Karen Elste im Interview über die Jenseitsagentur

Karen Elste im Interview über die Jenseitsagentur

Neues aus der Jenseitsagentur: Am 15. Februar erschien „Das Übergangsmanagement", der dritte Teil von Karen Elstes humorvoller Reihe. Im Interview erzählt uns die Autorin mehr über den Entstehungsprozess und verrät, wie sie selbst sich die Reise ins Jenseits vorstellt.

Der Übergangsmanager geht in die dritte Runde - worum wird es im neuen Teil gehen?

Der Schwerpunkt liegt diesmal auf Fines Entwicklung - sie muss den Verlust von Paul verkraften und gleichzeitig ihren Arbeitsalltag in der Jenseitsagentur gestalten. Die neuen "Fernübergänge", die via Hologramm aus dem Callcenter erledigt werden, machen es ihr schwer. Ebenso die nicht ganz ausgereifte Technik. Und auch diesmal sind einige ihrer Klienten eine große Herausforderung für sie. Gleichzeitig wirft Pauls Eintritt in die Reinkarnationslotterie für Fine viele Fragen auf. Fragen, auf die Fine nur eine Antwort bekommt, wenn sie die Karriereleiter hinaufklettert. Aber will sie das eigentlich?

Gibt es ein Happy End für Fine und B-4233?

Vielleicht? Möglicherweise ... eventuell.
Kommt drauf an, was genau man unter einem Happy End versteht. Alles ist möglich. Und braucht man für alles nicht immer ein wenig Geduld?
Mehr kann ich nicht verraten.

Sind weitere Teile in Planung oder ist nach dem dritten Teil endgültig Schluss?

Noch habe ich Stoff, noch sind so viele Fragen offen, auf die es Antworten zu entdecken gibt. Das Universum ist groß. Wer weiß, was sich innerhalb dieser Welt noch alles tut und wessen Geschichte noch erzählt werden will? So viel ist möglich.

Wie hat es sich für dich angefühlt, dass „Der Übergangsmanager“ auf so viel positives Feedback gestoßen ist?

Ja, das war ein seltsam wunderbares Gefühl. Es kam vor allem wirklich überraschend. Ich musste erst mal lernen, loszulassen und die Freude anzunehmen. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich begriffen hatte, dass alles gut ist und dass es viele Menschen da draußen gibt, die den Übergangsmanager mögen. Ehrlich, manchmal kann ich das immer noch nicht glauben. Aber ich freue mich wirklich jeden Tag darüber! Und bin immer noch gerührt von all den Menschen, die persönlich mit mir Kontakt aufgenommen haben, um mir zu sagen, wie viel ihnen der Übergangsmanager bedeutet.

Seit dem zweiten Teil steht eine Frau im Mittelpunkt der Story. Hat sie mit anderen Herausforderungen zu kämpfen als ihre männlichen Kollegen? Welche sind das?

Fine ist der Tod. Und das sagt es schon. In unserer Sprache ist der Tod männlich. Der Tod – die Tod? Frau Tod? Im Grunde muss sie sich mit der alten Herausforderung herumschlagen: Wie kann ich in einer männerdominierten Domäne ernstgenommen werden? Und dahinter steckt ja auch immer die Frage, wie ernst nehme ich mich als Frau eigentlich selbst? Wie steht es um mein eigenes Selbstverständnis? Natürlich wird ihre Kompetenz im Laufe der Staffel mehr als einmal hinterfragt.

Wie geht die Übergangsmanagerin mit übergriffigen oder bevormundenden Kollegen und unwilligen Kunden um? Beides leider Phänomene, die viele berufstätige Frauen nur allzu gut kennen ...

Allerdings! Ja, arme Fine. Ich hab sie manchmal schon vor ordentliche Herausforderungen gestellt, aber sie hat sich tapfer geschlagen. Ein Patentrezept hat auch Fine nicht. Leben und lernen. Mir war es wichtig zu zeigen, dass Überforderung in solchen Situationen auch völlig in Ordnung ist. Ich glaube, Frauen setzen sich manchmal arg selbst unter Druck. Wir wollen perfekte Antworten parat haben, wenn wir in Frage gestellt oder angegriffen werden, aber wir sind auch nur Menschen. Einfach Fluchen ist ab und an auch ok. Manchmal ist Fine schlagfertig, manchmal heillos überfordert, manchmal schlicht wütend. Aber sie beginnt, Licht am Ende des Tunnel zu sehen ...

Woher kam die Idee zum Hörbuch?

Die Ideenfindung hat sich über Jahre gezogen, bis die Geschichte in mir gereift ist. Ich habe relativ lange – auch in der Notaufnahme – als Krankenschwester gearbeitet und habe in meinem Leben wirklich viele Leute sterben sehen. Ich fand immer, dass der Tod in unserer Gesellschaft eigentlich überhaupt keinen Platz hat. Der kommt vielleicht manchmal am Rande vor, aber meistens wird er verdrängt, findet in Krankenhäusern und in Pflegeheimen statt, aber nicht mehr zu Hause. Die wenigsten jungen Menschen beschäftigen sich damit.

Und das wolltest du ändern?

Ich fand es wichtig, den Tod ein Stückchen in die Gesellschaft zurückzuholen, ihm Raum und eine Rolle zu geben, aber natürlich zeitgemäß. Aber es konnte nicht mehr der schwarzgekleidete Sensenmann sein, das ging einfach nicht mehr.

Du sagst es ja selbst: Der Tod ist ein Thema, das die meisten lieber meiden. Wieso wolltest du dich dann so intensiv damit auseinandersetzen?

Ich glaube, vielleicht auch aus der eigenen Angst heraus. Der Tod ist etwas, dem wir uns alle nicht entziehen können. Irgendwann wird er unweigerlich kommen. Wir schweben von Geburt an zwischen Leben und Tod. Es kann uns jederzeit treffen, ganz plötzlich. Es war ein Stück weit meine eigene Angst, die ich in der Geschichte bearbeitet habe. Das ist eben auch ein Thema, mit dem ich mich auseinandersetzen muss: meine eigene Sterblichkeit.

Du gehst in dem Hörbuch sehr humorvoll mit dem Tod um. Denkst du, ein weniger verkrampfter Umgang mit dem Sterben würde uns allen eigentlich ganz guttun?

Unbedingt. Ich glaube, das ist eigentlich mit allen ernsten Themen so. Die meisten ernsten Themen würden davon profitieren, wenn man sie ein wenig humorvoller und freundlicher angehen würde. Je ernster das Thema, desto eher wird es in eine Ecke gedrängt und nie wieder angefasst. Also, wenn ich mal sterbe und dann der Übergangsmanager kommt, wäre ich echt verdammt froh.

Wer im Hörbuch zu lange mit dem Übergang braucht oder sich weigert, wird zum Geist. Wäre das eine Option für dich?

Nein, das wäre für mich nichts. Ich glaube, ich würde weitergehen wollen. Dieses Festhalten an einem Ort – so schön der auch sein mag –, das wäre nicht meins. Dafür bin ich zu wenig verbunden mit Dingen. Und ich möchte auch nicht meinem Freund als Geist hinterherstalken.

Der Übergangsmanager D10-B4233 übt seinen Job nur aus, um nicht als wirbelloses Kriechtier wieder auf die Welt zu kommen. Als wer oder was würdest du gern reinkarniert werden?

Was ich mir ganz toll vorstellen würde – abseits vom Menschsein und einer Familie mit reichen Eltern und allem, was man sich vorstellen kann –, wäre Hauskatze einer älteren Dame zu sein, die einen hegt und pflegt. Man kriegt Futter, man hat immer ein warmes Plätzchen, weiß, dass irgendwo immer eine Dose Thunfisch auf einen wartet … Ich finde, Hauskatze klingt schon ziemlich toll.

„Die meisten ernsten Themen würden davon profitieren, wenn man sie ein wenig humorvoller und freundlicher angehen würde.“

Karen Elste

Der Übergangsmanager ist ein Mann, der ganz cool seinen Job macht und nach Feierabend gern mal etwas auf Netflix schaut. Lässt du dich bei der Entwicklung deiner Figuren von Menschen aus dem echten Leben inspirieren?

Wenn ich Figuren entwickle, habe ich nicht ein einziges Vorbild, sondern meistens sind sie eine Mischung aus Menschen, die ich kenne, und Menschen, die ich mal gesehen habe. Da reicht manchmal ein Satz, damit ich die spannend finde und mir überlege, was für ein Mensch so einen Satz sagen würde. Daraus entsteht dann am Ende schon eine ganze Figur. Dann klaube ich mir noch was bei Bekannten und Freunden zusammen.

Erkennen die sich dann wieder?

Das ist mir tatsächlich auch schon bei Buchcharakteren passiert, dass Freunde gesagt haben, sie würde sich wiedererkennen. Das ist ja aber immer schmeichelhaft, ich würde niemanden als Serienkiller schreiben.

Ist es bei dir so, dass deine Figuren sich ganz anders entwickeln, als du es anfangs geplant hast, oder hältst du dich an einen strikten Plan?

Ich gestehe, dass ich überhaupt kein strikter Planer bin. Ich wünschte, ich wäre es, das würde mir im Schreibprozess eine ganze Menge Arbeit ersparen. Tatsächlich entwickeln sich die Charaktere weiter, was ich immer spannend finde. Vielleicht bin ich auch verrückt, ich weiß es nicht, aber ich unterhalte mich gern mit meinen Charakteren.

„Vielleicht bin ich auch verrückt, ich weiß es nicht, aber ich unterhalte mich gern mit meinen Charakteren.“

Karen Elste

Worüber denn?

Im Laufe dieser Gespräche finde ich mehr über sie heraus und sie entwickeln sich weiter. Ich finde, das dürfen sie auch. Ich glaube, um Charaktere zu schaffen, die rund sind, muss man ihnen Geheimnisse und Ecken und Kanten zugestehen – so wie ganz normale Menschen sie auch haben. Ich kenne auch nicht alle Geheimnisse meiner Figuren. Vielleicht mehr, als sie ahnen, aber nicht alle.

Im Hörbuch beschäftigen sich deine Charaktere mit existentiellen Fragen wie „Wer bin ich?“ und „Wo komme ich her?“ … Sind das Fragen, mit denen du dich auch schon viel beschäftigt hast?

Ja, klar. Ich glaube, das sind Fragen, die ich für mich nicht beantworten kann. Ich bewundere Menschen, die eine ganz feste und strikte Vorstellung davon haben, wie das alles funktioniert. Ich für mich persönlich kann das nicht. Natürlich komme ich vielleicht mal zu der ein oder anderen Überzeugung, aber ich kann nicht sagen, dass ich diese Fragen nachhaltig für mich beantworten kann. Und ich glaube, wenn wir alle ehrlich sind, kann das wahrscheinlich niemand. Immerhin ist keiner bisher beweisbar zurückgekommen. Manche glauben das zwar, aber ich glaube nicht daran. Von daher können wir es einfach nicht wissen. Ich denke, wir müssen einfach mit der Ungewissheit und mit derartigen Fragen leben lernen.

Was denkst du, was nach dem Tod passiert? Meinst du, du triffst dann auf den Übergangsmanager mit seiner App?

Ich würde mich schon freuen, wenn der da mit seiner Rolltreppe auftaucht. Ich bin ehrlich gesagt kein großer Reinkarnationsfan. Gut, in meiner Geschichte spielt das eine Rolle – eine große Rolle sogar –, aber ich persönlich möchte eigentlich nicht so gern noch einmal von vorne anfangen. Ich würde lieber weitergehen und würde mir eher wünschen, in eine andere Welt zu kommen.

Es gibt Menschen da draußen, die forschen fleißig am ewigen Leben. Was machen nur der Übergangsmanager und seine Kollegen, wenn wir alle irgendwann einfach gar nicht mehr sterben?

Das wäre echt ein Problem. Aber ich denke, ewiges Leben wird es nie geben, das wird nie funktionieren. Ich denke, wir werden alle noch viel älter werden, aber arbeitslos werden die Übergangsmanager schon nicht werden. Wir können die Zeit einfach nicht besiegen.

Der „Übergangsmanager“ war dein erstes Werk zum Hören. Hattest du das von vornherein als Hörbuch gedacht?

Das hat sich so entwickelt. Ursprünglich waren das mal kleine, lose Geschichten, bei denen ich gar nicht wusste, ob ich die irgendwo mal unterbringen kann. Dann hat mir eine Freundin von dem erzählt und gemeint, ich sollte da doch mal etwas hinschicken. Ich war erst unentschlossen, habe dann aber kurz vor knapp doch noch etwas eingereicht. Ich war total platt, als meine Geschichte dann genommen wurde. Als Hörbuch finde ich sie jetzt echt optimal. Ich hätte sie mir in keinem anderen Format so gut vorstellen können.