeben“(K II, DKM: Die Trockner-Theorie). Nicht darauf steht übrigens „auf den Fußboden spucken“ (K II, DKM: Wahre Wärme kommt von innen), was Marc-Uwe ziemlich anwidert. Die Liste zieht sich denn auch als Running Gag durch K II, DKM und erhält angelegentlich ein eigenes Kapitel in Form von Faksimiles handschriftlicher, scheinbar vom Känguru erstellter Notizen.
Damit geschieht in Teil 2 der Tetralogie so etwas wie es von Hunden und Hundebesitzenden oder auch alten Ehepaaren bekannt ist: Marc-Uwe und das Känguru werden sich als sich herzlich zugetane Mitbewohner in einer Art WG-Symbiose immer ähnlicher. Auf ihre ganz eigene Weise. So passt sich Marc-Uwe durch die lange Zeit des Zusammenlebens und des gemeinsamen-durch-Berlin-Streifens auch immer stärker an die Fortbewegungsart des Kängurus an: er hüpft gemeinsam mit ihm durch die Straßen. Was das Känguru nach Aussagen in einer Fußnote „immer ein wenig, wenn er das macht.“ (K I, DKM: Die Korrekturen). Kein Wunder, dass Marc-Uwe schließlich auch eine eigene Not-to-do-Liste zu führen beginnt. So behauptet er, sich „an wahnwitzigen Känguru-Aktionen beteiligen“ habe er kürzlich auf seine geschrieben. (K II, DKM: Ein einfacher Plan).
O – Open Schnick
Weil das Känguru und Marc-Uwe prinzipiell unterschiedlicher Auffassung darüber sind, wer bestimmte unliebsame Aufgaben zu erledigen hat, wie etwa Bad putzen, Einkaufen gehen oder Bier an der Bar holen, haben sie als demokratisches Entscheidungstool Schnick, Schnack, Schnuck, auch bekannt als „Stein, Schere, Papier“ eingeführt. Kleinere Reibereien gibt es immer mal wieder über das Regelwerk des Entscheidungsinstruments, das sich als recht dehnbar erweist, je nachdem, wer gerade verliert (K II, DKM: This-is-my-space-so-fuck-off.com). Um den Unterhaltungswert zu steigern, bringt das Känguru neue Symbole ins Spiel – oder schlägt gleich die Freestyle-Variante „Open Schnick“ vor. „Jeder formt mit seinen Händen ein beliebiges Symbol seiner Wahl. Danach wird ausdiskutiert, wer gewonnen hat.“ (K IV, DKA: Open Schnick) Gerade weil das so „bescheuert“ klingt, ist Marc-Uwe sofort Feuer und Flamme für die neue Variante. Unangenehmerweise verliert er trotzdem in den meisten Fällen, was er jedoch mit gewohnt ergebener Fassung trägt.
P – Pinguin
„Wer mit einem Känguru befreundet ist, hat wahrscheinlich auch eine Giraffe als Nachbarn. Oder war’s ein Pinguin? Äh, Moment … Wie ging des noch mal? Ach verdammt. Ich kann mir diese Sprüche immer so schlecht merken.“ Oscar Wilde (K I, DKC: Prolog) In der Tat zieht am Ende von Teil eins der Känguru-Chroniken ein Pinguin in die Nachbarwohnung ein – exakt die Wohnung, in der zuvor das Känguru gewohnt hat. Nicht sehr lang, zugegebenermaßen, es hatte ja auch weder Möbel noch Eier für Eierkuchen. Und der Neue wirkt verdammt verdächtig und heißt auch noch J. Moriarty. Das Känguru merkt gleich an: „Der Kerl ist mir jedenfalls suspekt. Höchst suspekt.“ (K I, DKC: Känguru) Und es soll Recht behalten. Das Vorwort zu Teil II der Känguru-Tetralogie, eine Umdeutung der Marx-Engelschen Einleitung zum „Manifest der Kommunistischen Partei“ aus dem Jahr 1848 wirft drohende Schatten voraus: „Ein Känguru geht um in Europa. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen das Känguru verbündet, der Papst und der Pinguin, Jörg und Jörn Dwigs, die Ausländerbehörde, das Ministerium für Produktivität und deutsche Polizisten.“
Jeder Held braucht einen Gegenspieler – nur so kann die moralische Überlegenheit des Helden überhaupt erst manifest werden. Und es ist das Känguru selbst, das seine Geister herbeiruft, nachdem Marc-Uwe langweilig war und die beiden spontan ein Detektivbüro eröffnet hatten. Es äußert den unheilvollen Satz: „... was wir bräuchten ist ein Gegenspieler. Einen Antagonisten.“ Prompt fährt ein Möbelwagen vor und der Pinguin zieht ein (K I, DKC: Der neue Nachbar). Die Geister, die es rief, wird das Känguru nun nicht mehr los: zusehends entwickelt der Pinguin im Verlauf der Känguru-Tetralogie ein Eigenleben. Und strebt schließlich in Teil 3 der Tetralogie die Umsetzung seines bösartigen Weltvernichtungsplanes an.
Der Lektor findet das übrigens für den Handlungsverlauf nicht besonders plausibel, den Antagonisten, der einfach so aus dem Nichts auftaucht. Der „Pinguin istsehr schweigsam und das Känguru… äh … nicht. Der Pinguin hat einen festen Job und das Kängurunicht. Der Pinguin steht früh auf …“. Das Känguru liebt Nirwana, der Pinguin Scooter. Das Känguru mag den Film Banana Joe, der Pinguin Grüne Tomaten (K I, DKC: Der neue Nachbar). Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Letztlich ist dies alles auf geografisch-soziale Voraussetzungen zurückzuführen: Das Känguru stammt – wie seine Artgenossen – von den Antipoden (wenn wir Vietnam als biografische Zwischenetappe einmal großzügig auslassen), der Pinguin aus der Antarktis – da ist es prapsschnalinenklar, dass der Pinguin einfach gar nicht anders kann, als in allem einfach der absolute Antagonist zum Känguru zu sein. Der Mensch – äh, Pinguin – ist eben auch als Großkapitalist frei nach Marx nichts anderes als ein Opfer seiner Verhältnisse. (Auch wenn das natürlich alles bürgerliche Kategorien sind.)
Psychiater
Den Psychiater sucht Marc-Uwe auf, um seine WG-Probleme endlich mal auf Augenhöhe zu besprechen, sozusagen mit einer unparteiischen Instanz zu erörtern. Die „latente Gewaltbereitschaft“ des Kängurus, „dieses Brutale“ macht ihm etwas zu schaffen. (K I, DKC: Eine nette Teegesellschaft) Unglücklicherweise triggert das Känguru, dessen tatsächliches Existieren zu einer Art Riss im vorgeblichen Realitätskontinuum des Experten führt, beim Psychiater längst überwundene Wahnvorstellungen. Was dazu führt, dass er sich für einen Vogel hält und selbst längere Zeit in Therapie geht. Dort entdeckt er eine völlig neue Therapiemethode aus den USA: Verdrängen (K III, DKO: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten). Der Psychiater steht irgendwie auf Marc-Uwe und will wahnsinnig gern mit ihm ausgehen, was ihm sein Berufsethos jedoch verbietet (private Beziehungen mit Patienten). Seltsamerweise träumt Marc-Uwe danach ständig vom Psychiater – der eigentlich Psychoanalytiker ist. Marc-Uwes Lektor sind die Kapitel über den Psychiater letztlich aber viel zu abgefahren. Das Ende dieser Beziehung muss also vorerst offen bleiben.
SCH – Schmidtchen
Ein kurzes aber höchst prägnantes Gastspiel in Teil 1 der Känguru-Tetralogie hat Polizeioberwachtmeister Schmidt, auch Schmidtchen genannt. Auf den Punkt charakterisiert wird er als „Kurzer Typ mit langem Schnauzer.“ (K 1, DKC: Schmidtchen). Schmidtchen ist nicht besonders helle, in seinem Nicht-besonders-helle-sein ist er jedoch derart sympathisch, dass ihm seine bodenständige Dummheit ohne Weiteres verziehen wird. Ein kurzes Verhör des höchst verdächtigen Kängurus, das die Axel-Springer-Gedächniskapelle angezündet haben soll, weiß das scharfzüngige Beuteltier derart geschickt zu seinen Gunsten auszulegen, dass das arme Schmidtchen ganz verwirrt von dannen zieht. Und schließlich davon ausgehen muss, dass es sich bei der Brandstiftung um ein „Kompott“ in den höchsten Kreisen handeln müsse. (K 1, DKC: Just because you’re paranoid, don’t mean they’re not after you)
Schnapspralinen
Mit dem Bekenntnis zum Kommunismus und zu Nirwana wird eine weitere Vorliebe des Kängurus (neben Malzkakao) gleich zu Beginn der Chroniken eingeführt: Schnapspralinen. Warum ausgerechnet Schnapspralinen? Das ist eine berechtigte Frage. Leider auch eine bis heute ungeklärte. Klar ist nur, dass Marc-Uwe Schnapspralinen hasst. Und das ist vielleicht auch schon Grund genug, dass das Känguru sie derart heiß und innig liebt, dass es Marc-Uwe ständig zum Supermarkt schickt, um welche zu kaufen (aus Marc-Uwes Budget, versteht sich). Einen besonderen Stellenwert erhalten die Schnapspralinen als Belohnungsleckerlis für belehrte Nazis, aufgelöst am Boden von Biergläsern bei einem Besäufnis – oder als Gegenstand von Schüttelreimen als „Prapsschnalinen“. Die Wortschöpfung erfolgt einzig zu dem Zweck, den migränegebeutelten Marc-Uwe zu foltern, dem „pseudowitzige Wortverdrehungen physische Schmerzen bereiten“, um ihm so das Versteck des von ihm geheimgehaltenen Schnapspralinenvorrates zu entlocken. Erfolgreich zu entlocken. Es ist wirklich ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen, das lorvaute Teutelbier ... (K I, DKC: Warzenschwein)
V – Vietcong
Das Känguru ist ein weitgereistes, was es immer wieder durch seine scharfsinnig-weltkängurusche Art unter Beweis zu stellen weiß. Höchst rätselhaft erscheinen zunächst seine Andeutungen auf die „Vietcong“, was in etwa der in den heutigen sozial durchaus ausgewogenen und sicheren Zeiten ironisch angewendeten Redensart „damals im Krieg war alles schlimmer“ zu entsprechen scheint. Es schweigt sich jedoch stets vielsagend aus, wenn es darum geht, Details seiner Zeit in Vietnam preiszugeben.
Erstmals taucht die Anspielung in K I, DKC: Tütensuppen-Totalitarismus als Reaktion auf unterirdisch zubereitete Fischstäbchen auf: „Ach was [...]. Damals beim Vietcong haben wir das jeden Tag gegessen. Nur ohne Panade.“ Die Vermutung liegt nahe, dass das Känguru die Anspielung auf die Vietcong immer dann einsetzt, wenn es darum geht, kritische Anmerkungen von Marc-Uwe geschickt auszuhebeln und durch ein Totschlagargument bereits im Keim zu ersticken. Das schürt berechtigte Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussage, sowohl bei Marc-Uwe als auch bei den Zuhörenden. „Manchmal frage ich mich, ob es wirklich beim Vietcong war oder ob es nur zu oft beim Kiffen ‚Apocalypse Now’ gekuckt hat.“ (K I, DKC: Wer Krieg spielen will). In Teil 2 der Tetralogie enthüllt es mehr aus seiner Vergangenheit und beruft sich dabei auf seine Ostidentität, was plausibel wirkt, da es ja durch und durch von kommunistischem Idealismus gesteuert ist: „Mutti und ich kamen ja als Vertragsarbeiter in die DDR. Beim Vietcong gab es nichts mehr für uns zu tun, und in Ostdeutschland herrschte Arbeitskräftemangel, deshalb hat die DDR Arbeiter aus sozialistischen Bruderstaaten eingeladen“ (K II, DKM: Guten Tag, Kollege).
Erst in Teil 3 kommt die Wahrheit ans Licht. Auf der wilden Jagd nach dem Pinguin begegnet Marc-Uwe erstmals O. B., dem Oberbefehlshaber des Asozialen Netzwerks, Sektion Vietnam. Obzwar er dem Känguru versprochen hat, sich nicht nach dessen Vergangenheit zu erkundigen, setzt sich Marc-Uwe darüber hinweg und erfährt zu seinem großen Vergnügen: „Es war in den letzten Kriegsmonaten zur Welt gekommen [...]. Es war so klein, es steckte noch im Beutel seiner Mutti.“ Streng genommen war es also tatsächlich bei den Vietcong, auch wenn es das Ausmaß seiner Verwicklung in Kampfhandlungen wohl deutlich übertrieben hat. Auch seine Behauptung, es habe dem letzten US-Hubschrauber, der das Land verlassen habe, nachgewinkt, stimmt wohl. „Oh, es hat dem letzten Hubschrauber gewinkt [...]. Aus dem Beutel raus. Es war das erste Mal, dass es gewinkt hat. Alle fanden das total niedlich.“ Was Marc-Uwe auch „Superniedlich“ findet und das Känguru zu dem ikonischen Ausruf „Ich bin nicht niedlich!“ bewegt. Offenbar ist das sein wunder Punkt, dass alle Welt Kängurus so niedlich findet, obwohl dieses spezielle Känguru sich als höchst gefährlich versteht. Dieser frühe Punkt in seinem Leben ist es auch, der die Lebenslinien des Kängurus und des Pinguins auf höchst mysteriöse Weise miteinander verwebt. (K III, DKO: Der Oberbefehlshaber).
Fun Facts über Marc-Uwe und das Känguru hat übrigens ein Community-Projekt im Netz im sogenannten Känguru-Wiki zusammengetragen. Es ist ein Crowd-Projekt, das von jedem und jeder weitergeschrieben werden kann.