Egal ob Jane Eyre von Charlotte Brontë, Frankenstein von Mary Shelley, Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde oder auch Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson – diese gruseligen Literaturklassiker verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie formten den Ursprung der beliebten Schauerromane. Was genau es mit dem Genre auf sich hat und welche Gothic Novels man unbedingt gelesen haben muss, erfährst du hier.
Was ist Gothic-Literatur?
Die Wurzeln der gotischen Literatur strecken sich fast 300 Jahre zurück bis nach Großbritannien in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Wie die berühmte gotische Architektur, ist auch dieser literarische Stil durch seine lebendigen Bilder von düsteren Schlössern und alten Herrenhäusern mit geheimen Räumen geprägt. Gleichzeitig umfasst Gothic Fiction auch eine romantische Idealisierung des Todes, gemischt mit hoher Dramatik und dem Übernatürlichen.
Als Ableger der Romantik-Litertaur, welche in Europa vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts populär wurde und sich durch eine Fülle von Emotionen und Fantasie auszeichnete, nahm die Gothic Fiction diese leidenschaftlichen Merkmale auf und fügte einen dunkleren Ton hinzu. Die Fans der Gothic Fiction liebten die Immersion in das Unbekannte und Mysteriöse und genossen das Gefühl, in Angst und Schrecken gehalten zu werden.
Gothic Novel: Der Ursprung des Schauerromans
Wie bei jedem Genre ist der Ursprung von Schauerromanen nicht punktgenau auszumachen. Ein guter Startpunkt für Grusel, Schauder und Schrecken, wie wir ihn heute kennen, ist allerdings die Mitte des 18. Jahrhunderts. Denn hier beginnt die Geschichte der Gothic Novel, des Schauerromans, der mit düsteren Schlössern, überlebensgroßen Bösewichten und Jungfrauen in Not bis heute das Genre prägt.
Das wohl erste Werk, das der Gothic-Literatur zugerechnet wird, ist das 1764 veröffentlichte The Castle of Otranto des englischen Autors Horace Walpole. Es wird gemunkelt, Walpole habe sich für diesen Roman von seinem eigenen Haus aus dem 18. Jahrhundert im gotischen Stil inspirieren lassen (das einen sehr un-gotischen Namen trug: Strawberry Hill House). Er erzählt die Geschichte des zum Tode verurteilten Manfred, des Schlossherrn, und seiner Erben. An dem Tag, an dem sein Sohn eine Prinzessin heiraten soll, fällt ein Helm von der Schlossmauer und erschlägt ihn. Eine Tragödie, ja, aber Manfred fürchtet etwas Schlimmeres als den Tod seines Sohnes: einen uralten Fluch auf seiner Familie. Scheidung, Gespenster, Mord und allgemeines Chaos sind die Folgen.
Nach Walpole trugen unter anderem Autoren wie William Thomas Beckford, Matthew Lewis, Ann Radcliffe und Clara Reeve zur frühen Schauerliteratur bei. Als sich das 18. Jahrhundert dem Ende zuneigte, waren die Merkmale des Genres bereits etabliert, doch erst im 19. Jahrhundert wurden Werke der Gothic-Literatur weltweit populär. Edgar Allan Poes The Fall of the House of Usher ist eines der ersten populären Beispiele und eines der ersten in großem Umfang veröffentlichten Werke der Gothic Fiction eines Amerikaners. Die Kurzgeschichte handelt von der dem Untergang geweihten Familie Usher und ihrem Abstieg in den Wahnsinn und trieft nur so vor Vorahnung und Verzweiflung.
Ein weiteres, prägendes Werk der Schauerromane ist auch Northanger Abbey (1817) der berühmten Autorin Jane Austen. Hier verliert sich die lesende Heldin Catherine nämlich in den Fantasien der Gothic Novels und überträgt sie auf ihr eigenes Schicksal. Erst kürzlich hat man auch herausgefunden, dass Austen die im Roman erwähnten Schauerromane nicht einfach erfunden hat, sondern dass diese inzwischen vergessenen Werke damals durchaus populär waren.
Mit dem Romantiker E.T.A. Hoffmann kann Deutschland seinen einflussreichsten Autor von Schauergeschichten vorweisen. Eine direkte Antwort auf die englische Gothic Novel ist zum Beispiel sein wirklich wahnwitziger Roman Die Elixiere des Teufels (1815/16) über die schrecklichen Abenteuer des Mönchs Medardus. Zahlreiche Doppelgänger, Morde und ein Familiengeheimnis, das an ein altes Porträt gebunden ist, begegnen ihm immer wieder. Die schaurige Geschichte Der Sandmann (1816) aus dem Hoffmanns Zyklus "Nachtstücke" sei euch ebenfalls zum Gruseln empfohlen.
Zu den immer wieder aufgelegten, adaptierten, verfilmten und vertonten Horror Klassiker gehören auch die von Edgar Allan Poe. Der hat bekanntlich nicht nur die Detektivgeschichte erfunden, sondern auch den Horror in die Psyche der Figuren verlagert hat. Man denke nur an den Untergang des Hauses Usher, in der Mensch und Haus gleichzeitig zusammenfallen! Bis heute sind Poes Erzählungen unerreicht in der Subtilität und Effektivität des Grauens. Die Erzählungen wurden von Erich Räuker eingelesen.
Schauerromane: Die Vampire
Spricht man von klassischen Schauerromanen, darf der Vampir nicht fehlen: Mit Bram Stokers viktorianischem Vampirroman Dracula (1897), der als multimedial modernisierter Briefroman daherkommt, ist unzweifelhaft der Höhepunkt der Vampirgeschichte erreicht. Dracula beendet den Horror des 19. Jahrhunderts mit einem Paukenschlag – und wird zum Grundstein aller modernen Vampirgeschichten – sei es in Buch, Comic, Film oder Computerspiel.
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Cosmic Horror
Kommen wir zum letzten Horror Klassiker: Als Scharnier zwischen dem Schauer des 19. und dem modernen Horror des 20. Jahrhunderts lassen sich die Erzählungen des Amerikaners Howard Phillips Lovecraft betrachten. Zwar stark von Poe beeinflusst, bringt Lovecraft auch viele moderne Themen – zum Beispiel die Masse der Großstadt und die neuen Medien – in seine Geschichten ein. Am nachhaltigsten wirkt aber wohl seine Erfindung des sogenannten Cthulhu Mythos: Der beschreibt ein Sammelsurium an wahrhaft kosmischen Monstern, die ehemals die Erde bewohnt haben und die nun in dunklen Ecken oder im Meer hausen und sich anschicken, wieder zurückzukehren...Das Hörbuch wird gesprochen von David Nathan und Joachim Kerzel.
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Horror Klassiker in der Übersicht
Das Ende des klassischen Horrors?
Als Abschlussnote lässt sich sagen, dass ausgerechnet die Monster des klassischen Horrors diesem inzwischen den Rücken gekehrt haben und nunmehr in einem gänzlich anderen Genre aufzufinden sind:
Frisch frisiert, neu gestylt und in jeder Hinsicht gezähmt und domestiziert suchen sie im 21. Jahrhundert den Mädchenliebesroman heim. Sie übernehmen dort die Rolle des Märchenprinzen im Kampf um die Gunst von Teenager-Mädchen. Was die meist über hundert Jahre alten Vampiropas allerdings überhaupt an amerikanischen High Schools und in Mädcheninternaten suchen, verraten die Romane nicht. Es stellt sich aber die Frage ein: Ist das vielleicht doch Horror?
Was haltet ihr von modernen Horror-Geschichten? Mögt ihr die romantisch-gruseligen Vampirromane oder bevorzugt ihr die Horror-Klassiker?